Früh brachte Jim O'Neill das Modewort der «Great Rotation» auf. Nun erklärt der Goldman-Sachs-Vordenker, weshalb man sich davon nicht zu viel versprechen sollte.

Jim O'Neill stellt sich in einem neuen Anlagekommentar die Frage, die derzeit wohl alle umtreibt: «Are Things That Good?». Ist die Lage wirklich so gut, wie die Börse tut? Und in der Frage sind ja bereits die Zweifel enthalten.

Für den Chairman von Goldman Sachs Asset Management haben sich die Aktienmärkte jedenfalls auf einige heikle Punkte hin entwickelt. Unter anderem:

  • sehen allerhand Aktienbewertungen derzeit nicht mehr besonders günstig aus;
  • stehen grössere Herausforderungen an, zu denen nun auch Währungsfragen gehören;
  • müssten ja die Zinsen steigen, wenn die Lage wirklich so gut wäre – was wiederum frische Probleme schaffen dürfte.

Und so befinden wir uns in einer Zwickmühle. Denn auf der anderen Seite sollten uns allerlei fundamentale Daten fröhlich stimmen. Als Beispiele aus den letzten Tagen nennt O'Neill die erfreuliche Entwicklung der Einkaufsmanager-Indizes (von Asien über Europa bis Amerika), die Entwicklung der Haushaltseinkommen in den USA oder das immer vernünftigere Handelsbilanz-Plus von China.

Was kann man also tun? Die naheliegendste Idee, die Jim O'Neill anregt: Augen zu – und warten, bis sich die Lage im Frühjahr geklärt hat. Denn immerhin sei die Aufwärtsentwicklung an den Aktienmärkten so stark gewesen, dass Korrekturen leicht vorstellbar werden. Das Problem: «Wenn heutzutage so etwas passiert, erschüttert es unser Grundvertrauen.»

Huhn oder Ei

Ein anderer Punkt: Man darf, so Jim O'Neill, nicht allzu sehr auf die «Great Rotation» vertrauen. Diese Idee besagt bekanntlich, dass jetzt eine grosse Umschichtung eingesetzt hat – weg von Obligationen und vom Geldmarkt, hin zu Aktien.

Jim O'Neill sympathisiert zwar mit dieser Vorstellung, nur: Für ihn bedeutet dies noch lange nicht, dass die Aktienkurse deswegen weiter nach oben schiessen. «Ich habe in meiner Karriere mehrfach gelernt, mich wegen der Kapitalströme nicht allzu sehr zu ereifern», schreibt der britische Ökonom. Denn die Geldströme bieten keine Garantie für die Preisentwicklung. 

BRIC & EU

In der Realität werde eher umgekehrt ein Schuh draus: «Es ist wahrscheinlicher, dass die Kursentwicklung zu Verschiebungen bei den Anlageklassen führt als umgekehrt.»

Und aus einem weiteren Grund kommt der Goldman-Sachs-Mann zum Schluss, dass langsam Vorsicht angebracht ist: Nach einer der wichtigsten Bewertungstechniken, nämlich der zyklisch angepassten P/E-Beurteilung (CAPE, Cyclically Adjusted Price Earnings), seien die Kurse in den USA, Australien und Mexiko keineswegs günstig; mit Enttäuschungen müsse also doch gerechnet werden. Andere Märkte, inbesondere die grossen Schwellenländer, Japan und weite Teile von Kontinentaleuropa, böten hingegen noch günstige Aktienpreise. Immerhin.