Anlagenotstand gibt es für den renommierten Anlagestrategen nicht. finews.ch sprach mit ihm über attraktive Alternativen zu Aktien und Staatspapieren.

Herr Schrutt, Sie behaupten, der Anlagenotstand werde massiv überschätzt. Stellen Sie sich damit nicht quer zur Anlagewelt?

Ich kann dieses «Buzzword» Anlagenotstand nicht mehr hören. Wenn eine Pensionskasse einen Mindestzinssatz erreichen muss, dann hat sie mit traditionellen Anlagen tatsächlich ein Problem. Staatspapiere weisen historisch gesehen extrem tiefe Renditen auf und sie sind notabene die bedeutendste Anlageklasse. Die realen Renditen sind teilweise sogar negativ. Da muss man sich halt etwas einfallen lassen!

«Anlagereglemente kann man ändern»

Schreibt das Gesetz nicht Quoten vor, an die sie sich halten müssen?

Ja, das BVG gibt Maxima vor, aber diese werden selten ausgenutzt. Es sind vielmehr die eigenen Anlagereglemente, welche die Pensionskassen auf ein weit restriktiveres Anlageuniversum einschränken. Das Gute daran ist: Anlagereglemente kann man ändern.

Werden Sie etwas konkreter!

Es gibt einen Sammeltopf «Alternative Anlagen». Dort schreibt das BVV2 lediglich vor, dass man in wohldiversifizierte Anlagen, sprich Kollektivanlagen, investieren muss, was auch Sinn macht. Aber die Klasse wird häufig mit Hedge Fonds gleichgesetzt.

Ich verstehe, dass Stiftungsräte nicht viel davon halten, nach dem Schaden, den einige Hedge Fonds angerichtet haben. Aber es gibt Alternativen.

Aktien als Alternative zu Obligationen haben doch in den letzten 18 Monaten gut rentiert. Sprechen Sie von Aktien?

Jein. In der Tat sollte meines Erachtens die Aktienquote sowohl für institutionelle als auch für private Anleger aus strategischer, langfristiger Sicht höher sein, als sie dies durchschnittlich ist. Taktisch, also kurzfristig, erwarte ich aber Marktkorrekturen. Und hier kommt wiederum der Begriff «Anlagenotstand» ins Spiel. Faute de mieux haben viele Investoren in Aktieninstrumente investiert und sind damit in den letzten anderthalb Jahren nicht schlecht gefahren. Aber es gibt ja nicht nur Geldmarkt, Staatsobligationen und Aktien.
 


«Eine nicht sehr robuste Basis»


 In seiner historische Rede vom 26. Juli 2012 hat Mario Draghi in London gesagt: «The ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro ...». Dass zündete ein spektakuläres Rally an den Aktienmärkten. Was ist mit den Inflationsgefahren im Gefolge dieser Geldschwemme? Dieses Szenario würde ja nach gängiger Lehre wiederum für Inflation sprechen.

Da die Liquidität im Interbankensektor versickert und grösstenteils nicht in der Kreditvergabe mündet, hege ich zumindest kurzfristig wenig Inflationsängste.

Das Fed zum Beispiel ist – wieder – der grösste Kreditor des amerikanischen Staates. Und das Rally an den Aktienmärkten basiert weniger auf fundamentalem oder liquiditätsgetriebenem Wachstum und steigenden Erträgen der Unternehmen. Diese Ingredienzien stellen eine nicht sehr robuste Basis dar.


«Echte Wachstumsmärkte»


Was sind denn unter Ihren eher pessimistischen Prognosen Alternativen für Aktien?

Die Unternehmen, grosse und speziell kleine, haben es schwer Kredite von den Banken zu erhalten. Also bleibt die Verbriefung. Unternehmensanleihen von Firmen im Investment-Grade-Bereich und hochverzinsliche Unternehmensanleihen muss man sich sehr genau anschauen. Das sind echte Wachstumsmärkte.

Seit Ausbruch der Finanzkrise haben Neuemissionen stark zugenommen. Gemäss offiziellen Statistiken betrug das Volumen in den USA 2012 knapp 370 Milliarden Dollar, in Europa etwa 60 Milliarden Euro. 2012 zum Beispiel war für diese Assetklassen ein sehr gutes Jahr.

Die Differenzen zu Staatsobligationen haben sich in jüngster Zeit deutlich verringert, was darauf hindeutet, dass die Risikoprämien gesunden sind. Oder etwas plakativ ausgedrückt: Was bietet mehr Sicherheit? Eine Anleihe des griechischen Staats oder von Nestlé?


«Mit Research Mehrwert schaffen»


Nun, Sie nennen gerade ein sehr grosses, stabiles und transparentes Unternehmen. Was ist denn mit weniger bekannten, kleineren Firmen?

Jetzt kommen wir zum Kern. Hunderte von Analysten decken die grossen Konzerne ab. Da kreiere ich wenig bis gar keinen Mehrwert, wenn auch ich diese Unternehmen noch zusätzlich analysiere.

Bei kleineren, gerade im High-Yield-Bereich, kann ein gutes Research noch einen Mehrwert schaffen. Wenn man sich so ein diversifiziertes Portfolio zusammenstellt, hat man einen Ansatz zur Behebung des «Anlagenotstandes».


«Analysen sind oft vergangenheitsbezogen»


 Wie wählt denn der Privatanleger diese Unternehmen aus?

Er soll dies tunlichst nicht selbst tun. Da gibt es Profis. Und man sollte nur in Kollektivanlagen investieren. Es gibt eine ganze Industrie, die den «besten» Manager ausfindig macht. Leider sind diese Analysen oft vergangenheitsbezogen und tragen vielen Kriterien nicht Rechnung.

Die Ausfallrate, die Default Rate, ist ein wichtiger Indikator. Schafft es ein Analyst, ein Fondsmanager einen Zahlungsausfall zu vermeiden? Hat er einen Regelmechanismus, der diesen Supergau vermeiden oder zumindest auffangen kann?

Welcher Regelmechanismus?

Unter Regelmechanismus verstehe ich zum Beispiel die Vorgabe mindestens in fünfzig Unternehmen zu investieren. Ein Ausfall, das heisst die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens bedeutet dann einen Maximalverlust von 2 Prozent. Wenn, wie 2012 der europäische High-Yield-Markt über 20 Prozent rentiert, könnte man einen Verlust von 2 Prozent ja wirklich verkraften.

Eine kurze Restlaufzeit ist auch ein probates Kriterium. Ein Manager, der in den letzten Jahren keinen Ausfall beklagen musste, hat seine Hausaufgaben offenbar gut gemacht. Aber andere Kriterien, wie die Firmenkultur und die Expertise spielen eine ebenso bedeutende Rolle.

Den sogenannt «schlagenden Verkaufsargumenten» ziehe ich einen Anbieter vor, der stark in der Unternehmensanalyse ist, bei dem die Kreditanalyse gelebt wird und die Firmenkultur prägt. Die USA haben uns gegenüber hier einen wesentlichen Vorsprung. Aber überall gilt das eherne Gesetz: Mehr Rendite, mehr Risiko. Selten wird der Zusatz gemacht, dass das Risiko eben kalkulierbar sein soll.


«Aus dem Notstand eine Opportunität machen»


 Wieso denn der Vorsprung der USA gegenüber Europa?

In den USA wurden High-Yield-Investoren traditionell besser behandelt als in Europa. Ohne jetzt zu technisch zu werden: In Europa ist High-Yield gegenüber Bankfinanzierungsinstrumenten – wie Bank Senior Debt – schlechter gestellt. High Yield hatte in der Vergangenheit Eigenkapitalcharakter. Das ändert sich zurzeit massiv. Also warum nicht in einen jungen, wachsenden Markt investieren, um aus dem Anlagenotstand eine Anlageopportunität zu machen.

Zum Schluss: Was soll der private Anleger konkret tun? Er muss ja schliesslich seiner Depotbank einen Kaufauftrag erteilen.

Der erste Schritt scheint mir: Man mache sich etwas schlau über die Technikalitäten. Hierzu reichen die Stichworte «Unternehmensanleihen» und «High Yield» in einer Internet-Suchmaschine. Oder, man studiere die Fälle wie Brake Bros. oder Eircom. Diese haben zu einem positiven Umbruch und Besserstellung der High-Yield-Investoren gegenüber den traditionellen Kreditgebern geführt. Ein guter Manager weiss dies.


«Vergleiche!»


Zweitens frage man seine Depotbank nach Produkten. Natürlich wird die Bank zunächst eigene Fonds anpreisen, wenn sie denn solche hat. Sofern aber die Bank ein unabhängiges Dritt-Fonds-Research hat, wird sie auch Vorschläge von externen Anbietern machen. Drittens: Vergleiche! Und vergleiche nur transparente Produkte. Wenn ein Manager über Jahre bewiesen hat, dass er es kann, gibt es wenige Gründe daran zu zweifeln, dass er dies auch in Zukunft kann.

Alarmzeichen sind eine gestiegene Ausfallrate, Manager- / Personal-Wechsel und natürlich das Marktumfeld. Hinzu kommen noch die Kosten. In der Regel sind diese klein. Es existieren aber Anbieter, bei denen fressen die hohen Kosten die Überschussrendite eines Jahres gleich weg.

Leo Schrutt ist selbständiger Berater, Präsident des Vermögensverwalters Parkside Invest in Zürich und berät unter anderem den amerikanischen Asset Manager Muzinich & Co.

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