Der ehemalige UBS-CEO Marcel Rohner und drei Ex-Chefs der Investmentbank mussten sich einem Ausschuss des britischen Parlaments stellen. Hier die Highlights.

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Bereits am Mittwoch waren Investmentbankchef Andrea Orcel, Chief Risk Officer Philip Lofts und Compliance-Chef Andrew Williams an der Reihe. Zwei Stunden lang nahmen die Mitglieder der Parliamentary Commission on Banking Standards in London die drei UBS-Spitzenleute wegen des Libor-Skandals aufs Korn.

«Wie beurteilen Sie den Skandal im geschichtlichen Vergleich?», lautete am Donnerstag dann die erste Frage an Marcel Rohner. Und der ehemalige Konzernchef hielt vor dem Parlamentsausschuss nicht hinter dem Berg. «Ich war schockiert, als ich darüber las», so die Antwort. «Ich schämte mich.» — Oder auf englisch: Er sei «shocked, embarrassed, ashamed» gewesen.

Ruhig und ernst berichtet er weiter. Der Libor-Fall sei ein grosser Skandal, auch wenn man auf die Geschichte der UBS schaue. «Wenn ich jedoch zurückblicke, dann war der Kampf ums Überleben der Bank oft grösser und tiefgehender als das Fehlverhalten im Rahmen der spezifischen Krise.»

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Auf die Frage, ob er sich verantwortlich fühle, antwortete Rohner: «Ich fühle mich zuständig für das, was in der Bank unter meiner Aufsicht passierte.»

Die Kontrollmechanismen der Bank seien damals wohl «nicht vollständig wertlos gewesen, aber nicht ausreichend für das, was sie tun mussten.»

Im Rückblick habe er das Gefühl, dass man sich zu sehr auf das gestützt habe, was gut lief. Intern habe es daher wohl eine Tendenz gegeben, dass sich viele Leute wohl darauf verliessen, dass die Kontrollmechanismen schon funktionierten.

Nichts von Verfehlungen gewusst

Huw Jenkins wiederholte, dass es tatsächlich so war – auch wenn es gegen aussen schwer nachvollziehbar sei: Das Management der Bank wusste nichts von den Verfehlungen.

Alle Anwesenden versicherten dem Ausschuss auf diverse Nachfragen, sie hätten erst 2011 aus der Presse von dem Skandal erfahren. Wie man das als Aussenstehender glauben solle?, so die Frage eines Politikers.


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Huw Jenkins (CEO UBS Investment Bank 2005-2008); Alex Wilmot-Sitwell (Co-Chairman und Chairman UBS Investment Bank, 2009-2012); Jerker Johansson (CEO UBS Investment Bank 2008-2009)


«Ich weiss, es ist schwer zu glauben, aber es ist so», so Jenkins. «Es tut uns leid, dass wir das nicht bemerkt haben. Die Kontrollsysteme haben versagt.» Auf die Frage, was er in diesem Zusammenhang von der Kultur der Bank halte, gestand er ein, dass es Zweifel aufkommen lasse über die Einstellung der Banker. Man habe zu sehr kurzfristig, nicht in der langen Sicht gedacht. «Ich akzeptiere voll, dass unser Compliance-System versagte.»

Auf der anderen Seite konfrontierten die Parlamentarier die UBS-Vertreter regelmässig mit Begriffen wie «Versagen», «Verbrechen». Und sie liessen ihre Zeugen in trockenem British-English wissen, dass sie ihnen kaum abnehmen, nichts von den Absprachen im Libor-Handel gewusst zu haben.

Jerker Johannson gestand auf die Frage, ob er persönlich als Chef der Investmentbank versagt habe, ein: «Dort habe ich meinen Job nicht gut gemacht».

Worauf ein Parlamentarier trocken kommentierte: Das sei noch untertrieben.

Widersprüche bei Marcel Rohner?

Jerker Johannson, Huw Jenkins und Marcel Rohner verband eines: Sie zeichneten in London das Bild, dass sie – absorbiert durch andere Felder – das Libor-Geschäft wohl zuwenig beachtet hätten. «Ich habe es nicht als Risikobereich erkannt», sagte Johannson einmal.

Das weckte Widerspruch. Richtig unangenehm wurde es für Marcel Rohner, als ihm die Banken-Kommission eigene Aussagen vorlegte: Ob er sich noch an eine Präsentation erinnern könne, die er selber im Dezember 2007 gehalten habe? Nein, nicht an jedes Detail, so Rohners Antwort. «Das überrascht mich nicht nur, es erschreckt mich», so die Antwort aus der Kommission.

UBS_Prasentation_2007Denn: In jener Präsentation ging es darum, welcher Bereich als einziger die Zahlen der damals strauchelnden Bank stärken könne, welches Geschäft ihr wieder zu Liquidität verhelfen könne. Rohners Antwort damals: Vor allem das Libor-Geschäft.

«Und daran können Sie sich nicht erinnern?», lautet die Nachfrage. — «Nein, das war eine Präsentation aus dem Jahr 2007», erwidert der Ex-CEO.

Der Structured Libor als Wachstums- und Rendite-Feld der UBS: Die britischen Parlamentarier zweifeln auf dieser Grundlage an, dass das Management wirklich die dortigen Risiken zuwenig beachtet habe. Die Präsentation wird im weiteren Verlauf der Befragung noch mehrmals als Argument benutzt.

Ob er sich nie gefragt habe, warum es gerade dort so ausgesprochen gut laufe?, fragt eine Volksvertreterin Marcel Rohner. Der Ex-Banker schweigt.

Die Ignoranz, die in der Führungsetage der Bank geherrscht habe, sei unglaublich, wirft die Kommission Rohner an den Kopf. Er kann kaum noch antworten, der ehemalige Top-Banker wird vom Bankenausschuss regelrecht gegrillt.

«Ist es Diebstahl?»

Andere hätten sich klar besser geschlagen als die UBS, so Rohner. Aber es habe auch Banken gegeben, denen es ähnlich schwer fiel.

Die Politiker wollen das Schuldeingeständnis der Banker hören und lassen nicht locker. «Verstehen Sie, warum alle genervt sind, wenn Sie von Irregularitäten reden?», fragen sie Jerker Johansson. Er versteht es. Ob er die Vorgänge ebenfalls als Diebstahl bezeichnen würde? «Ja, im nicht-justiziellen Sinne könne man es als Diebstahl bezeichnen», erwidert er.   

Ihr Lohn? «Mehrere Millionen Pfund»

Entsprechend tauchte – einmal zumindest – auch die Frage der eigenen Entlöhnung auf. Sie wurde an Huw Jenkins gestellt, der die UBS-Investmentbank von 2005 bis 2008 geleitet hatte: Wie hoch war ihre Entlöhnung? Jenkins verwies darauf, dass die Optionen und sinkenden Aktienkurse die «total remuneration» in jener Phase schmälerte; nach Nachfragen bezifferte er sein jährliches Gehalt dann «in the multiple millions of pounds» – bei mehreren Millionen Pfund.

«Out of touch, unaware»: So beurteilte ein Parlamentarier das Spitzenmanagement der UBS. Worauf Marcel Rohner teilweise zustimmte: Sein Rücktritt 2009, so der Schweizer, habe auch damit zu tun gehabt, dass er das Versagen erkannt habe. Er sei sich seiner Verantwortlichkeit bewusst, sagte Rohner – er war es, der von den anwesenden UBS-Vertretern als einziger Selbstkritik äusserte.

Zero Tolerance

Alex Wilmot-Sitwell geht davon aus, dass in Zukunft nicht noch mehr verfängliche Details aufgedeckt werden. «Nachdem in Folge der Krise alles so akribisch untersucht wurde, würde mich das sehr wundern». Auch er könne sich nicht erklären, wie ein Skandal dieser Grösse übersehen werden konnte. Dennoch habe man in der Führungsetage grundsätzlich gute Arbeit geleistet.

Ethische Grundsätze würden nun besser kommuniziert. «Whistleblowing-Hotlines werden zur Verfügung gestellt und genutzt.» Man zeige «zero tolerance» – keine Toleranz für Versagen in diesen Dingen.

Was haben die Banker aus den Vorfällen gelernt?, fragten die Politiker. Marcel Rohner antwortete mit dem Satz: «Ich würde eine neue Umwelt schaffen. Ich glaube, es ist wichtig, viel zu vereinfachen – ein Geschäft zu schaffen, welches gut verständlich ist.»

«Keine Kultur»

Marcel_Rohner_London_q2Man müsse den Gruppenzwang abbauen. «Der Drang, schnell zu wachsen, wurde von kurzfristigem Denken ermutigt.» Man habe von Quartal zu Quartal gedacht. Jetzt würde er anders denken, langfristiger. Auch die Kultur sei etwas, was komplett neu aufgebaut werden müsse. «Es gab keinen Mangel an Kultur», so Rohner: «Es gab einfach keine.»

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