Grössere Institute werden die Herausforderungen der nächsten Zeit besser bewältigen können, ist KPMG-Bankenexperte Christian Hintermann überzeugt.

Christian_Hintermann_500

Herr Hintermann, wird 2013 zum Jahr des grossen Privatbanken-Sterbens in der Schweiz?

Da der Druck auf die Privatbanken permanent steigt, wird sich auch die Anzahl der Institutionen weiter reduzieren. Neue Herausforderungen im Bereich der Retrozessionen und der Umsetzung von MiFID II werden diesen Prozess in den nächsten Jahren noch zusätzlich beschleunigen.

In den vergangenen 18 Monaten wurden verschiedene Banken liquidiert, da diese nicht mehr verkauft werden konnten. Nach einem sehr ruhigen 2012 gehe ich davon aus, dass es wieder mehr Übernahmen von Privatbanken geben wird, da der Druck auf die Eigentümer immer grösser wird, strategische Entscheide zu fällen.


«Oftmals bleibt nur die Liquidation»


Nach Ihrem Dafürhalten sind besonders kleine Privatbanken mit Vermögenswerten von weniger als 5 Milliarden Franken gefährdet. Was geschieht mit diesen Instituten?

Falls diese kleinen Privatbanken nicht verkauft werden können, bleibt ihnen oftmals nur die Liquidation. Es wird jedoch auch Banken geben, welche die Banklizenz abgeben und sich als unabhängige Vermögensverwalter mit einer günstigeren Kostenstruktur positionieren können. Die meisten werden jedoch mit anderen Privatbanken fusionieren, um Grössenvorteile zu erzielen.

Wird nicht einfach pauschalisiert, wenn es heisst, kleine Privatbanken hätten keine Überlebenschance?

Es ist sicher zu einfach, die kleinen Privatbanken so darzustellen. In unseren Analysen haben wir gesehen, dass in den vergangenen Jahren unter den erfolgreichsten Banken auch einige mit weniger als 5 Milliarden Franken an Vermögenswerten dabei waren.


«Grössenvorteile werden immer wichtiger»


Trotzdem muss gesagt werden, dass es für einen grossen Teil der kleinen Banken eng wird. Dies zeigt sich auch darin, dass die meisten Banken mit operativen Verlusten tendenziell kleine Banken sind. Die Komplexität des Geschäftes steigt zunehmend und damit steigen auch die Kosten. Daher werden Grössenvorteile immer wichtiger.

Anders gefragt: Lässt sich mit ein paar Milliarden Franken an Kundengeldern überhaupt ein nachhaltig profitables Geschäftsmodell betreiben?

Es wird sicher sehr schwierig. Um profitabel arbeiten zu können, müssen die Banken ein extrem fokussiertes Geschäftsmodell fahren. Fokussiert bezieht sich dabei auf verschiedene Aspekte wie zum Beispiel die bearbeiteten Märkte, das Produktangebot sowie Standortfragen. Für eine grundsätzliche Anpassung des Geschäftsmodells fehlen jedoch vielen Privatbanken die Zeit, die finanziellen Mittel und die Kompetenzen.

Was braucht es für ein nachhaltig erfolgreiches Privatbanken-Geschäftsmodell?

Es gibt verschiedene Strategien, um erfolgreich zu sein. Dies sieht man schon bei den heute erfolgreichen Banken, die zum Teil sehr unterschiedliche Strategien fahren. Die Grösse der jeweiligen Bank hat einen bedeutenden Einfluss auf die strategischen Möglichkeiten.


«Die Banken müssen weiter sparen»


Wichtig ist die vorher erwähnte Fokussierung. Banken müssen sich künftig im Markt klarer positionieren und differenzieren. «Swiss Private Banking» ist dabei kein ausreichendes Differenzierungsmerkmal. Die Kunden müssen verstehen, welche Dienstleistungen und Produkte ihnen die Bank offeriert und was die Privatbank von der Konkurrenz abhebt.

In Ihrer kürzlich vorgestellten Studie «Performance der Schweizer Privatbanken 2012» stellen Sie fest, dass es den Banken bisher nicht gelungen sei, ihre Kosten nachhaltig zu reduzieren. Heisst das mit anderen Worten, dass wir 2013 einen weiteren, massiven Stellenabbau sehen werden?

Grundsätzlich müssen die Banken weiter Kosten sparen, was sicherlich zu einem Stellenabbau führen wird. Die steigenden regulatorischen Anforderungen und die zunehmende Komplexität des Geschäfts bedingt jedoch die Anstellung neuer Mitarbeitenden. Dies ist auch ein wesentlicher Grund, weshalb bisher netto kaum Stellen abgebaut wurden.


«Sparen war in der Vergangenheit kein Thema»


Im Rahmen der erwarteten Übernahmen und Fusionen werden Stellen wegfallen, denn in den meisten Fällen übernimmt ein Käufer vor allem die Kundenberater und Kunden, braucht aber die übrigen Mitarbeiter und die Infrastruktur der gekauften Bank nicht. Ich bin aber überzeugt, dass es für die Banken beinahe wichtiger ist, die Erträge nachhaltig zu steigern und Wachstum zu erzielen.

Warum tun sich die Banken mit ihren Kosten so schwer?

Einerseits spielen kulturelle Aspekte eine Rolle, denn Kosten sparen war in der Vergangenheit in dieser Branche kein Thema. Andererseits kann man ein weiteres Zuwarten verschiedener Banken beobachten. Die einfachen, schnell umzusetzenden Massnahmen wurden grösstenteils realisiert.


«Es wird zu Kapitalabflüssen kommen»


Mit fundamentalen Anpassungen der Kostenstruktur wurde zugewartet. Ich bin aber überzeugt, dass wir in den Zahlen 2012 weitergehende Kosteneinsparungen sehen werden.

Wie stark werden sich die verwalteten Kundenvermögen in der Schweiz in den nächsten zwei Jahren reduzieren, angesichts der vielen, noch ungelösten Probleme (Steuerstreit mit den USA, Scheitern der Abgeltungssteuer mit Deutschland, Druck aus anderen EU-Ländern, steigende Regulieren, etc.) auf dem Finanzplatz?

Bisher zeigte der Finanzplatz Schweiz eine erstaunlich hohe Resistenz. Die 100 Banken, welche wir untersucht haben, weisen gesamthaft betrachtet keinen Abfluss von Kundenvermögen auf. Abfliessendes europäisches Geld konnte durch solches aus den Wachstumsmärkten ersetzt werden. Ich gehe allerdings davon aus, dass es zu Abflüssen kommen wird. Eine Zahl zu nennen, ist jedoch schwierig.


«Grössere Banken sind proaktiver als kleine Institute»


Sie haben unlängst auch festgestellt, dass sich viele verwalteten Vermögen zu grösseren Banken hinbewegen. Wie erklären Sie sich diesen Trend?

Viele grössere Banken haben einen wesentlich proaktiveren Ansatz und passen sich konsequenter und schneller an das neue Umfeld an. Sie verfügen über mehr finanzielle und personelle Ressourcen, um all diese Veränderungen aufzufangen. Sie sind zudem auch erfolgreicher darin, neue Kunden zu akquirieren und verlieren erfahrungsgemäss weniger bestehende Kunden.

Wie präsentiert sich die Schweizer Bankenlandschaft in fünf Jahren?

Die Branche steht vor grossen Veränderungen. Nebst einer weiteren fortschreitenden Konsolidierung – vorwiegend zu Lasten der kleineren Institute – wird sich die Anzahl der ausländischen Banken weiter substanziell verringern. Nach einer Phase des Rückgangs der verwalteten Vermögen, rechnen wir mittelfristig aber wieder mit einem Wachstum der Schweizer Privatbanken-Branche.


«Steuerehrlichkeit wird zum Standard»


Analog zu anderen Industrien werden dabei vor allem mittlere und grössere Banken die Früchte der Restrukturierung ernten. Die verbleibenden Institute werden profitabler und effizienter sein. Wir rechnen damit, dass in fünf Jahren rund 20 bis 25 Prozent weniger Bankinstitute Private-Banking-Dienstleistungen anbieten werden. Zudem sehen wir eine Transformation der Branche in Richtung Transparenz. Themen wie Steuerehrlichkeit und Suitability werden zum Standard.


Christian_Hintermann_qChristian Hintermann studierte Betriebswirtschaft und promovierte an der Universität Zürich. Später erlangte er den Titel eines Eidg. diplomierten Wirtschaftsprüfers und vervollständigte seine Ausbildung mit einem Advanced Management Program am INSEAD.

Beruflich begann er seine Karriere beim Beratungsunternehmen Arthur Andersen und wechselte später zu PwC. Bei beiden Firmen war er im Bereich Financial Services tätig.

Im Jahr 2001 stiess er zur Swisscom, wo er zuletzt Head of Mergers & Acquisitions war. Seit 2007 arbeitet er für KPMG, wo er heute als Partner im Bereich Financial Services tätig ist.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.89%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.89%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.74%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.07%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.42%
pixel