Höhere Eigenmittelanforderungen und strengere Liquiditätsvorschriften zwingen die Banken, vorsichtiger zu handeln. Hans Kaufmann analysiert die Folgen.

Wenn man die Bilanzen der Schweizer Banken seit dem UBS-Schock, d.h. seit Ende September 2008 bis zum 31. März 2009 betrachtet, dann stellt man noch selten erlebte massive Veränderungen fest. Der Schock, dass selbst eine Schweizer Grossbank in einen Liquiditätsengpass geraten kann, wenn Kundengelder in grossem Ausmass innert kurzer Zeit abfliessen, sitzt tief. Dazu kamen parlamentarische Vorstösse zur Redimensionierung der Grossbanken und die Finma will die Banken erneut auf ihre Resistenz im Falle einer schweren Rezession überprüfen.

Hätten die Schweizer Banken die gleichen Stress-Test-Annahmen zu überstehen, wie die von der amerikanischen Aufsicht geprüften 19 systemrelevanten US-Banken, dann würden wohl auch in der Schweiz einige Banken ihre Geschäftsaktivitäten einschränken oder ihre Eigenmittel aufstocken müssen. Immerhin ging die US-Fed bei ihren Stress-Tests u.a. von folgenden Ausfallquoten im Krisenszenario aus: 1. Hypothek 3 bis 4 Prozent, 2. Hypothek 9 bis 13 Prozent, Subprime-Hypotheken 21 bis 28 Prozent, kommerzielle Kredite 5 bis 8 Prozent, kommerzielle Immobilienkredite 9 bis 12 Prozent, Kreditkarten 18 bis 20 Prozent, übrige Konsumkredite 8 bis 12 Prozent.

Eigenmittel und Liquidität unter Regulierungen

Die Eigenmittelsituation ist ohne detaillierte Kenntnis der risikogewichteten Aktiven für die gesamte Bankbranche aus den veröffentlichten Monatsbilanzen gemäss SNB nur rudimentär zu ermitteln. Anhand der ausgewiesenen Eigenmittel im Vergleich zur Bilanzsumme lässt sich feststellen, dass diese Eigenmittelquote dank den grossen Rekapitalisierungen (UBS 26 Milliarden Franken, Credit Suisse 10 Milliarden Franken) seit dem Tiefststand zu Beginn der Finanzkrise  im Juni 2007 wieder von 4,2 Prozent auf 5,1 Prozent im März 2009 gestiegen ist.

Ob diese Eigenmitteldecke in Zukunft ausreichen wird, bleibt offen, denn weltweit sind Bestrebungen im Gange, die Eigenmittelanforderungen weiter zu erhöhen, um grössere finanzielle Puffer für künftige Verluste zu haben. Bezüglich der künftigen Eigenmittelanforderungen herrscht derzeit Rechtsunsicherheit, was die Banken zweifellos zu einer vorsichtigeren Geschäftspolitik veranlasst.

Liquidität ist vorhanden

Die Banken müssen zudem damit rechnen, dass nebst höheren Eigenmittelanforderungen früher oder später auch ihre Liquiditätshaltung reguliert wird. Deshalb überrascht nicht, dass die Banken ihre Liquidität massiv aufgestockt, ihr Auslandgeschäft, ihr Interbankengeschäft, und die Bestände in ihren Handelsbüchern massiv reduziert haben. Seit Ende 2007 schrumpften die Bankbilanzen um 491 Milliarden Franken bzw. um 14 Prozent. Dabei ist zu beachten, dass die Auslandaktiven um 26 Prozent auf 610 Milliarden Franken sanken, die Inlandaktiven hingegen um knapp 10 Prozent auf 119 Milliarden stiegen. Dadurch erhöhte sich der inländische Bilanzanteil am Total von 33 auf 42 Prozent. Die Liquidität der Banken, die zehn Jahre vor Ausbruch der Finanzkrise im Mittel bei rund 17 Milliarden lag, erhöhte sich bis Ende März 2009 auf 149 Milliarden Franken.

Dazu kamen weitere Liquiditätsreserven in Form von Geldmarktpapieren, die alleine in den letzten sechs Monaten um 41 Milliarden auf 146 Milliarden Franken wuchsen. Es sind aber nicht nur die Grossbanken, die ihre Liquidität in den letzten sechs Monaten teils durch Verkäufe von Aktiven um 80 Milliarden und die Geldmarktanlagen um 5 Milliarden Franken aufgestockt haben. Auch die Kantonalbanken erhöhten ihre Liquidität um 7 Milliarden beziehungsweise investierten 26 Milliarden Franken mehr am Geldmarkt. Die Banken verfügen somit über liquide Mittel und Geldmarktpapiere von über 300 Milliarden Franken. Von der Liquidität her ist somit keine Kreditklemme zu erwarten.

Lieber Liquidität als Kreditvergabe

Dem ist entgegenzuhalten, dass die Schweizer Banken ihre Kreditvergabe an Kunden seit ihrem Höchst der letzten zwei Jahre um 12 Prozent oder 187 Milliarden auf noch 1’334 Milliarden Franken reduziert wurde. Dabei entfällt der Löwenanteil der Kreditreduktionen und eventuell auch Wertberichtigungen auf das ausländische Kreditgeschäft, das um 29 Prozent sank (Kredite mit Deckung -80 Milliarden, ohne Deckung -110 Milliarden, Hypotheken -16 Milliarden). Das Inlandgeschäft hingegen schrumpfte nur um 2 Milliarden. Dies ist vor allem dem Hypothekargeschäft zu verdanken, das per März 2009 mit 699 Millarden Franken einen neuen Rekordwert erreichte. Die übrigen Kredite mit Deckung haben sich jedoch seit dem Höchststand der letzten zwei Jahre um 9 Milliarden Franken oder 12 Prozent zurückgebildet, jene ohne Deckung um 7 Milliarden oder 6 Prozent.

Die Grossbanken haben ihre Ausleihungen in den letzten sechs Monaten um 5,3 Milliarden Franken reduziert, die Auslandbanken um 3,3 Milliarden Franken. Andererseits haben die Kantonalbanken ihre Ausleihungen an Kunden um 2,2 Milliaden erhöht, wobei dieser Betrag nur etwas mehr als 5 Prozent des Bilanzsummenzuwachses entspricht. Auch die Kantonalbanken halten derzeit lieber Liquidität statt dass sie neue Kredite vergeben. Diese Schrumpfung der Kundenausleihungen kann durchaus als erstes Anzeichen einer Kreditverknappung interpretiert werden.

Der Kleinkunde bleibt wichtig

Die Banken leiden insgesamt nicht unter einem Abfluss von Kundengeldern in Form von Spar- und anderen Konti. Wenn man allerdings die einzelnen Bankengruppen analysiert, dann sind sehr wohl grosse Ab- und Zuflüsse festzustellen. Während die Grossbanken in den letzten sechs Monaten 12 Milliarden Franken neue Spar- und Anlagekontigelder akquirieren konnten, verloren sie andere Kontoeinlagen in Höhe von 39 Milliarden. Die Kantonalbanken profitierten teilweise von den Abflüssen der Grossbanken, denn ihre Spargelder nahmen um 32 Milliarden zu, doch mussten auch sie einen Abfluss auf den übrigen Konti verbuchen. Auch die Regionalbanken verzeichneten mit einer Zunahme der Spareinlagen um 5,4 Milliarden einen im Vergleich zu ihrer Grösse beachtliches Wachstum ihrer Spargelder um 16 Prozent (Grossbanken +13 Prozent, Kantonalbanken +30 Prozent).

Dramatischer sind die Abflüsse der Grossbanken seit Ende 2007 ausserhalb des Sparsortimentes, das bekanntlich vom Einlegerschutz profitiert. Seit Ende 2007 verloren die Grossbanken 185 Milliarden solcher Kundengelder. Diese Abflüsse waren denn auch mit ein Grund für die Rettungsaktion der UBS, denn hätte sich dieser Rückgang fortgesetzt, hätte sich ein Liquiditätsengpass einstellen können. Der Abfluss von Kundengeldern bedeutet für die betroffenen Banken einen Wettbewerbsnachteil, denn Kundengelder sind relativ kostengünstig und träge, d.h. sie haben ein hohes Verharrungsvermögen ausser in Extremsituationen. Banken, die sich über Kundengelder statt über das Interbankengeschäft finanzieren, sind in der Regel resistenter. Dies mussten einige britische Banken erfahren, die glaubten, sie seien nicht mehr auf das Kleinkundengeschäft mit Sparern angewiesen, sondern könnten sich kostengünstiger über das Interbankengeschäft und den Geldmarkt refinanzieren. Diese Fehleinschätzung führte das Ende einiger britischer Baufinanzierer herbei.

Für die Kreditvergabe in der Schweiz bedeutet dies, dass die Grossbanken wegen des Kundengelderabflusses eine vorsichtigere Kreditpolitik betreiben müssen, ansonsten sie zu stark auf die Refinanzierung bei anderen Banken angewiesen sind. Im Interbankengeschäft der Grossbanken ergab sich in den letzten Quartalen zwar ein ansehnlicher positiver Saldo, aber dieser ist inzwischen geschmolzen.

Unternehmen finanzieren sich jedoch nicht nur über die Banken, sondern auch via Anleihen. Das Netto-Emissionsvolumen der Inlandschuldner hat seit Mitte 2007 als die Finanzkrise ausbrach bis zum 31. März 2009 um 7,5 Milliarden Franken abgenommen, weil die öffentliche Hand in dieser Frist insgesamt für 12 Milliarden mehr Anleihen zurückbezahlte als sie neu aufnahm. Die Nettoneuaufnahmen des Nichtbanken-Sektors, vor allem der Versorger und der Industrie beliefen sich auf 2,9 Milliarden, jene der Banken und Pfandbriefinstitute zusammen auf 1,6 Milliarden Franken. Diese Beträge bewegen sich im normalen Rahmen, d.h. die Industrieschuldner konnten nicht auf Kreditaufnahmen ausserhalb des Bankensystems ausweichen, weil an den Emissionsmärkten nur noch die allerbesten Schuldner überhaupt eine Chance hatten, Anleihen zu einigermassen vernünftigen Konditionen zu platzieren.

Industrie steht unter Druck

Hier dürften sich denn auch in der näheren Zukunft Probleme für einige grosse Schweizer Industriekonzerne ergeben. Da einige Auslandbanken sich Schritt für Schritt aus dem Schweizer Investmentbanking zurückziehen oder auf Weisung ihrer neuen staatlichen Eigner zurückziehen müssen. verlängern sie oft ihre traditionellen Engagements an Konsortialkrediten oder Emissionssyndikaten nicht. Damit bleibt die ganze Last der Kreditvergabe im Exportkreditgeschäft und im Grosskreditgeschäft an wenigen Schweizer Banken, d.h. an den Grossbanken und vereinzelten grossen Kantonalbanken hängen. Die Konversion von fällig werdenden Anleihen für Schuldner aus dem Industriesektor ist nicht nur wegen der geschrumpften Kapazität im Investmentbanking bzw. Emissionsgeschäft schwieriger geworden.

Die scharfe Rezession stellt auch die Bonität vieler Anleihenschuldner in Frage. Selbst wenn die Banken ihre Kreditusanzen unverändert belassen, bedeutet eine Bonitätsabstufung für ein Unternehmen, dass es möglicherweise von den Kreditquellen abgeschnitten wird. Wenn man nun noch mit parlamentarischen Vorstössen die Zerschlagung der Grossbanken fordert, dann stellt sich die Frage, wer dann noch die Organisation von Umfinanzierungen der Industrie in grösserem Stil sicherstellen soll. Die Attacken auf die Grossbanken seitens der Politik und teilweise auch der Industrie könnten sich deshalb als gefährlichen Bumerang erweisen.

Crowding out droht

Die grösste Gefahr der Kreditverknappung und von Zinssteigerungen drohen der Industrie und den KMU aber von Seiten der öffentlichen Hand. Viele der milliardenschweren Konjunkturprogramme sind noch nicht finanziert und die notwendigen Kapitalaufnahmen haben erst begonnen. Dazu kommen Emissionen der Entwicklungsbanken und möglicherweise sogar des IMF, die die Kapitalmärkte ebenfalls belasten werden. Viele Banken und neuerdings auch Industrieunternehmen geniessen Staatsschutz, weshalb auch sie an den Kapitalmärkten zu günstigeren Konditionen Geld aufnehmen können als Unternehmen ohne Staatskrücken. Diese Konstellation dürfte zu einem Crowding out an den Kapitalmärkten führen, d.h. die privaten Schuldner werden von den Kapitalmärkten verdrängt.

Die weltweit grassierende Staatsverschuldung, die um rund 25 Prozent, in einigen Ländern sogar um 100 Prozent zunehmen wird, beginnt sich nun auch zunehmend zinstreibend auf die Kapitalmärkte auszuwirken. Im Weiteren nehmen die Inflationsängste zu, weil bezweifelt wird, ob die Notenbanken bei einer Konjunkturerholung die in die Finanzmärkte gepumpte Liquidität wieder rechtzeitig abschöpfen werden. Und schliesslich sorgen sich die Investoren zusehends um die Kreditwürdigkeit zahlreicher Staaten. So sind Grossbritannien und erstmals auch die USA ins Fadenkreuz der Rating Agenturen geraten, die befürchten, dass die Verschuldung dieser Länder in den nächsten fünf Jahren auf gegen 100 Prozent des BIP ansteigen wird und damit eine AAA-Bonitätsauszeichnung nicht mehr zu rechtfertigen sei.

Garantiefonds als Lösung?

Eine Kreditverknappung in der Schweiz lässt sich noch nicht eindeutig nachweisen, aber die Anzeichen dafür mehren sich. Höhere Eigenmittelanforderungen und eine allfälligen Regulierungen der Liquidität haben die Banken bereits zu einer vorsichtigeren Geschäftspolitik veranlasst. Dazu kommen politische Forderungen, die Grossbanken aufzuteilen und die Löhne per Gesetz zu limitieren. Auch diese Unsicherheiten drücken auf die Risikofreudigkeit im Kreditgeschäft. Der sukzessive Rückzug der Auslandbanken aus einzelnen Geschäftssparten wie z.B. dem Exportkreditgeschäft und der Verzicht auf die Verlängerungen von Mitgliedschaften in Kreditsyndikaten oder Emissionskonsortien engen die Palette von Kreditquellen weiter ein.

Die Kantonalbanken verfügen zwar wie die Grossbanken über hohe liquide Mittel, aber viele von ihnen sind zu klein, um Grosskredite im Alleingang zu finanzieren. Die angelaufenen Finanzierungen der Staatsverschuldungen weltweit wird auch den Schweizer Kapitalmarkt belasten, denn sowohl internationale Entwicklungsbanken als auch die öffentliche Hand oder staatlich geschützte Unternehmen werden sich am Schweizer Kapitalmarkt bedienen und Unternehmen ohne Staatskrücken aus dem Markt verdrängen.

Von staatlicher Seite her bestehen wenige Möglichkeiten einer Kreditverknappung entgegenzusteuern. Die Anhebung von Bürgschaftsbeträgen im Rahmen des genossenschaftlichen Bürgschaftswesens bringt betragsmässig wenig neuen Spielraum, vor allem nicht für Grosskonzerne. Die Lancierung eines grossen staatlichen Garantiefonds für jene Industrieunternehmen, denen Umfinanzierungen ohne Teil-Staatsgarantie sonst verwehrt bleiben, könnte temporär eine gewisse Hilfe bieten. Ein solcher Milliardenfonds, der gewissermassen als Versicherung die ersten Verluste im Falle einer Insolvenz tragen würde, kann derzeit nicht von der Privatwirtschaft vorfinanziert werden.

Man könnte hingegen die notwendigen Mittel beschaffen, indem man die Kohäsionszahlungen an die neuen EU-Länder stoppt und diese Gelder zur Dotierung eines solchen Fonds verwenden würde. Das gleiche gilt für die Zahlstellensteuer an die EU, die eigentlich nicht geschuldet ist, weil sich die EU nicht an die Verträge hält, die klar und deutlich vorschreiben, dass die Schweiz diese Steuern nur abliefern muss, wenn die EU mit anderen Ländern, insbesondere mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein gleichwertiges Abkommen abgeschlossen hat. Dies ist bis heute nicht der Fall. Auch die geplanten Garantien für weitere 12,5 Milliarden Franken an den IMF würden klüger für einen solchen Garantiefonds in der Schweiz eingesetzt.

In Bezug auf die Wechselkurse sind die Möglichkeiten der SNB eingeschränkt. Nachdem die Zinsdifferenzen zwischen den grossen Handelswährungen praktisch verschwunden sind, lassen sich solche Interventionen am Devisenmarkt praktisch nur noch durch Käufe von Fremdwährungen bewerkstelligen. Damit könnte die mittelfristige Geldpolitik jedoch nachhaltig gestört werden. Weit wichtiger als staatliche Interventionen erscheint derzeit die strikte Einhaltung der Haushaltsdisziplin bzw. der Schuldenbremse, denn viele Unternehmen weltweit überprüfen derzeit ihren Standort in Bezug auf Steuerrisiken. Einzelne Konzerne dürften sogar ihre Hauptsitze in Länder verlegen, wo die Gefahr massiver Steuererhöhungen infolge exzessiver Staatsverschuldung für mehrere Jahre gering erscheint.

Die Schweiz verfügt über gute Voraussetzungen neue Grosskonzerne aus aller Welt anzulocken, vorausgesetzt, die Politik begeht nun nicht gravierende Fehler, wie die Lancierung von milliardenschweren Konjunkturprogrammen auf Pump oder die Einführung von Salär- und anderer Restriktionen für Verwaltungsräte und Manager. Steuerrisiken, Salärdeckel und ähnliche Staatseingriffe sprechen sich unter den Wirtschaftsführern rasch herum und könnten sogar zum Abmarsch bestehender Firmen führen.

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