Jan Viebig, CEO und Head of Alternative Investments Harcourt, von Vontobel Asset Management, spricht mit finews.ch über die Herausforderungen der Hedge-Funds-Branche.

Herr Viebig, manche Anleger bringen heutzutage Begriffe wie «hochspekulativ», «undurchsichtig» oder «mangelnde Regulierung» mit Hedge Funds in Verbindung. Was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine solche Etikettierung?

Die Einschätzung, Hedge Funds seien «hochspekulativ», ist in der Öffentlichkeit leider weit verbreitet. In Wahrheit sind Hedge Funds nicht so riskant wie gemeinhin angenommen. Risiko kann man messen. Die meisten Menschen setzen den Begriff «Risiko» mit der Möglichkeit von Verlusten gleich. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass Anleger Geld verlieren, bei Hedge Funds im Durchschnitt geringer als bei einem traditionellen Aktienfonds.

«Beimischung von Hedge Funds führt zu sinkendem Risiko»

Zudem führt die Beimischung von Hedge Funds in ein Portfolio, das aus traditionellen Investments wie Aktien und Anleihen besteht, dazu, dass das Risiko des Gesamtportfolios sinkt. Aus diesem Grund – und nicht etwa, um das Risiko zu erhöhen – investieren gerade institutionelle Anleger wie Pensionsfonds, Stiftungen und Versicherungen derzeit vermehrt in Hedge Funds. Das Etikett «hochspekulativ» ist daher unzutreffend.

Richtig ist aber, dass viele Hedge Funds weiterhin zu intransparent sind. Die Verantwortlichen haben ein legitimes Interesse daran, Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Anleger müssen aber die Risiken von Hedge Funds beurteilen können, in die sie investieren. Wir raten unseren Kunden deshalb, nur solche Strategien auszuwählen, die sie verstehen und die relevante Informationen zeitnah zur Verfügung stellen.

«Die Hedge-Funds-Industrie benötigt einen besseren rechtlichen Ordnungsrahmen»

Unbestritten ist zudem, dass die Finanzindustrie im Allgemeinen und die Hedge-Funds-Industrie im Besonderen einen besseren rechtlichen Ordnungsrahmen benötigt. Innerhalb der EU haben sich die Mitgliedstaaten auf die sogenannte AIFM-Richtlinie geeinigt, mit der unter anderem Hedge Funds reguliert werden sollen. Ziel ist es, den Anlegerschutz zu verbessern und systemische Risiken zu reduzieren. Leider bestehen einige EU-Mitgliedstaaten, darunter insbesondere Deutschland, auf nationale Sonderregeln. Dies führt dazu, dass wir wieder keine einheitliche und verlässliche Regulierung von alternativen Investments in Europa bekommen.

Vor der Finanzkrise haben viele «Superreiche» ihr Vermögen Hedge-Funds-Managern anvertraut, die ihnen hohe Renditen versprachen. Die Erwartungen vieler Investoren wurden enttäuscht. Es drängt sich die Frage auf: Hat die Hedge-Funds-Branche versagt?

Vor der Finanzkrise haben tatsächlich überwiegend sehr wohlhabende Privatkunden in Hedge Funds investiert. Heute dagegen sind es überwiegend institutionelle Anleger, die das Geld ihrer Kunden Hedge Funds anvertrauen. Die Ergebnisse von Hedge Funds in der Finanzkrise der Jahre 2007-2009 waren je nach verfolgter Strategie sehr unterschiedlich. Im Krisenjahr 2008 hat der «HFRI Fund of Funds Composite Index» 21 Prozent in Dollar gerechnet verloren.

«Verlustrisiken variieren je nach Strategie»

Einige Hedge-Funds-Strategien, zu denen zum Beispiel Distressed Securities Funds gehören, haben – als die Liquidität an den Märkten während der Krise austrocknete – erheblich höhere Verluste erlitten. Hingegen haben sogenannte CTA-Strategien, die generell Trends an den Finanzmärkten ausnutzen, im Krisenjahr 2008 – gemessen am «HFRI Macro: Sytematic Diversified Index» – im Durchschnitt 18 Prozent gewonnen. Die Krise hat uns alle gelehrt, dass die Verlustrisiken für Hedge Funds je nach Strategie stark variieren. Anleger sollten sich also intensiv mit den strategiespezifischen Risiken von Hedge Funds auseinandersetzen und sich sachverständig beraten lassen – ansonsten droht auch in Zukunft Enttäuschung.

Goldman Sachs stellte in einer viel beachteten «Studie» kürzlich fest, dass die Branche 2013 einen «glanzlosen» Start hinter sich hat. Zu einem ähnlichen Schluss kam die HSBC. Die seit mehreren Jahren hinterherhinkende Entwicklung der Hedge-Funds-Ergebnisse setze sich auch 2013 fort, heisst es dort. Stimmt das?

Hedge Funds verwalten heute mehr Geld als vor der Finanzkrise, vor allem dank Mitteln institutioneller Kunden. Viele von ihnen wünschen sich Produkte, die möglichst stetige Renditen möglichst unabhängig von den allgemeinen Bewegungen an den Aktien- und Obligationenmärkten erzielen. Hedge Funds sind nicht die «hochspekulativen Investments», wie viele Menschen fälschlicherweise meinen. Das Etikett «glanzlos» gefällt mir viel besser.

«Hedge Funds weisen eine höhere Rendite als Aktien auf»

Am meisten Sinn machen Anlagen in Hedge Funds für Anleger, die Risiken diversifizieren wollen. Über längere Zeiträume – die gängigen Indizes von Hedge Fund Research (HFR) reichen bis 1990 zurück – haben Hedge Funds eine höhere risikoadjustierte Rendite aufgewiesen als Aktien. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie in den beiden Krisen von 2000 und 2008 im Durchschnitt weniger gefallen sind als Aktien.

Eine weitere Erkenntnis der Studie war: Der S&P-Index hat 2013 die Hedge-Fund-Anlageklasse um bislang 10 Prozent abgehängt. Im Schnitt haben Hedge Funds seit Jahresbeginn rund 5,4 Prozent zugelegt, während der S&P 500 ein Plus von 15,4 Prozent ausweist und klassische Anlagefonds einen Gewinn von 14,8 Prozent. Was sagen Sie zu diesem Resultat und vor allem zu diesem Vergleich?

Die Aktienmärkte sind zuletzt sehr stark gestiegen, unter anderem dank der Liquiditätsspritzen der Zentralbanken. In Zeiten von Aktienmarkt-Haussen weisen die meisten Hedge-Funds-Strategien eine niedrigere Rendite auf als Aktien. Die Shiller P/E-Ratio ist bei 24 – eine Standardabweichung oberhalb ihres langfristigen Durchschnitts. Aktien sind gemessen an den durchschnittlichen, inflationsbereinigten Gewinnen der letzten zehn Jahre nicht mehr billig.

«Nur auf den S&P 500 zu setzen ist nicht die klügste Lösung»

Auch die Obligationmärkte haben in den letzten Jahren sehr stark zugelegt. So stark, dass einige Marktbeobachter schon von einer «Bubble» sprechen. Anleger sind generell gut beraten, ihre Renditeerwartungen anzupassen, wenn eine Anlageklasse stark gestiegen ist. Gerade im derzeitigen Marktumfeld macht es Sinn, zu diversifizieren und einem Portfolio CTA-Strategien beizumischen. Die Empfehlung basiert darauf, dass diese Strategien auch in den Krisenjahren 2000 und 2008 positive Renditen erzielt haben. Dass sie in 19 von 23 Jahren positive – in 14 Jahren sogar zweistellige – Renditen erzielt haben, ist nebensächlich.

Den besten Rat, den man Anlegern geben kann ist über unterschiedliche Branchen, Länder, Anlageklassen und Hedge-Funds-Strategien zu diversifizieren. Nur auf den S&P 500 zu setzen, ist nicht die klügste Lösung, schon gar nicht heute: Der Index hat sich im Vergleich zum Stand während der Finanzkrise mehr als verdoppelt. Was die Anleihen betrifft, so werden diese stark fallen, wenn die heute historisch tiefen Zinsen wieder steigen.

Weniger als fünf Prozent der von Goldman verfolgten Hedge Funds gelinge es zudem, den S&P-Index oder gewöhnliche Anlagefonds zu schlagen, heisst es in der Studie weiter. Gibt es Sie noch, die so genannten Alpha-Manager unter den Hedge Funds oder sind diese eine ausgestorbene Rasse?

Das Ziel von Hedge Funds ist es nicht, eine bestimmte Benchmark wie den S&P-Index zu schlagen. Das Risiko eines typischen Aktienfonds hängt üblicherweise zu über 90 Prozent davon ab, ob die Aktienmärkte steigen oder fallen. Deshalb ist der Vergleich mit einem Aktienindex für Aktienfonds angemessen. Das Risiko eines Hedge Fund hängt hingegen überwiegend von der Strategie ab, die ein Hedge-Fund-Manager verfolgt. Ein Aktienindex erfasst das Risiko des Aktienmarktes, nicht die strategiespezifischen Risiken von Hedge Funds. Das Alpha eines Hedge Fund gegenüber einem Aktienindex zu messen, ist daher irreführend. Mit Alpha meint man den Rendite-Anteil, der nicht auf systematische Risiken zurückzuführen ist.

«Alpha von Hedge Funds ist weitaus höher als jenes von traditionellen Aktienfonds»

Alle mir bekannten wissenschaftlichen Studien deuten darauf hin, dass das Alpha von Hedge Funds weitaus höher ist als jenes von traditionellen Aktienfonds. Zum Teil liegt dies daran, dass Wissenschaftler die systematischen Risiken von Hedge Funds heute noch unzureichend verstehen. Zum Teil liegt dies aber auch daran, dass einige Hedge-Funds-Manager echtes Talent aufweisen und Mehrwert für ihre Anleger generieren. Bei Investments in Hedge Funds sind zwei Dinge wichtig: Die richtige Strategie und talentierte Manager, die eine bestimmte Strategie konsistent umsetzen.

Die Analysten nannten in ihrer Untersuchung schliesslich Unternehmen, die derzeit zu den Favoriten oder Aussenseitern gehören: Als Spitzenreiter werden Aktien wie AIG, Google, Apple und Citigroup gesehen. Zu den am beliebten Leerverkaufs-Kandidaten der Branche zählen Johnson & Johnson, Intel, IBM und Gilead Sciences. Welche Spitzenreiter und Leerverkaufs-Kandidaten verfolgen Sie?

Zu Einzelwerten, insbesondere zu Leerverkaufskandidaten, äussern wir uns grundsätzlich nicht. Wir wollen uns nicht der Kritik aussetzen, einzelne Aktien schlechtzureden oder gar zu manipulieren.

Risiken von unterschiedlichen Investments sachgerecht erklären

Welchen Zweck verfolgen solche Studien generell und welche Methoden stehen grundsätzlich dahinter? Gibt es methodische Mängel bei der Goldman-Sachs-Studie? Was muss man bei der Interpretation solcher Studien unbedingt beachten, bevor man falsche Schlüsse zieht?

Zu einer guten Analyse gehört, dass man die Risiken von unterschiedlichen Investments sachgerecht erklärt. Die systematischen Risiken von Aktien, Anleihen und Hedge Funds sind sehr unterschiedlich. Ich schätze Analysen, die Anlegern helfen, diese Risiken besser zu verstehen. Es ist sicherlich interessant zu lesen, was für eine Rendite die Anlageklassen in den vergangenen Monaten erzielt haben. Auch ist es interessant zu lesen, welche Werte Anleger kaufen und (leer) verkaufen. Solche Informationen helfen Anlegern aber nur sehr bedingt, sachverständig Anlageentscheidungen zu treffen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.3%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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