Die restriktiven Bestimmungen von MiFID II zum Marktzugang bewirken weniger den Schutz der Konsumenten als vielmehr den Schutz der EU-Finanzindustrie vor fremder Konkurrenz, findet Stefan Hoffmann von der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Stefan Hoffmann 1Stefan Hoffmann ist Leiter Europa bei der Schweizerischen Bankiervereinigung

Darf ein deutscher Reiseveranstalter einem Schweizer Kunden eine Kulturreise anbieten? Oder ein französischer Verleger einem Schweizer Schriftsteller offerieren, seinen Roman zu veröffentlichen?

Seltsame Fragen. Wenden wir die Frage, so wird deren Brisanz sichtbar: Darf eine Bank in der Schweiz einem belgischen Privatkunden anbieten, sein Vermögen zu verwalten?

Umsetzung gefährlich

Erklärtes Ziel der EU-Gesetzgeber ist es, Konsumenten besser zu schützen. Gemäss der in der Schlussberatung befindlichen EU-Richtlinie über Märkte und Finanzinstrumente MiFID II sollen Dienstleistungen von Banken für private Kunden nur noch über deren Zweigniederlassung im jeweiligen EU Land erfolgen dürfen.

Banken in der Schweiz dürften demnach keine Privatkunden mit Domizil in der EU mehr aktiv betreuen und bewerben. So sehr die Zielsetzung des Verbraucherschutzes legitim ist, so sehr wäre dessen Umsetzung gefährlich. Denn:

Kunden in der Schweiz nicht schlechter geschützt

  • Crossborder-Private-Banking ist erfolgreich, weil es einem Bedürfnis entspricht und die Banken wettbewerbsfähig sind. Sie sind dies, weil sie die relativen Vorteile des Standorts Schweiz optimal nützen. Die Schweiz besitzt mit ihrer ausgeprägten Servicequalität und Servicetradition, ihrer Sprachenvielfalt sowie ihrer politischen und wirtschaftlichen Stabilität Alleinstellungsmerkmale, die nicht leicht durch die Konkurrenz imitiert werden können.
  • Die ausländischen Kunden werden in der Schweiz nicht nur gut bedient, sie sind auch nicht schlechter geschützt als im Ausland. Das gilt für die Bankaufsicht und Kapitalanforderungen, aber auch in Bezug auf Wohlverhaltensregeln der Banken. Beispielsweise sind die Eigenkapitalvorschriften (Basel III) in der Schweiz strenger und rascher umgesetzt worden als in der EU. Dort, wo punktuelle Lücken im Vergleich zur relevanten EU-Gesetzbebung bestehen, ist die Schweiz dabei, diese zu schliessen (FIDLEG). Angestrebt wird keine vollständige Angleichung, sondern eine Gleichwertigkeit (Äquivalenz) nach «Sinn und Zweck» auf der Grundlage internationaler Standards, um vorhandene Spielräume für liberalere Regelungen auch weiterhin nutzen zu können.

Kosten der Konsumenten

Eine kritische Analyse von MiFID II in Bezug auf die Drittlandbestimmungen lässt vermuten, dass es dabei nicht primär um den hehren Schutz der Verbraucher geht; dieser liesse sich auch anders bewerkstelligen, als vielmehr um den Schutz der heimischen Finanzindustrie vor unerwünschter ausländischer Konkurrenz.

Das aber schadet dem Konsumenten wie auch der vermeintlich geschützten Industrie gleichermassen: Der Konsument wird nicht geschützt, indem man seine Wahlfreiheit einschränkt. Der Konsument wird auch nicht geschützt, indem man den Wettbewerb unter den Anbietern einschränkt.

Die heimische Industrie wird nicht stärker, indem man sie vor ausländischer Konkurrenz schützt. Offene und transparente Märkte verbunden mit einer Vielfalt von Anbietern in Konkurrenz sind die besten Voraussetzungen für ein verbraucherfreundliches Klima und eine florierende Industrie.

7'000 Arbeitsplätze gefährdet

Ich schätze, dass, falls die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung mit Kunden in der EU unterbunden würde, in der Schweiz mindestens 7'000 Arbeitsplätze bei Banken gefährdet wären. Weitere Arbeitsplätze in der übrigen Wirtschaft (Zulieferer, unternehmensbezogene Dienstleistungen) gingen in ähnlichem Umfang verloren aufgrund indirekter Nachfrageeffekte.

Grössere Banken würden versuchen, jene Kunden, die sie nicht mehr aus der Schweiz bedienen können zu ihren Tochtergesellschaften in der EU zu transferieren; eine Option, die manchen Banken indessen nicht offen steht.

Freier Marktzugang nützt allen

Natürlich ist es für die EU eine verlockende Versuchung, Konkurrenten aus Drittstaaten «auszusperren». Das funktioniert aber, wie die Erfahrung zeigt, auf Dauer nicht; im Gegenteil, Marktabschottung nützt niemandem und schadet vielen.

Ein freier Marktzugang nützt hingegen allen: Den Verbrauchern in der EU – sie können wählen und den Banken – sie stärken ihre globale Konkurrenzfähigkeit im Wettbewerb mit Mitbewerbern. Beides aber stärkt auch die EU als bedeutender Wirtschafts- und Währungsraum.