Die Finanzvertriebe haben in der Schweiz einen schweren Stand. Das hat auch Swiss Life erfahren. finews.ch sprach mit dem Ex-AWD-Führungsmann Gerd Lehner.

Herr Lehner, Sie haben die AWD-Töchter in Österreich und der Schweiz auf die Beine gestellt. Was  ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als die Swiss Life unlängst das Kapitel AWD abschloss?

Einerseits Wehmut. Es war eine einzigartige Erfolgsstory. Es war immerhin mal mein Baby. Das Ende war zu erwarten und unumgänglich. Der Erfolg war längst Vergangenheit und nur noch negative Schlagzeilen waren übrig geblieben.

Wie hatten Sie die Übernahme der AWD durch die Swiss Life seinerzeit bewertet?

Mit Erstaunen über den exorbitanten Preis. Ein Vertrieb ist so gut wie seine besten Führungskräfte – und von denen waren viele nicht mehr da. Vom Rest hat man sich dann noch getrennt. Es war für mich nicht möglich, eine Marktstrategie zu erkennen.

«Herr Maschmeyer hatte keine Wirkung»

 Was lief – in Ihren Augen – schief?

Vom Grunde her lag eine vollkommene Fehleinschätzung des Strukturvertriebs vor. Die Entlassung der wichtigsten Führungskräfte und damit den Stützen des Vertriebs hat die Investition in meinen Augen sinnlos gemacht. Ein Herr Maschmeyer im Verwaltungsrat hatte keine Wirkung mehr – auch hier war Swiss Life sehr blauäugig.

Sie sind Autor des Handbuchs für den Praktiker «Finanzberater. Die Geheimnisse des Erfolgs aus erster Hand». Sollten auch die Kunden der Finanzberater das Buch lesen?

Es spricht nichts dagegen. Vor allem die ersten Kapitel zeigen, wie wichtig für Privatkunden Grundkenntnisse in der Finanzmaterie sind. Fehlentscheidungen können so vermieden werden. 

Was sind die fünf grössten Sünden der Finanzberater? 

  • Die Produkte anbieten, an denen man am meisten verdient oder die vom Chef gefordert werden, also Produkt- statt Kundenorientierung
  • Mangelndes Fachwissen
  • Der kurzfristige Erfolg zählt
  • Kein Durchhaltevermögen und häufiger Stellenwechsel
  • Neigung zum Sprücheklopfen

Was muss der erfolgreiche Finanzberater können?

Erstens muss er die Bedürfnisse des Kunden und seine Möglichkeiten erkennen, dann muss er geeignete Lösungen aus der Produktpalette auswählen.  Zum Dritten muss er kundenorientiert, das heisst verständlich kommunizieren, Vorteile und Risiken aufzeigen. Und, last but not least, er muss eine nachhaltige Kundenbetreuung verfolgen.

«Verkaufen ist negativ behaftet»

Was unterscheidet ihn vom Kundenberater einer Bank?

Der Finanzberater strebt eine wirtschaftliche Selbstständigkeit an; er lebt von seinen Erfolgen. Seine Produktpalette ist vielfältig und er sollte von Produktanbietern unabhängig sein. Die Beziehung zwischen Kunde und seinem Finanzberater ist persönlicher und das Vertrauen bezieht sich auf dessen Person.

Warum hat der Finanzvertrieb einen so schlechten Ruf in der Schweiz?

Es hat immer schwarze Schafe gegeben, wie in jeder Branche. Hinzu kommt, dass der «Verkauf» in der Mehrheit der Schweizer Bevölkerung negativ behaftet ist. Wer Provision bekommt, hat so bereits einen Hang zur falschen Beratung. Dagegen akzeptiert man die Gewinnorientierung jedes Unternehmers mehr als in vielen Nachbarländern. Auch die direkte Kontaktaufnahme ist vielen Bürgern nicht angenehm. 

 «Starke Führung, gute Organisation»

Was zeichnet den erfolgreichen Finanzvertrieb aus?

Es ist wie bei jedem anderen erfolgreichen Unternehmen: starke Führung, gute Organisation, Firmenphilosophie wird vorgelebt, leistungsgerechte Karrierechancen, permanente Aus- und Weiterbildung.

Erfolg ist nicht nur hoher Umsatz, sondern auch eine geringe Mitarbeiterfluktuation und hohe Kundenzufriedenheit. Ein Finanzvertrieb, der nicht wächst, der stirbt.


 

Der Diplom-Betriebswirt Gerd Lehner ist Vermögensverwalter und führt die Delta Coaching Asset Management in Walchwil.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.8%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.46%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
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