Langlebigkeit wird zum dominierenden Thema in der Anlagewelt. Plötzlich müssten sich die Menschen mit ihren Ersparnissen befassen, sagt Massimo Greco von J.P. Morgan. Eine Chance für die Banken.


Herr Greco, als italienischer Finanzexperte einer US-Bank mit Arbeitsort London haben Sie eine spezielle Sicht auf unser Land. Wie nehmen Sie die Schweizer Banken in diesen turbulenten Zeiten wahr?

Machen wir uns nichts vor. Heute sind alle Finanzplätze und ihre Banken unter Druck. Darum sollte man auch nicht meinen, die Schweizer Banken seien besonderen Pressionen ausgesetzt.

Ausserdem sind die Schweizer Banken in Asien ganz grosse und höchst erfolgreiche Akteure in der Vermögensverwaltung. Sie haben noch enorme Perspektiven. Aber es ist klar, die Bankenwelt muss ihre Geschäftsmodelle den jüngsten Entwicklungen anpassen.


«Mehr Beratungskompetenz ist nötig»


Inwiefern?

Ich sehe zwei Kräfte, welche auf die Banken einwirken. Einerseits die ausufernde Regulierungswut fast überall in der westlichen Welt, andererseits das veränderte Verhalten der Kunden, was wiederum die Beratungskompetenz der Banken massiv herausfordert, aber auch Chancen bietet.

Wie sollen anspruchsvollere Kunden eine Chance bieten?

Der Bedarf an Finanzwissen wird in den nächsten Jahren massiv zunehmen. Dann nämlich, wenn sich die Leute bewusst werden, dass die staatlichen Vorsorgeleistungen nicht mehr ausreichen respektive die Menschen immer älter werden und entsprechend wesentlich länger auf ihre Ersparnisse angewiesen sind.


«Fachwissen wird zum Megatrend»


Diese Generation wird sich erstmals selber und intensiv mit der Anlage ihres Sparkapitals auseinandersetzen müssen – dafür braucht es einiges Wissen.

Und wie können die Finanzinstitute davon profitieren?

Indem sie dieses Fachwissen vermitteln. Das ist ein Megatrend, den bereits einige Finanzhäuser aufgriffen haben, unter anderem J.P. Morgan Asset Management. Immer mehr Banken werden sich bewusst, dass die Langlebigkeit zum dominierenden Thema wird.

Früher empfahl man einem 65-jährigen Mann nur noch kurzfristige Anlagen, weil die Lebenserwartung tiefer war. Heute können Sie davon ausgehen, dass jemand, der ins Rentnerdasein wechselt, noch mindestens 15 Jahre lebt. Entsprechend muss dessen Anlagestrategie ausgestaltet sein.

Ist das Investieren schwieriger geworden?

Das war schon immer nicht einfach. Geändert hat sich der Umstand, dass man heute eine globale Perspektive einnimmt und viele verschiedene Finanzprodukte verfügbar sind.


«Die Marktkräfte funktionieren immer weniger»


Dieser positiven Entwicklung stehen die enormen politischen Risiken gegenüber, die sich wiederum auf Grund der Globalisierung wie ein Brandherd rund um die Erde ausbreiten können. Die staatlichen Interventionen führen dazu, dass die Marktkräfte immer weniger funktionieren.

Was ist zu tun?

Anleger sollten sich hinsetzen und überlegen, was genau Risiko für sie bedeutet. Man muss sich ein eigenes Risikoprofil erschaffen, indem man sich vor allem die Frage beantwortet, wie viel Risiko kann ich tragen respektive wie «verluststark» bin ich?

Was empfehlen Sie dem «Frührentner» für Anlagen?

Einkommensgesteuerte Finanzprodukte, also Anlagen, die nachhaltige Einkünfte abwerfen, wie dividendenstarke Aktien und erstklassige Unternehmensanleihen. Das dürfte der Trend der nächsten Jahre sein, angesichts der anhaltend tiefen Zinsen und der labilen wirtschaftlichen Situation in vielen Teilen der Welt.


«Bankaktien sind nur begrenzt attraktiv»


Wird der Euro überleben?

Ja, allein auf Grund des Mangels an Wettbewerb unter den grossen Währungen. Niemand ist interessiert, dass der Euro verschwindet, weil dann der Dollar noch mehr an Bedeutung gewänne – und andere Währungen wie der Yen oder Renminbi keine Alternative dazu darstellen. So gesehen wird der Euro ohne Zweifel fortbestehen, selbst wenn die Probleme in Europa dadurch nicht eher gelöst werden.

Wie attraktiv sind Bankaktien?

Begrenzt. Die enormen Eigenmittelvorgaben verbunden mit der zunehmenden Regulation und der erst jetzt richtig einsetzenden Klagewelle namentlich in den USA begrenzt die Kursfantasie im Bankensektor. Natürlich wird es noch zahlreiche Effizienzsteigerungsprogramme bei etlichen Instituten geben, doch am Ende des Tages kommt der Erfolg nicht auf Grund von Kostensenkungsmassnahmen, sondern durch höhere Erträge und Gewinne.


«Schwedische Banken hatten die Krise schon»


Die Banken stehen erst am Anfang eines riesigen Transformationsprozesses. Warum sind die schwedischen Geldhäuser relativ erfolgreich? Weil sie schon Anfang der neunziger Jahre eine Krise durchmachten, die durch eine Spekulationsblase am Immobilienmarkt ausgelöst worden war.

Seither hatten sie Zeit, um sich neu zu positionieren. Das ist ihnen gelungen. Ähnlich wird es in den nächsten Jahren jenen Banken ergehen, die heute noch mit enormen Problemen befrachtet sind.


Massimo Grecco ist Head of Continental Europe Funds bei J.P. Morgan Asset Management. Für das amerikanische Unternehmen arbeitet er seit 1992. In der aktuellen Position ist der gebürtige Italiener seit 2012. Vor seiner Zeit bei J.P. Morgan war Greco für Goldman Sachs tätig; den grössten Teil seiner Berufskarriere hat er in London verbracht. Ursprünglich stammt er aus Turin, wo er auch studiert hat. 

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