Haben die Schweizer Banken ein Imageproblem in Deutschland? Keineswegs, findet Christoph Lieber. Der Chef der St. Galler Kantonalbank Deutschland über unerwartete Chancen für das Schweizer Private Banking.


Christoph Lieber 200Christoph Lieber ist seit September 2013 Vorstandsvorsitzender der St. Galler Kantonalbank Deutschland, nachdem er schon bei deren Gründung 2009 in der Geschäftsleitung gewesen war. Zuvor arbeitete er knapp zehn Jahre lang für UBS, wobei er zuletzt von Zürich aus die Entwicklung des deutschen Marktes leitete.


Herr Lieber, haben Sie es als Schweizer Private Banker in Deutschland heute schwerer als noch vor einigen Jahren?

Wir sind jetzt seit fünf Jahren in Deutschland, ich selber kenne den Markt schon aus meiner vorherigen Tätigkeit. Wir sind sehr gut durch die Finanzmarktkrise gekommen und spüren auch kaum Auswirkungen wegen der Steuerthematik. Hingegen stellen wir fest, dass Werte wie Konservativität und Beständigkeit, wie wir sie bieten, wieder stärker gefragt sind – gerade auch in Deutschland.

Bemerken Sie gar das andere Phänomen, nämlich dass Gelder wegen der Selbstanzeigen bei Ihnen landen? Also dass Offshore-Gelder aus der Schweiz nun als Onshore-Gelder bei Ihnen in Deutschland angelegt werden?

Nein. In der Regel werden die Gelder offizialisiert und bleiben dann in der Schweiz. Das Phänomen trat schon bei der Steueramnestie auf, die es 2004/2005 in Deutschland gab: Auch damals flossen sehr wenige Gelder zurück nach Deutschland.

Wen würden Sie als Hauptkonkurrenten im deutschen Markt bezeichnen?

Wir gewinnen neue Kunden von allen Banken. Der deutsche Private-Banking-Markt ist extrem zersplittert, er ist sehr kleinteilig; und daher gibt es viele Quellen. 

Warum sind Sie für die Kunden von grossen deutschen Banken attraktiv?

Die St. Galler Kantonalbank Deutschland arbeitet komplett unabhängig, und zwar bewusst: In den Portfolios unserer Kunden finden Sie keine eigenen Produkte. Das ist sicher ein grosser Unterschied zu anderen Anbietern, die teils stark von den Produkteherstellern abhängig sind. Auch weil sie ihr Geschäft in den letzten Jahren sehr stark zentralisiert haben und ihre Dienstleistungen standardisiert wurden.

Wer ist Ihre Klientel in Deutschland?

Bei der Grössenordnung sind es Kunden zwischen einer halben Million und 10 Millionen Euro; der durchschnittliche Umfang eines Portfolios bei uns liegt etwa bei einer Million Euro. Mehrheitlich handelt es sich dabei um Privatpersonen oder um Unternehmer. Wir sind aber auch interessant für kleinere und mittelgrosse Stiftungen, die Gelder anlegen wollen.

Sie betonen in Ihrem Auftritt, dass Sie zu einer Kantonalbank gehören. Weckt das in Deutschland wirklich Assoziationen bei den Leuten?

Ja. Sowohl das Wort St. Gallen wie das Wort Kantonalbank wirken positiv. St. Gallen, aber auch Institutionen wie die Hochschule St. Gallen haben in Deutschland einen sehr guten Ruf. Und wenn von Kantonen die Rede ist, dann wirkt das bodenständig und vertraut. Insbesondere bei Personen, die eine hohe Affinität zur Schweiz haben.


sgkb deutschland 150Die St. Galler Kantonalbank Deutschland AG wurde 2009 in München gegründet, seit 2011 hat sie auch eine Niederlassung in Frankfurt. Die Private-Banking-Tochter beschäftigt 45 Personen. Konzernweit verwaltet das Institut rund 3,5 Milliarden Franken von deutschen Kunden (Stand Ende 2013).


Wie steht es auf dem Personalmarkt – ist es da heute noch ein Vorteil, einen Schweizer Namen zu haben?

Als wir vor fünf Jahren auf der grünen Wiese begannen, war es schwierig, Kundenberater zu finden. Inzwischen ist es wesentlich einfacher, gute Leute oder sogar ganze Teams zu gewinnen. Der Grund liegt vor allem in der Möglichkeit, bei uns unabhängig zu beraten. In Deutschland gibt es einen starken Trend, dass die Kundenberater Vertriebsvorgaben bekommen, worunter die Individualität und die Beratungsqualität leiden. Gute Berater legen jedoch viel Wert darauf, unabhängig beraten zu können. Dass das bei uns möglich ist, hat sich herumgesprochen. Hinzu kommen die Unabhängigkeit und die Stabilität der St.Galler Kantonalbank, auch ihr guter Ruf. Und die klare Eigentümerstruktur.

Die Schweizer Banken haben allesamt Mühe in Deutschland. Wo steckt da der Wurm drin? Sie schildern die Ausgangslage ja nicht als schlecht.

Ja, und Deutschland ist auch ein Wachstumsmarkt. Es ist sicher von Vorteil, den Ausbau sukzessive vorzunehmen – also nicht mit zu vielen Standorten oder zu vielen kostenintensiven zentralen Einheiten, wie beispielsweise bei der IT. Wir haben zum Beispiel alles outgesourct, was dem Kunden keinen direkten Nutzen bietet.

Sie sind in München und Frankfurt – und es gab einmal Expansionspläne nach Hamburg. Sind die noch aktuell?

Es gibt in Deutschland eine Handvoll Orte, die für eine Niederlassung interessant sind. Konkrete Ausbaupläne im Sinne einer neuer Niederlassung haben wir im Moment nicht.

Als die St. Galler Kantonalbank Deutschland 2009 lanciert wurde, lautete das Ziel, innert fünf Jahren in die schwarzen Zahlen zu kommen. Kann das 2014 erreicht werden?

Es ist normal, dass die wechselnden Rahmenbedingungen gerade für ein Start up ins Gewicht fallen und die Erwartung dementsprechend angepasst werden muss. Zudem entstanden in den letzten Jahren mehr und mehr Hürden durch Regulierungen, was nicht nur Kosten verursacht, sondern auch das Wachstum verlangsamt. Aber wir sind auf Zielkurs.

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