Der Russe Andrey Duka kam 1998 als Physiker aus Moskau nach Genf, wo er beim CERN arbeitete. Dann entwickelte er eine Handelssoftware, die im als Grundlage für seine Online-Bank Dukascopy diente. Jetzt hat der eingebürgerte Schweizer neue Pläne.


Herr Duka, Sie haben 2004 in Genf die Dukascopy Bank gegründet, die seit 2010 auch eine Lizenz der Finma besitzt. Was hat Sie zu diesem Vorhaben motiviert?

Meine Frau Veronika und ich haben die Bank sozusagen aus dem Nichts aufgebaut. Unser Anfangskapital betrug 100'000 Franken. Das wäre heute selbstverständlich nicht mehr möglich. Im Scherz sagen wir manchmal: Wir haben den «Swiss Dream» realisiert und nicht den «American Dream».

Was meinen Sie damit?

Seit der Gründung haben wir unser Kapital um den Faktor 300 vervielfacht und damit bewiesen, dass man als Fremde in der Schweiz durchaus ein Unternehmen erfolgreich aufbauen kann – sogar eine (Online-)Bank.


«Wir nehmen jeden Konkurrenten ernst»


Darum verstehen Sie wohl auch, dass ich nicht in das Klagelied gegen die Finma einstimmen werde. Schliesslich konnten wir die Dukascopy Bank unter dieser Finanzmarktbehörde zu ihrer heutigen Grösse führen.

Die Konkurrenzsituation im hiesigen Online-Trading verschärft sich. Kürzlich ist mit der britischen IG Bank ein weiteres Institut in den Schweizer Markt eingestiegen. Was spüren Sie davon?

Dukascopy ist nicht das mächtigste Online-Trading-Institut der Welt – insofern nehmen wir jeden weiteren Konkurrenten sehr ernst. Natürlich träumen auch wir davon, dereinst in den Top-5 zu sein. Doch wir wollen nicht übertrieben wachsen.

Was heisst das konkret?

Mehr als 20 Prozent Wachstum jährlich ist kaum zu bewältigen. Zu schnelles Wachstum bringt die Proportionen in ein Ungleichgewicht – wie beim menschlichen Körper: Ein Kind, das zu schnell wächst, wird sich im Körper eines Erwachsenen unwohl fühlen. Darum sind unsere Wachstumsabsichten moderat, sei es bei der Kundenzahl oder bei den Erträgen.

So könnten Sie allerdings auch Chancen verpassen.

Ich habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Kaufangebote, Beteiligungen und Fusionsvorschläge abgelehnt. Und dabei wird es auch bleiben.

Warum?

Weil wir – wie gesagt – moderat wachsen wollen. Mir liegt viel daran, dass wir keine Verluste erleiden und unser Kapitel vorsichtig verwenden. Damit sind wir seit der Gründung der Bank vor zehn Jahren sehr gut gefahren.


«Dann würde ich sofort zurücktreten»


Wir haben in der ganzen Zeit stets einen operativen Gewinn geschrieben. Diese vorsichtige Strategie bewahrte uns auch vor Rückschlägen, die in einem Geschäft wie dem Online-Trading unweigerlich passieren können.

Andrey Duka-501

Sie verkörpern quasi die Dukascopy Bank. Doch was unternehmen Sie, um nicht bloss von Ja-Sagern umgeben zu sein?

Die Dukascopy Bank beschäftigt rund 350 Leute. Ich fühle mich nicht als Manager dieses Teams, sondern ich will mich täglich mit meinen Mitarbeitern messen. Sollte ich meinem Team eines Tages intellektuell nicht mehr gewachsen sein und so die Entwicklung der Bank bremsen, würde ich sofort zurücktreten – ohne Wenn und Aber.

Dukascopy ist eine unkonventionelle Bank. Beispielsweise verzichten Sie auf klassische Werbung und veranstalten Modeschauen, eine Miss-Dukascopy-Wahl und betreiben ein Finanzfernsehen. Das ist ziemlich eigenwillig.

Finden Sie? Unsere TV-Aktivitäten sind tatsächlich ein innovatives Mittel, um unsere Marke bekannter zu machen.

Und zusätzlich veranstalten Sie jeden Monat den «Geneva Forex Event» – ein Stelldichein abwechselnd in einem anderen Luxushotel. Dabei nehmen mehrere Hundert Leute aus der Schweizer Finanzbranche daran teil. Was bringt das?

Dukascopy soll für Kunden und solche, die es noch werden wollen, sexy, oder sagen wir etwas seriöser «attraktiv» sein, was wiederum die Nachfrage nach unseren Trading-Möglichkeiten steigert.

Finden Sie nicht, dass Ihre Bank eigentlich eher eine Technologiefirma ist mit einer Vielzahl an virtuellen Gadgets?

Wir investieren in die Trends von morgen, und von denen wir uns das grösste Potenzial versprechen. Ein solcher Trend ist sicherlich das Bezahlen per Smartphone.


«Man muss von Mikro-Banking sprechen»


Ich bin überzeugt, dass bereits die nächste Generation von Smartphones mit der NFC-Technologie ausgerüstet sein wird, die das bargeldlose Bezahlen ermöglicht.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Kreditkarten und die dazugehörenden Informationen werden im Mobiltelefon gespeichert sein. Dadurch erhalten Finanzdienstleistungen eine ganz neue Dimension. Glauben Sie mir, diese Entwicklung wird einiges revolutionieren.

Zum Beispiel?

Man muss in diesem Zusammenhang von Mikro-Banking sprechen. Also von einem Zahlungsverkehr mit kleineren Geldbeträgen von bis zu 10'000 Franken. Das wird künftig übers Smartphone laufen, und das Smartphone wird dabei das Tool für die Kundenidentifikation sein – und letztlich auch die Kontrolle über die Geldwäscherei vereinfachen respektive verbessern.

Das müssen Sie uns genauer erklären.

Sie müssen sich das folgendermassen vorstellen: In absehbarer Zukunft wird eine Bank bei einer Geldüberweisung jeweils via Touchscreen eines Smartphones den Fingerabdruck eines Kunden zur Identitätsprüfung verlangen. Oder sie wird über die integrierte Smartphone-Kamera einen Augeniris-Check einfordern.


«Wir werden auf die Finma zugehen»


Via eingebautem GPS wird sie etwa auch den Standort eines Kunden prüfen können – es gibt vielerlei Möglichkeiten.

Wann starten Sie mit ihrem Mikro-Banking-Angebot?

Nächstes Jahr wollen wir den Betrieb in mehreren europäischen Ländern aufnehmen. Wir haben dafür bei den EU-Behörden eine Bewilligung beantragt.

Andrey Duka-503

Und in der Schweiz?

Hierzulande bräuchte es eine Änderung der Regulierungsbestimmungen. Darum werden wir der Finma vorschlagen, dass sie die Bestimmungen für die Eröffnung von Konten mit Beträgen von maximal 50'000 bis 100'000 Franken so anpasst, dass beispielsweise die Identifikation des Kontoinhabers elektronisch über Video festgestellt werden kann.

In Deutschland hat die Bafin, also das Pendant zur Finma, eine entsprechende Bestimmung bereits genehmigt.

Und die Finma soll nachziehen?

Die Finma sollte diese Entwicklungen nicht behindern und die Schweizer Banken gegenüber der europäischen Konkurrenz benachteiligen. Nehmen Sie einen unserer Wettbewerber, die britische Trading-Plattform Plus500.


«Ich habe das selber ausprobiert»


Dort ist die Identifikation des Kunden eine Angelegenheit von wenigen Minuten: Plus500 prüft das Foto auf der Identifikationskarte, die via Smartphone als PDF-File geschickt wird, und der Fall ist erledigt. Auf dieser Basis ist der Kunde identifiziert und kann auf seinem Konto bis zu 40'000 Franken deponieren oder weiter transferieren. Ich habe das selber ausprobiert, ich weiss, wovon ich spreche.

Glauben Sie wirklich, dass im gegenwärtigen Klima in der Schweiz eine solche Lockerung der Bestimmungen möglich ist?

Es erstaunt mich, dass die Schweizer Bestimmungen in solchen Belangen denjenigen in der EU hinterher hinken, zumal die Schweiz ein Bankenland ist. Wenn wir allzu lange warten, läuft der hiesige Finanzplatz Gefahr, seine über Jahrhunderte aufgebaute Reputation über Nacht zu verlieren.

Hat der Niedergang nicht bereits begonnen?

Die Vertreter der hiesigen Finanzbranche sollten aufhören, über die angeblich erzwungenen Veränderungen zu klagen und stattdessen akzeptieren, dass sie sich heute in einem globalen Wettbewerb befinden.


«Wir lancieren ein Mikro-Bezahlsystem»


Die Finma ihrerseits sollte einsehen, dass sie die Regulation möglichst so anpasst, dass für die Schweizer Banken Chancengleichheit gegenüber den ausländischen Konkurrenten besteht.

Das ist schneller gesagt als getan.

Genau. Darum wird Dukascopy die Lancierung eines Mikro-Bezahlsystems zum Anlass nehmen, bei der Finma vorstellig zu werden und ihr die erforderlichen Veränderungen für die Zulassung der elektronischen Identifikation von Bankkunden vorschlagen.

Sie übernehmen damit eine Pionierrolle in der Schweiz.

Von dieser Öffnung würde tatsächlich der gesamte Schweizer Finanzplatz profitieren, insbesondere kleinere Banken, die viel häufiger mit kleineren Geldbeträgen zu tun haben.


«Das Smartphone wird die Sicherheit erhöhen»


Die bestehenden Bestimmungen, die jedes Konto und jeden Kontoinhaber gleich behandeln, egal um welche Geldbeträge es sich dabei handelt, mögen gut sein für die Grossbanken, doch man sollte nicht alles über den gleichen Leisten schlagen.

Wie meinen Sie das?

Es kann nicht sein, dass ein Retail-Kunde mit einigen tausend Franken auf dem Konto denselben strengen Bestimmungen unterworfen ist wie ein vermögender Privatkunde.

Kann das Smartphone die Sicherheit im Banking wirklich erhöhen?

Aus einer Gesamtbetrachtung heraus gesehen, ja. Der Mikro-Chip mit allen relevanten Informationen für eine Bank kennt am oder im menschlichen Körper bereits unterschiedliche Integrationsstufen. So behandeln wir beispielsweise unser Smartphone schon heute, als ob es ein Teil von uns wäre. Wenn wir es verlieren, fehlt uns etwas. So gesehen ist das Smartphone vielleicht die Vorstufe zur Implantation eines Chips im Körper.

Schauen Sie da nicht etwas gar tief in die Kristallkugel?

Warten Sie es ab. Nächstes Jahr wird die neue Chip-Technologie in den Smartphones vieles im Banking ermöglichen. Wir werden beispielsweise erleben, wie die eigene Telefonnummer den Banken zur Identifikation dienen wird.


«Die Schweiz ist einfach grossartig»


Dieser Schritt wird völlig neue Möglichkeiten eröffnen. Ich bin überzeugt, dass IT-Firmen wie Facebook oder Apple leicht ins Geldtransfergeschäft einsteigen werden. Dies wird die Bankenlandschaft vor grosse Herausforderungen stellen. Mit unserem mobilen Bezahlsystem bereiten wir uns schon heute auf diesen verschärften Wettbewerb vor.

Wie muss man sich so eine Transaktions-App vorstellen?

Wie Viber, also wie eine Instant-Messaging-Software für Smartphones. Nur wird das System nicht primär Nachrichten, sondern den Transfer von Geld ermöglichen – absolut sicher und geschützt sowie günstig und effizient.

Sie sind seit zehn Jahren in der Schweiz eingebürgert. Was mögen Sie eigentlich an Ihrer zweiten Heimat?

Die Schweiz ist einfach grossartig. Ich habe mich vor 20 Jahren in sie verliebt.

Was lieben Sie denn an der Schweiz?

Es ist heute Mode, sich über die Schweiz zu beklagen. Doch man sollte endlich die Realität akzeptieren: Weder die Schweizer Regierung noch die Finanzmarktaufsicht wollen der Schweizer Finanzindustrie Schaden zufügen.


«Nulltoleranz gegenüber der Korruption»


Politik und Behörden haben den Auftrag, die Schweiz vor Kollateralschäden aus der Finanzbranche zu bewahren und sie in dem veränderten Umfeld zu überwachen.

Das klingt etwas luftig.

Was ich an der Schweiz ganz besonders mag, ist ihre Nulltoleranz gegenüber der Korruption. Vielleicht merken das die Schweizerinnen und Schweizer nicht, weil es für sie eine Selbstverständlichkeit ist. Doch diese Nulltoleranz ist tatsächlich eine Qualität von unschätzbarem Wert für den Finanzplatz.

Ist das Argument der Schweiz als «sicherer Hafen» nicht etwas angestaubt?

Nein. Denn dieses Argument bedeutet ja gerade, dass unser Land nicht mehr ein Ort für Geldverstecke ist. Die Schweiz kann sich als offenen und transparenten Bankenplatz präsentieren, der den Kunden Stabilität, Schutz und Sicherheit bietet.


«Mein Vater ist Ukrainer, meine Mutter Russin»


Verbunden mit der Nulltoleranz in Sachen Korruption entsteht eine Verlässlichkeit, die weltweit einzigartig ist. Das sind nicht zu unterschätzende Vorteile – gerade im doch eher unsicheren geopolitischen Klima, das derzeit herrscht.

Beunruhigt Sie die Situation in der Ukraine?

Natürlich bin ich persönlich betroffen. Mein Vater ist Ukrainer, meine Mutter war Russin. Und meine beiden Grosseltern wurden in der Stalin-Ära nach Sibirien zwangsumgesiedelt. Aber von einem objektiven Standpunkt her betrachtet hat der Konflikt in der Ukraine keine politischen Ursachen.

Sondern?

Viele Menschen haben materielle Erwartungen und Hoffnungen, die nicht der Realität und ihren Möglichkeiten entsprechen. Insofern gibt es einen Graben zwischen der Realität und der Erwartungshaltung. Und wenn dieser Graben zu tief wird, erwachsen daraus Konflikte. Das trifft nicht nur auf die Ukraine zu, sondern auf alle Konfliktregionen auf dieser Welt.


«Die Erwartungen sind teilweise falsch»


Auf Grund der jüngsten Finanzkrise existieren mancherorts diese Widersprüche zwischen Erwartung und Wirklichkeit. Viele Menschen, Familien, Unternehmen und sogar Länder pflegen materielle Hoffnungen, die mit der Realität kaum in Einklang stehen.

Wie lassen sich solche Konflikte lösen?

Die menschlichen Erwartungen muss man wieder auf das richtige Niveau bringen. Dazu bestehen verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist die militärische Lösung, wobei das sicherlich nicht die beste Variante ist.


«Ich erwarte eine weitere Eskalation»


Im Prinzip sollten sich die Menschen, Unternehmen und Staaten nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen, sondern versuchen, ihre eigenen Probleme zu lösen.

Glauben Sie, dass dies geschieht?

Wenn Sie mich als Schweizer Bürger und Bankier fragen, dann gehe ich eher von einer weiteren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Eskalation in der Welt aus. Vor diesem Hintergrund wird die Schweiz als Finanzplatz auch in Zukunft ihre Standortvorteile geltend machen können – aber sie muss das mit viel Bedacht tun.

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