Bis vor kurzem waren russische Kunden bei Schweizer Banken höchst begehrt. Damit ist bald Schluss – denn der Branche droht dicke Post aus Russland und damit wohl auch ein weiterer Vermögensabfluss. Alle Fakten zum Russen-Banking.

«Russen-Banker haben es derzeit sehr schwer, Arbeit zu finden», sagt ein Schweizer Bankmanager, der nicht mit Namen genannt werden möchte. Er kennt das Geschäft mit schwerreichen Russen seit Jahrzehnten; er weiss also, wovon er spricht. Umso mehr lässt seine Feststellung aufhorchen.

Zur Erinnerung: Kaum jemand war in den vergangenen Jahren im Schweizer Private Banking so begehrt wie ein Berater mit russischer Klientel. Denn die Banken wussten: Ein einziger Russe steht meist für 100 Millionen Franken an Vermögen oder mehr – ein Volumen also, das sich in den härter gewordenen Zeiten niemand entgehen lassen wollte.

Gesetz im Eilverfahren durchgepeitscht

Und das soll jetzt plötzlich anders ein? Ja, lautet die Antwort eines anderen Private Bankers auf dem Platz Zürich. Auch er möchte anonym bleiben. Wenn das Dossier eines Russen-Bankers auf seinem Pult lande, erklärt er, bleibe es dort liegen. Und zwar solange, bis alle nötigen Erkundigungen über den Bewerber und seine Kunden eingeholt seien. «Wir sind in diesem Geschäft sehr vorsichtig geworden», berichtet der gestandene Manager. 

Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass die Compliance in den nächsten Wochen in diesem Geschäft zum Hauptthema avancieren wird. Der Grund dafür liegt in Russland selber – genauer gesagt in einem neuen Gesetz, dass die russische Duma letzten November im Eilverfahren durchpeitschte und das nun bereits ab 1. Januar 2015 gelten wird.

Neue Transparenz

«De-Offshorisation» heisst das Ziel, das den russischen Steuerbehörden vorschwebt: Stark vereinfacht geht es darum, dass reiche Russen ihre notorisch verschachtelten Vermögensstrukturen im Ausland transparent machen. Damit soll der Steuerflucht ein Riegel vorgeschoben werden.

Das Problem ist für Russland akut: Dem Land droht nächstes Jahr eine Rezession, und auf Grund der Unsicherheiten rund um die Ukraine-Krise erreichte die Kapitalflucht dieses Jahr mit geschätzten 120 Milliarden Dollar enorme Ausmasse. Entsprechend gross ist der Handlungsbedarf in Moskau.

Die Steuerexperten einschlägiger Wirtschaftskanzleien wie Baker & McKenzie oder Withers Worldwide haben die Gefahr kommen sehen und bereits umfangreiche Leitfäden zum Thema verfasst, die finews.ch vorliegen. Im Papier der Kanzlei Withers wird dabei auch klar auf die Herausforderungen für die Banken verwiesen. «Für eine international tätige Bank bedeutet die Gesetzesänderung, dass sie sämtliche Strukturen ihrer russischen Kunden überprüfen muss, seien diese nun für private oder geschäftliche Zwecke aufgesetzt worden», heisst es darin etwa.

Gefahr toxischer Vermögen

Was das im Klartext bedeutet, erklärt Olga Boltenko, Partnerin bei der Kanzlei Withers und eine der besten Kennerinnen der von Russen bevorzugen Vermögensstrukturen. «Auf die Schweizer Banken kommt ein riesiger Haufen Arbeit zu», warnt die Steueranwältin. «Sie müssen sicher stellen, dass alle ihre russischen Kunden gesetzeskonform sind – das gab es in diesem Geschäft noch nie.»

Traditionell besitzt in der Schweiz die Credit Suisse das grösste Russland-Desk. Das Geschäft ausgebaut haben in den vergangenen Jahren aber auch Julius Bär, Vontobel, Coutts International oder die Rothschild Bank.

Sie alle müssen nun damit rechnen, dass sie auf potenziell toxischen Vermögen sitzen – wie es zuvor schon bei amerikanischen, deutschen und französischen Geldern der Fall gewesen war. Was Wunder also, dass sich die Banken inzwischen zweimal überlegen, ob sie weitere Kundenberater für den russischen Markt an Bord nehmen.

Anstrengende Adventszeit

«Bei der Akquise wurde früher oft nur aufs Volumen geachtet. Das könnte sich jetzt rächen», sagt der Zürcher Private-Banking-Chef. Auch er wird sich mit seinen Leuten nächste Woche über das neue russische Gesetz beugen.

Gleichzeitig drohen Konflikte mit einer fordernden Klientel, der man bisher jeden Wunsch von den Lippen ablas. «Für die russischen Bankkunden, die in der Schweiz in erster Linie Vertraulichkeit und Stabilität suchten, ist das Gesetz eine ganz schlechte Neuigkeit», sagt Steueranwältin Boltenko. Doch abwenden lassen sich die Veränderungen nicht mehr: Wenn im Jahr 2017 die Übergangsfrist zum Gesetz abläuft und bei Verstössen Strafen drohen, müssen hiesige Banken wohl einigen russischen Kunden die Tür weisen.

«Es ist möglich, dass mit der Umsetzung des Gesetzes Schweizer Banken sich von russischen Kunden trennen müssen», bestätigt Boltenko.

Flucht nach Riga?

Gut möglich, dass das Russen-Banking in der Schweiz damit sicherer wird, wie nicht wenige Bankmanager meinen. Doch ganz ohne Verluste wird auch diese Veränderung für die Schweizer Banken nicht über die Bühne gehen.

Wohin die fraglichen Gelder dann abfliessen könnten, darüber wird in der Branche schon fleissig spekuliert. Als relativ «locker» im Umgang mit russischen Vermögen hätten sich in jüngster Zeit baltischen Staaten, heisst es. Insbesondere die lettische Hauptstadt Riga habe sich zu einer wahren Drehscheibe für superreiche Russen gemausert.

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