Kein anderer Schweizer Banker versteht es glänzender als Julius-Bär-Chef Boris Collardi, gute und schlechte Nachrichten so zu paaren, dass am Ende die Welt eine bessere ist.

Sein Auftreten ist sozusagen schon Kult. Cool, unaufgeregt, aber stets mit der nötigen Dringlichkeit vertritt der 40-jährige Chef der Zürcher Bank Julius Bär seine Anliegen und unterstreicht so die Entwicklung «seines» Unternehmens. Und er tut dies in einem Umfeld, das sich in den vergangenen Jahren dramatisch und fortdauernd verändert hat. Das ist kein Sonntagsspaziergang.

Umso mehr beeindruckt es, wie es diesem gebürtigen Westschweizer gelingt, den schlechten Nachrichten immer auch etwas Gutes abzukriegen, um so am Ende eine Erfolgskonstante zu schaffen, die in der Branche ihresgleichen sucht. Ist Collardi also ein kühner Stratege oder doch bloss ein geschickter Taktiker?

Zuckerbrot und Peitsche

Am vergangenen Montag, als die Bank Julius Bär ihren Jahresabschluss 2014 präsentierte, schaffte es Collardi auf glänzende Weise erneut, selbst den leisesten Verdacht auszuräumen, die Bank Julius Bär könnte auch nur das geringste Problem in den nächsten zwölf Monaten bekunden.

Collardis Erfolgsrezept bei der Verbreitung von Unternehmensinformationen liegt effektiv darin, dass er es versteht, gute und schlechte Nachrichten zu mischen – niemand versteht es besser als er, mit Butterbrot und Peitsche umzugehen. Dazu sieben Beispiele.

1. Mässiges Ergebnis – hohe Dividende

Das Zahlenset von Julius Bär fiel absolut im Rahmen der Erwartungen aus, wobei der bereinigte Konzerngewinn von 586 Millionen Franken die Margen-Erwartungen um 3 Prozent verfehlte. Auch die wichtige Bruttomarge von 95 Basispunkten im ersten Halbjahr 2014 fiel auf 93 Basispunkte im zweiten Halbjahr zurück. Dennoch erhöht Julius Bär die Dividende deutlich und beantragt 1 Franken gegenüber 60 Rappen im Vorjahr. Die Börse jubelte, Kritiker haben so einen schweren Stand.

2. Integration als Erfolgsausweis – einige Fragen

Die grosse Investoren-Story, mit der sich Collardi seit gut zwei Jahren schmückt, ist die Übernahme des internationalen Vermögensverwaltungsgeschäfts (IWM) von Merrill Lynch. Die Integration hat der Julius-Bär-Chef tatsächlich plangemäss orchestriert und unterstreicht das gerne. Dennoch verharrten die übertragenen Kundengelder am unteren Ende der Erwartungen. Mit dem Kauf des IWM-Geschäfts hat die Bank einen grossen Schritt gemacht, sich gleichzeitig aber auch von der früheren Julius-Bär-Privatbanken-Kultur entfernt.

3. Rasches Handeln – rascher Stellenabbau

Julius Bär liess schon bald nach dem Ende des Euro-Mindestkurses durchsickern, dass man an einem Sparprogramm arbeite. Damit stellte die Bank gleich unter Beweis, rasch und flexibel zu handeln. Dies bestätigte sich am vergangenen Montag, als Collardi sein Sparprogramm konkretisierte. So fiel auch die Ankündigung einfacher, gleich noch zweihundert Stellen zu streichen. Der Julius-Bär-Chef bewies damit geschickt, unangenehme Ankündigungen mit einem «proaktiven» Handeln zu entschärfen.

4. Weitere Auslagerungen – Chancen in der Konsolidierung

Die angekündigten Sparmassnahmen dürften indes nur der Anfang sein. Andeutungsweise war auch noch von Auslagerungen einzelner Geschäftsbereiche die Rede. Konkretisiert wurden diese Absichten wenig, zumal die Ankündigung 200 Stellen zu streichen, für die grösste Beachtung sorgten. Geschickt verstand es Collardi auch da, die defensiven Aktionen mit der Aussage zu verknüpfen, die Bank stehe in ihrer Ausgestaltung nun ideal da, um die Chancen der verschärften Konsolidierung zu nutzen.

5. Grosse Fragen – persönliche Antworten

Zu einem ganz grossen Thema konnte Collardi wenig bis gar nichts zu sagen. Es geht um den Steuerstreit, bei dem die Bank Julius Bär tangiert ist. Es droht ihr eine Busse, die dem Institut stark zusetzen könnte. Dieses Damoklesschwert hängt schon lange über der Bank, und bisher hat es Collardi geschafft, diese Bedrohung so wenig wie möglich zum Gegenstand von Spekulationen zu machen. So gab er sich auch am Montag wieder zuversichtlich, dass noch in diesem Jahr eine Lösung mit den US-Behörden erzielt werde. Das klingt konstruktiv; dennoch könnte der Kollateralschaden enorm werden.

6. Kluges Agenda-Setting – überfällige Pendenz

Noch mit einem anderen Thema gelang es Boris Collardi diese Woche, gute Stimmung zu schaffen. Endlich soll die Bank eine neue IT-Plattform erhalten. Das ist dringend nötig, denn seit Jahren laborierte das Unternehmen mit einem überalteten System. Nun hat die Schweizer IT-Firma Temenos den Zuschlag erhalten, eine neue Plattform auf die Beine zu stellen. Das sind «good news», die Collardi entsprechend in den Vordergrund stellte. Sie bedeuten aber auch: Über die nächsten drei bis fünf Jahre sind damit grosse Umstellungen und enorme Anstrengungen für das Personal verbunden. Das Unternehmen bleibt eine Baustelle oder netter ausgedrückt ein «work in progress».

7. Alte Welt – neue Welt

Collardi wird nicht müde, sein Loblied auf Asien anstimmen, wo die Bank bereits ein Viertel ihrer Geschäftstätigkeit generiert. Dieser Anteil dürfte in den nächsten Jahren sogar noch markant zunehmen. Damit hat Julius Bär zweifelsohne eine kluge Diversifikationsstrategie entwickelt. Unklar bleibt hingegen, wie sich das Institut in der Schweiz und in Europa positionieren will. Ist die Bank in unseren Breitengraden unterdessen überdimensioniert? Wie viel Schweiz hängt noch an Julius Bär – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass ganze Geschäftsbereiche ins Ausland ausgelagert werden sollen?

Fazit: So, wie sich der Abschluss 2014 präsentierte, ist auch Boris Collardi als CEO unterwegs. Sein Erfolgsausweis ist solide, aber nie frei schon gewissen Schwächen und Fragezeichen. Bis jetzt ist es ihm allerdings gelungen, so zu kommunizieren, dass man ihm eine gewisse Nachhaltigkeit abnimmt, was ihm Vergleich zu anderen Bankchefs schon sehr viel ist.

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