Die beiden Konstanten in der bisherigen Amtszeit von Julius-Bär-Chef Boris Collardi sind Tempo und Veränderung. Nach der kürzlich abgeschlossenenn Integration der Merrill-Lynch-Geschäfte wäre nun eine Übernahme der Privatbank Coutts eigentlich genau das Richtige gewesen. Doch es kam anders. Wird es Collardi jetzt langweilig?

«Full throttle» – Vollgas gibt Boris Collardi, seit er 2009 als 34-Jähriger CEO von Julius Bär wurde. Das hatte der Verwaltungsrat von ihm auch erwartet, und darum war er als relativ junger Banker zum Nachfolger des verstorbenen CEO Alex Widmer ernannt worden.

Nach sechs Jahren «full throttle» könnte Collardi nun einen oder zwei Gänge runterschalten – denn die grossen Projekte sind abgeschlossen. Die Merrill-Lynch-Integration hat mit dem Indien-Geschäft unlängst die letzte Hürde genommen, und die potenziell nächste Übernahme, jene von Coutts International, hat die Genfer Konkurrentin Union Bancaire Privée realisiert.

Kunden bei der Stange gehalten

Collardis Rhythmus war in den vergangenen sechs Jahren tatsächlich hoch gewesen: Er hatte das Asset Management abgespalten, er lancierte Kostensparprogramme und Wachstumsinitiativen und übernahm – noch keine sechs Monate im Amt – das Schweizer Private Banking des holländischen ING-Konzerns.

Danach schnappte er sich das internationale Vermögensverwaltungsgeschäft von Merrill Lynch – kein einfaches Unterfangen. Schliesslich galt es, weltweit 17 Standorte in die Julius-Bär-Familie einzugliedern und möglichst viele Merrill-Lynch-Kunden bei der Stange zu halten.

Die grosse Story

Vergangene Woche folgte nun der letzte Schritt: Die indischen Wettbewerbsbehörden gaben grünes Licht für die Übernahme von DSP Merrill Lynch. Für Collardi ist dies das letzte Puzzleteil der grossen Story, Julius Bär zum globalen Player im Private Banking zu formen. Und er hat geliefert, und zwar so, wie es seinem Berufscredo entspricht.

Zudem hat Collardi nun auch noch die dringend notwendige Erneuerung der IT-Plattform auf die Wege gebracht: Nic Dreckmann und IT-Chef Urs Monstein kümmern sich um dieses Grossprojekt. Und quasi nebenbei hat Collardi auch noch auf dem nationalen Parkett einen Erfolg erzielt, wie auch finews.ch berichtete. Julius Bär ist neben der Uhrenfirma TAG Heuer Hauptsponsorin der Formula E, einer internationalen Rennveranstaltung mit Elektrofahrzeugen, bei der voraussichtlich schon 2016 erstmals ein Grand Prix in der Schweiz stattfinden soll.

Kultmässige Lockerheit

Vor diesem Hintergrund wäre die über viele Monate zum Verkauf stehende Bank Coutts International genau das Richtige für Collardi gewesen. Er hatte auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er sich das Traditionshaus mit seinen rund 32 Milliarden Franken an Kundenvermögen gerne einverleibt hätte – «allein schon des Namens und der Marke wegen», wie er im vergangenen Jahr in einem Interview gesagt und damit kokettiert hatte, dass es nicht viele Schweizer Banken gibt, die ein Geschäft von dieser Grösse integrieren können. Auch hier hätte er gerne geliefert. 

Projekte, M&A, Integrationen, Initiativen – das sind die Spielfelder, auf denen sich der Westschweizer wohlfühlt und auf denen er sich bislang profilieren konnte. Dass er dabei eine fast schon kultmässige Lockerheit an den Tag legt, ist längst nicht mehr nur seinem vergleichsweise jugendlichen Alter zuzuschreiben.

Geduld fürs Erste

Collardi ist Kosmopolit und weltgewandt und zu alledem ein harter und akribischer Arbeiter, der – vielleicht sogar etwas unschweizerisch – dann vor allem zu grosser Form aufläuft, wenn Tempo gefragt ist. Doch jetzt muss Collardi möglicherweise das erste Mal in seiner Karriere als CEO auch die Tugend der Geduld üben.

Denn die nächste Hürde kann Collardi vorläufig nicht nehmen, solange das Urteil der amerikanischen Justiz im US-Steuerprogramm nicht da ist. Die Unsicherheit bezüglich der Höhe der Busse, man spricht von mehreren hundert Millionen bis zu einer Milliarde Franken, lässt sich Collardi zwar nicht anmerken. Aber der Betrag wird ausschlaggebend dafür sein, wie viele Mittel ihm dann noch für weitere Übernahmen bleiben.

Übernehmen, zukaufen, expandieren

Und weitere Akquisitionen hatte er durchaus vor Augen. Collardi schaut sich Märkte wie Mexiko, Kolumbien oder Saudiarabien an. Ausserdem tritt er auch als Konsolidierer auf dem Schweizer Finanzplatz auf, wie er dem Kauf der Kundengelder der Bank Leumi bereits gezeigt hat. Und er geht auch den Weg von Kooperationen und Minderheitenbeteiligungen, um – wie in Japan – einen Fuss in strategisch wichtige Märkte zu bekommen. 

Langweilig dürfte es ihm also kaum werden. So weit lässt es Collardi gar nicht erst kommen. Denn wie könnte er sonst zeigen, dass er nimmermüde liefert?

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