Der Wechsel an der Spitze der Deutschen Bank zeigt es einmal mehr: Die Zeiten der Grossbank-Manager mit Grossmacht-Fantasien sind gezählt. Gefragt sind nun ganz andere Eigenschaften.

Schwarzes Loch©Shutterstock

John Cryan (Bild unten) und Anshu Jain (Bild ganz unten) sind beide Investmentbanker. Beide machten sie in den Boom-Jahren um die Jahrtausendwende Karriere und mussten später Grossbanken durch die Nachwehen der Finanzkrise steuern. Und beide sind sie Chefs der Deutschen Bank – Jain der scheidende, Cryan nun sein designierter Nachfolger. Und dennoch könnten die beiden unterschiedlicher nicht sein.

Hüben der 52-jährige Jain, der trotz Finanzskandalen und schweren Rückschläge bis zuletzt glaubte, die von ihm und Co-CEO Jürgen Fitschen geführte Deutsche Bank als führende Investmentbank positionieren zu können. Und der erst nach einem in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Aufstand von Mitarbeitern und Aktionären seinen Rücktritt erwog.

John Cryan 500

Drüben Cryan, 54 Jahre alt, ein stiller Schaffer, der bereits zwei ins Wanken geratene Grossbanken stabilisierte und dann in aller Stille einer neuen Berufung nachging. Und nun plötzlich wie aus dem Nichts bei der Deutschen Bank ins Rampenlicht tritt.

Dass die Gunst der Stunde einem wie Cryan gehört, kommt indes nicht von ungefähr. Wie zuletzt auch die Abgänge von Brady Dougan bei der Schweizer Credit Suisse und Peter Sands bei der britischen Standard Chartered zeigen, sind die Zeiten der Grossbank-Manager mit grossen Wachstumsplänen (und bisweilen riesigen Boni) gezählt. Was und vor allem wer stattdessen gefragt ist.

Anshu Jain 500

1. Maschinisten statt Admirale

Cryan machte bei der britischen S.G. Warburg Karriere und später im Investmentbanking der UBS, als die Schweizer Grossbank Warburg übernahm. Unter den zumeist mit grossen Ego ausgestatteten Investmentbanker stach er mit seiner Introvertiertheit heraus. «John war nie ein Cheerleader», beschrieb ihn ein Kollege gegenüber der Agentur «Bloomberg».

Trotzdem erwarb er sich bei der UBS einen Ruf als Mann für die schwierigen Fälle. Im Jahr 2007 führte er den Verkauf der UBS-Kundin ABN Amro so geschickt, dass die Amro-Eigner am Ende einen Erlös von 72 Milliarden Euro erzielten.

Im Jahr 2008 trat er dann als Finanzchef an der Seite des damaligen UBS-CEO Oswald J. Grübel an, um die am Abgrund stehende Schweizer Grossbank zu reformieren. Allerdings bedeutete dies auch den Abbau Tausender Stellen und von mehr als 1000 Milliarden Franken an Aktiven in der UBS-Bilanz. Nicht als «Admiral» auf der Brücke, sondern als «Maschinist» tief im Bauch und den Büchern der Bank führte Cryan die UBS in ruhigere Gewässer zurück. Und legte damit das Fundament mit zu jener Stärke, mit der sich das Institut 2015 präsentiert.

2. Klartext statt Schönfärberei

Grossbanken, das zeigt sich immer wieder, lassen sich von einzelnen Personen kaum lenken. Umso gefährlicher sind hochtrabende Versprechen aus der Chefetage. Cryan weiss das offenbar selber nur zu gut. Als Finanzchef der UBS fokussierte er im Gespräch mit Investoren meist auf die Risiken und warnte immer wieder, dass die Rendite kurzfristig unter Druck kommen könnte. Damit erwarb er sich Glaubwürdigkeit.

Anders erging es zuletzt Jain. Nach zahlreichen Rücksetzern nahmen ihm die Investoren nicht mehr ab, dass er mit einer im letzten Mai angekündigten Strategie die Deutsche Bank reformieren könne. Auf die Nachricht seines bevorstehenden Rücktritts hin schnellte die Deutsche-Bank-Aktie am Montag anfänglich 8 Prozent in die Höhe.

3. Neue Besen statt Eigengewächse

Die Credit Suisse mit Tidjane Thiam 2015 und die UBS 2011 mit Sergio Ermotti machten es vor. Sie holten sich ihre CEO von Aussen und versprachen damit erfolgreich einen Neuanfang nach einer mit Skandalen und Krisen belasteten Vergangenheit.

Das realisierte nun offenbar auch die Deutsche Bank: Ex-UBS-Mann Cryan kommt dort für Jain, der auf eine 20-jährige Karriere bei der Grossbank zurückblickt – und damit Teil der belasteten Vergangenheit geworden ist. Ein waschechter Aussenseiter ist allerdings auch Cryan nicht: Seit 2013 amtet er bei der Deutschen Bank als Verwaltungsrat.

Ironischerwiese fiel Cryan damals bei der UBS ebenfalls einem «Auswärtigen» zum Opfer, wie das deutsche Magazin «Focus» schreibt: Als Grübel 2011 seinen Rücktritt ankündigte, habe sich Cryan als dessen legitimer Nachfolger gefühlt. Stattdessen beförderte der UBS-Verwaltunsgrat dann den eben erst von Merrill Lynch zur Bank gestossenen Ermotti – und Cryan trat «aus persönlichen Gründen» zurück.

4. Chancen statt Risiken

Der möglicherweise forcierte Austritt bei der UBS erweist sich für Cryan im Nachhinein als Segen. Der verheiratete, aber kinderlose Brite folgte damals dem Ruf des mächtigen Singapurer Staatsfonds Temasek. Dort amtete er bis 2014 als Europa-Chef und weiterhin als Berater. Die beim asiatischen Grossinvestor gesammelte Erfahrung ist nun Gold wert: Wie die UBS und letzthin die Credit Suisse will sich auch die Deutsche Bank verstärkt auf das boomende Private Banking in Asien konzentrieren.

Die bisherige Parade-Disziplin des Investmentbanking soll im Rahmen des letzten Mai angekündigten Programms hingegen zurückgestutzt werden – ein Schritt, mit dem zuvor schon die UBS bei den Investoren viel Applaus erntete.

5. Keine Alternative zum Investmentbanker

Cryan ist ein Investmentbanker durch und durch – und auch der designierte CS-Chef Thiam hatte sich als Berater von Investmentbanken die Sporen abverdient. Die Investmentbank-Vergangenheit erweist sich aber erstaunlicherweise nicht als Hemmschuh, sondern vielmehr als Pluspunkt. Das Durchleuchten von Unternehmen und die Suche nach Werten – Grundfertigkeiten des Investmentbanking – sind nämlich bei den Grossbanken wieder dringend gefragt.

Zumal bei der Deutschen Bank. Die neue Strategie sieht dort Abstriche bei der Investmentbank, den Verkauf der Postbank sowie die Schliessung von rund 200 Niederlassungen in Deutschland vor. Gleichzeitig soll das Private Banking und die Digitalisierung des Privatkundengeschäfts forciert werden.

6. Demut statt Hybris?

Unter Cryan stehen also auch der Deutschen Bank Jahre des schmerzhaften Umbaus bevor. Doch dieser Weg kann nicht das Ziel sein: Die Grossbanken müssen zeigen, dass sie ihre Kapitalkosten wieder verdienen. Ansonsten suchen die Investoren langfristig das Weite.

Auf den Abbau könnte deshalb schon früher als erwartet eine neue Expansionsphase folgen – und auch Grossbanken zu Zusammenschlüssen verleiten. Doch sind solche Giganten erstmal geboren, sind neue Übertreibungen wohl vorprogrammiert.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.3%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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