Der grösste Handlungsbedarf innerhalb der Credit Suisse besteht nicht etwa in der Investmentbank, sondern in der Vermögensverwaltung. Dort hat es die CS auf eine grössere Akquisition abgesehen, die nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

So loyal und korrekt wie er stets gewesen ist, wird Brady Dougan auch seinen Pflichten an der Spitze der Credit Suisse (CS) bis zu seinem letzten Arbeitstag nachkommen – selbst wenn die Stabsübergabe an den designierten Nachfolger Tidjane Thiam faktisch schon in den nächsten Tagen erfolgt.

Auf den bisherigen Chef des britischen Versicherers Prudential wartet in der Tat eine lange Pendenzenliste, wie dies die Medien bereits verschiedentlich thematisiert haben. Dabei gingen viele strategische Spekulationen dahin, dass Thiam zunächst die Investmentbank herunterfahren würde, wie dies die UBS getan hat.

Falsche Spekulationen

Doch diese Vermutungen greifen zu kurz, denn die CS hatte in den vergangenen Jahrzehnten stets eine mächtige Investmentbank, die eine wichtige Rolle im Geschäftsmodell des Unternehmens spielt. So konnte sich die Bank auch von der UBS differenzieren. Ob nun einzelne Geschäftsbereiche noch etwas ab- oder umgebaut werden, tut nichts zur Sache.

Erheblich mehr Handlungsbedarf hat die CS in anderen Sparten. Eine riesige, vielleicht sogar die grösste Baustelle ist die Vermögensverwaltung für wohlhabende Privatkunden (Private Banking). Diese Abteilung sollte nach Ansicht der CS-Oberen schon lange ein grösseres Gewicht innerhalb des Geschäftsmodells haben – was sie aber nicht hat. Im Gegenteil.

Schwierige Zeiten

Durch das faktische Ende des Schweizer Bankgeheimnisses, der Regularisierung vieler Kunden, den Steuerstreitigkeiten mit Deutschland und last but not least mit der Milliardenstrafe in den USA hat die Division, die momentan (noch) Hans-Ulrich Meister und Robert Shafir leiten, schwierige Zeiten hinter sich; entsprechend hat sie auch nicht den Erwartungen entsprechend «performed».

Rechnet man aus den Erträgen dann noch das Private-Banking-Geschäft im Heimmarkt Schweiz sowie das Firmenkundengeschäft heraus, dann fällt der Leistungsausweis noch enttäuschender aus. Zudem musste diese Sparte allein in den vergangenen 24 Monaten einen erheblichen «brain drain» vergegenwärtigen, verliessen doch namhafte Kaderleute das Unternehmen. Vor diesem Hintergrund ist klar, was auf Thiams Prioritätenliste zuoberst steht.

Quantensprung nötig

Nachdem die CS in den vergangenen fünf Jahren praktisch nur defensive Massnahmen treffen musste, ist es für die Bank nun an der Zeit für einen Befreiungsschlag. Auch die Aktionäre dürften kaum mehr etwas anderes erwarten oder gar akzeptieren. Erste Andeutungen, wohin die Reise gehen dürfte, kommen seit einiger Zeit von Francesco de Ferrari.

Der Chef für das Private Banking in Asien – dem wichtigsten Wachstumsmarkt für viele Finanzhäuser – hat bereits in verschiedenen Interviews erklärt, dass ein Quantensprung nötig sei. Dieser liesse sich aber nicht im Tagesgeschäft verwirklichen. Mit anderen Worten: Die CS hält nach einer Akquisition Ausschau.

Mehr als 20 Milliarden Franken

De Ferrari gibt noch weitere Hinweise, was man sich darunter in etwa vorstellen könnte, wenn er sagt, dass die CS in der jüngeren Vergangenheit jährlich etwa 20 Milliarden Franken an neuen Kundengeldern eingenommen hat. Damit wird definitiv klar, dass eine Übernahme eine höhere Summe einbringen muss.

In der Branche geht man davon aus, dass die CS das asiatische Vermögensverwaltungsgeschäft einer grossen Bank kaufen könnte, die sich ebenfalls reorganisieren muss. Dabei ginge es sinngemäss um eine Summe an Kundengeldern zwischen 40 und 60 Milliarden Franken, was für die Schweizer Grossbank tatsächlich ein Quantensprung bedeuten würde. Aktuell verwaltet die CS in Asien knapp 160 Milliarden Franken.

Epochaler Umbruch

Es gibt zwei Institute, welche diese Anforderungen derzeit erfüllen: Zum einen die französische BNP Paribas Wealth Management (gut 60 Milliarden Franken an Kundendepots) sowie die britische Standard Chartered (StanChart). Vor allem letztere, die knapp 50 Milliarden Dollar an Kundengeldern (vgl. Tabelle) ausweist, würde relativ gut zur CS passen.

Sie verfügt nicht nur über eine lange Erfahrung und Tradition in den Schwellenländern, namentlich in Asien, sondern sie befindet sich in der Tat in einer epochalen Umbauphase seit im vergangenen Februar der Amerikaner Bill Winters (er wurde auch schon als CEO der UBS gehandelt) das Zepter vom zuletzt glücklos agierenden Peters Sands übernommen hat. Zum selben Zeitpunkt kam es auch noch im Verwaltungsrat zu personellen Veränderungen. Seither ist StanChart auf Sinnsuche.

Wenig Affinität für Asien

Der frühere J.P.-Morgan-Manager Bill Winters hat wie andere Bank-CEOs einige Baustellen (Artikel kostenpflichtig), die er beseitigen muss, und die sich mehrheitlich um Kosten-, Kapital- und (Aktien-)Kursfragen drehen. Vor diesem Hintergrund wurde in den angelsächsischen Medien auch schon dahingehend spekuliert, dass StanChart sein Domizil nach Asien verlegen könnte.

Doch Winters ist ein Manager, der kaum Kenntnisse von diesem Markt hat, so dass eher einiges dafür spricht, dass er den Firmensitz in London behält, aber Teile des Asien-Geschäfts verkauft – nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich die Bank in den letzten Jahren dort in eine gefährliche Lohnspirale noch oben begeben hat.

Probleme auf einen Schlag lösen

Mit einem Verkauf der Private-Banking-Sparte in Asien könnte Winters tatsächlich zwei Probleme auf einen Schlag lösen. Er wäre ein (allzu)teures Geschäft, das langfristig kaum die kritische Grösse besitzt, los und könnte die Eigenkapitalbasis stärken, zumal diese im europäischen Vergleich relativ dünn ist.

Dafür, dass StanChart (im asiatischen Private Banking) gut zur CS passen würde, spricht noch wesentlich mehr: Das Geschäft steht dort unter der Leitung des früheren UBS- und Julius-Bär-Bankers Michael Benz, der in Interviews schon verschiedentlich erklärt hat, wohin er wolle.

So zeigt er sich überzeugt, dass die Bank mit ihrer mehr als 150-jährigen Präsenz in Asien bei der reichen Klientel noch erheblich punkten könnte, zumal StanChart zu vielen Unternehmern – im Firmenkundengeschäft – bereits enge Beziehungen unterhält.

Viele Themen

Sie bildeten die Basis, um nun die Vermögensverwaltung auszubauen. «Zu unseren Kunden zählen viele Unternehmer, die wir im geschäftlichen Bereich bereits betreuen. Nun werden wir ihnen unsere Dienste auch bei der Verwaltung ihrer persönlichen Vermögen anbieten», präzisiert der Schweizer.

Zusätzlich kommt ihm die internationale Ausrichtung der Bank zugute: «Wir sind internationaler als viele lokale Finanzinstitute in Asien, und gleichzeitig lokaler als manch internationale Grossbank.» So sei die Bank in der Lage, gleichgesinnte Investoren zusammenzubringen und den Kunden ao einen Mehrwert zu bieten.

Weiteres Geschäftspotenzial ortet Benz im Bereich der Nachlass- und Steuerplanung sowie im Treuhandgeschäft, was in Asien bei einer grossen Anzahl von Unternehmern der ersten Generation nun sukzessiv zum Thema wird.

Wie eine Unternehmerbank

Diese Ambitionen erinnern stark an die Absichten der CS, ihre «Unternehmerbank» in den nächsten Jahren gezielt auszubauen, wie dies Hans-Ulrich Meister unlängst auch gegenüber finews.ch erklärte.

Ein weiterer Blick auf das Betätigungsfeld von StanChart zeigt noch andere Gemeinsamkeit: Das Unternehmen bietet komplexe Financial Solutions an sowie die in Asien unter Firmenbesitzern höchst beliebten Kreditfaszilitäten (für private Transaktionen) an sowie Beratung in Philanthropie; alles Bereiche, die auch die CS forciert.

Grundlage entzogen

Vieles deutet darauf hin, dass es nicht allzu lange gehen wird, bis Thiam mit einer offensiven Massnahme ein Zeichen setzt. Dass dieses Zeichen einen Bezug zu Asien hat, dürfte auch nicht erstaunen, zumal er selber als Manager und bisherige Leaderfigur von Prudential eine hohe Affinität für den asiatischen Markt hat, und wo er sich auch höchst erfolgreich betätigt hat.

Eine Transaktion der CS in Asien würde auch den notorischen Spekulationen über einen Deal mit Julius Bär endgültig die Grundlage entziehen.

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