Ein Journalist hat die Londoner Finanzwelt als Insider ausgeleuchtet. Dabei malt er ein rabenschwarzes Bild der Branche. In einem aktuellen Interview spricht der Niederländer jetzt über Lösungen.

Joris Luvendijk 160Joris Luyendijk (Bild), als Reporter kriegserfahren, gründete 2011 im Auftrag der linken britischen Tageszeitung «The Guardian» ein Blog. Sein Ziel: Banker der Londoner City, also rund 250’000 Menschen, über die Parallelwelt im Finanzdistrikt auszuhorchen. Luyendijk garantierte dabei hundertprozentige Anonymität. Sein Plan ging auf.

Das Ergebnis: Über 200 konspirative Interviews mit Investmentbankern, Angestellten aus Rechts- und Risikoabteilungen, Rating-Agenturen, Headhuntern oder Therapeuten. Daraus entstanden ist jetzt das Buch «Unter Bankern – Eine Spezies wird besichtigt», das als holländische Originalausgabe «Dit kann niet waarzijn» seit Anfang 2015 in den Niederlanden ein Bestseller wurde.

Luyendijk CoverDabei hatten viele Banker das Gefühl, sich erklären zu müssen: «Manchen ging es darum klarzustellen, dass es eine Minderheit der Banker war, die den Börsencrash verursachte, dass sie zu den 99 Prozent gehörten, die nichts damit zu tun hätten. Andere wollten zeigen, dass alles noch viel schlimmer sei, als der gemeine Bürger ahnte», sagte Luyendijk in einem aktuellen Interview mit dem Magazin «The European».

Am meisten überrascht hat ihn aber, dass Menschen in der City innerhalb von fünf Minuten gefeuert werden können. «Eine Bank ist wie ein Atomreaktor: Wenn er explodiert, reicht die Zerstörung meilenweit. Die Leute, die da arbeiten, haben aber einen Horizont, der nur fünf Minuten entspricht.»

Warum eine Umarmung hilft

In seiner Analyse charakterisiert Luyendijk schonungslos die Bankerzunft: Banker seien nicht habgierig, sondern extrem ehrgeizig und wettbewerbsorientiert, so wie Leistungssportler, steht im Buch. Der einzige Unterschied: «Banker konkurrieren untereinander mit ihrem Bonus.» Viele Leute in der Branche brauchen ihm zufolge externe Bestätigung. «Banken sind sehr, sehr gut darin, diese zu bieten.»

Es sei schwer, auf solche Leute einzuwirken. «Wir müssen diese Banker umarmen! Wir müssen zu ihnen sagen: Es tut mir leid, dass die Banken dich in ihren Bann gezogen haben. Aber es gibt Hilfe! Und viel Glück mit deiner Bonus-Sucht, mit deinem gestörten Arbeitsrhythmus und den Schlafstörungen. Es schmerzt mich, an deine Kinder zu denken, die zu dir sagen werden, dass sie nie gelernt haben, dich zu lieben, weil du nie da warst», so der Journalist.

Welche Lösungen er jetzt vorschlägt

Als Lösung dieser Probleme schlägt der Journalist eine «Repolitisierung des Systems» vor. «Die Banker müssen sich nicht besser benehmen, wir brauchen bessere Gesetze, die Menschen entlohnen, wenn sie das Richtige tun.» Momentan gebe es überall diese strukturell perversen Anreize. Man können einen noch so sozialverträglichen Kurs verfolgen, diese Anreize seien stets stärker. «Struktur siegt über Kultur», so der 44-Jährige.

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