In Asien steigt die Zahl der Superreichen viel schneller als Banken Kundenberater stellen können. Die Credit Suisse hat darum in Singapur ein Ausbildungszentrum eröffnet. So kann sie aus einem Talentpool schöpfen, der viel «weiblicher» ist als in der Schweiz.

Singapore©Shutterstock

Es herrscht eine ruhige, aber konzentrierte Atmosphäre in der zweiten Etage des Sitzes der Credit Suisse in Singapur am One Raffles Link. Hier hat die Bank vor gut einem Jahr ihr Wealth Institute in Betrieb genommen, ein Trainings- und Ausbildungszentrum für angehende Private Banker.

In einem der Ausbildungsräume sitzt rund ein Dutzend «Trainees» an einer Gruppenarbeit. Sonst herrscht an diesem Morgen wenig Betriebsamkeit. Doch diese Ruhe täuscht über die Bedeutung hinweg, welche das Wealth Institute im Laufe der vergangenen Monate gewonnen hat.

Das Eldorado der Schweizer Banken

«Seit der Eröffnung im Februar 2014 haben hier mehr als 6'000 Teilnehmer der Credit Suisse an über 1'200 verschiedenen Trainings- und Ausbildungsprogrammen sowie Veranstaltungen teilgenommen», sagt Jullie Kan (Bild) zu finews.ch während eines Besuchs in Singapur. Sie ist Vice Chairman Private Banking für die Region Südostasien.

Jullie Kan 500

Diese Region und das übrige Asien sind das Eldorado für das Schweizer Private Banking. Für die Credit Suisse ist Singapur nach Zürich gar der zweitwichtigste Standort für Wealth Management.

7 Millionen Millionäre – und es fehlt an Personal

Die Chancen sind denn auch immens – und genau dies stellt die Banken vor ein groses Problem: Es fehlt an Personal. Jullie Kan rechnet vor: Die Region Asien-Pazifik zählt rund 7 Millionen Millionäre, die alle in irgendeiner Form Dienstleistungen im Wealth Management benötigen oder dies tun könnten.

Diesem Potenzial stehen gesamthaft etwa 10'000 qualifizierte Kundenberater in Privatbanken gegenüber. Nimmt man an, dass ein Berater 35 bis 40 Kunden betreuen kann, bräuchte es in der Region 200'000 fähige und ausgebildete Wealth Manager.

Ausbildung als Absicherung

Mit anderen Worten: Die Personallücke ist riesig, was in den vergangenen Jahren zu einer wahren Jagd auf Kundenberater und -teams geführt hat. Mit den Folgen einer hohen Fluktuation und scharf gestiegenen Salären.

Credit Suisse Wealth Institute 500

Das sind Gründe, warum die Credit Suisse das Wealth Institute einrichtete. «Es herrscht ein enormer Mangel an Nachwuchskräften und Talenten, aber die Credit Suisse hat eine sehr gute Rückhalterate, nicht zuletzt, weil sie Chancen für eine langfristige Karriere bieten kann. Das Wealth Institute und die Ausbildungsprogramme spielen eine wichtige Rolle darin, Mitarbeiter zu halten», bet0nt Kan, die der Bank nun schon 18 Jahre die Treue hält.

Singapur will es der Welt zeigen

Ein zweiter Anstoss kam aber auch von Seiten der Regulierer in Singapur, der Monetary Authority of Singapore (MAS) und dem Institute of Banking and Finance (IBF). Den Schock des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers in den USA wollte Singapur nutzen, um sich als globales und vor allem kompetentes Finanzzentrum noch besser zu positionieren.

So kam es, dass die Banker Prüfungen ablegen mussten, und zwar die Financial Industry Competency Standards sowie im Wealth Management die Client Advisor Competency Standards.

Junge Leute an den Job herangeführt

Dabei ist die Credit Suisse die erste Bank, in der alle Angestellten vor Ort diese Zertifikaten erlangt haben. Das Wealth Institute hat aber insbesondere auch dazu verholfen, das die Bank nunmehr eigenes junges Personal an den Job des Kundenberaters heranführen kann.

Zahlen belegen dies: Seit dem Start der Ausbildungsstätte hat die Bank die Anzahl Kundenberater um mehr als 50 auf derzeit 510 erhöht. In den drei Jahren von 2011 bis Ende 2014 waren es insgesamt 90 gewesen.

Viel mehr Bankerinnen

Die Ausbildung im Wealth Institute konzentriert sich auf das Frontgeschäft, also auf den Kontakt mit den Dienstleistungen für den Kunden sowie auf Führungprogramme für junge Banker – und Bankerinnen.

Den subjektiven Eindruck von finews.ch, dass in der Credit Suisse in Singapur und in den hier ansässigen Banken überhaupt auffällig viele Frauen arbeiten, bestätigt denn auch Jullie Kan: Der Frauenanteil im hiesigen Private Banking sei höher als in der gesamten Credit Suisse. Die Bank weist global 35 Prozent Frauen der Gesamtbelegschaft aus und 17 Prozent Frauen im Senior Management.

Weiblicher Talentpool

Dass gerade im asiatischen Private Banking viele Frauen tätig sind und auch Top-Positionen halten, hat finews.ch schon früher mit der höheren «emotionalen Intelligenz» der Frauen zu deuten versucht. Doch vielleicht gibt es noch andere Erklärungen – etwa, dass der Pool an weiblichen Talenten in Asien und vor allem in Singapur weitaus grösser ist als etwa in der Schweiz oder in Europa. Denn auch in anderen Branchen und Unternehmen in Singapur belegen deutlich mehr Frauen Top-Positionen.

Im modernen Asien wollen sich junge Frauen im Beruf entschlossen weiterentwickeln und Karriere machen. Und die Chancengleichheit muss hier auch nicht eingefordert werden, vielmehr erlauben es staatliche Einrichtungen den Frauen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.

Meritokratie und Chancengleichheit

Wer gut in seinem Job ist und vorwärts kommen will, der kann. «Im modernen Asien und vor allem in Singapur gelten Meritokratie und Chancengleichheit für alle», sagt Jullie Kan, die gebürtige Malaysierin ist.

Ihr Vater habe ihr noch geraten, Lehrerin zu werden. Das sei doch ein guter Job für eine Frau. Sie aber sei mit 19 Jahren Bankerin geworden. «Und ich habe immer die gleichen Chancen gehabt, wie alle meine Kollegen und Kolleginnen.»

Am Ende Managing Director geworden

Auch Schweizer erhalten in Singapur ihre Chance. Lehrlingsabsolventen kämen für einige Jahre hierher und könnten die Ausbildung im Wealth Institute durchlaufen, ergänzt Kan.

Die Bankerin erzählt von von einem Spezialisten für Strukturierte Produkte, der hier in der Investmentbank arbeitete. Er habe eine Veränderung gesucht und ins Wealth Management wechseln wollen. Nach der Ausbildung erhielt er einen Job als Junior-Kundenberater. Heute sei er Managing Director, so Kan.

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