Europäische Finanztitel erleben derzeit einen neuen Frühling, von dem auch Schweizer Bankaktien profitieren. Niemand habe Interesse, diese aufstrebenden Pflänzlein zu zerstampfen, sagt Birgitte Olsen.


Frau Olsen, trotz Griechenland-Krise dünkt der europäische Aktienmarkt attraktiv. Besonders die Finanztitel sind gefragt. Raten Sie zum Einstieg?

Tatsächlich haben sich die europäischen Märkte gut gehalten, weil die Anleger stets davon ausgingen, dass es nicht zum Grexit kommt. Dies widerspräche auch der politischen Idee der EU. Diese Überzeugung dominiert weiterhin. Doch die Bankentitel entwickeln sich auch deswegen gut, weil niemand mehr von einem systemischen Kollaps des Finanzsystems ausgeht.

Genügt das für europäische Bankaktien?

Die Rahmenbedingungen haben sich insgesamt verbessert, und zwar in zweierlei Hinsicht: Die Konsumnachfrage in Europa nimmt zu, gleichzeitig deutet einiges darauf hin, dass sich der Kreditzyklus regt.

«Bankregulatorien sind in der Tat ein Thema»

Sofern diese noch schwache Entwicklung nicht durch neue Turbulenzen in Griechenland beeinträchtigt wird, dürften Finanztitel in nächster Zeit weiter an Wert gewinnen.

Drohen die weltweiten Regulierungsbestrebungen dieser Hoffnung nicht einen Strich durch die Rechnung zu ziehen?

Niemand in Europa hat ein Interesse, dieses aufstrebende Pflänzlein zu zerstampfen. Bankregulatorien sind in der Tat ein Thema, aber erst ab 2017 und 2018. Vorerst wollen die EU-Behörden Inflationserwartungen schüren.

«Dafür braucht es die Banken»

Das mit der lockeren Geldpolitik freigesetzte Kapital soll endlich in die Realwirtschaft fliessen, und dafür braucht es die Banken. Man wird sie folglich nicht unnötig behindern wollen.

In Ihrer jetzigen Anlagetätigkeit sind Sie auf eigentümergeführte Unternehmen respektive deren Aktien spezialisiert. Finden Sie solche im europäischen Finanzsektor?

Tatsächlich gibt es europaweit wenige Bankaktien, die diese Bedingung erfüllen. Es finden sich aber einige interessante Finanzdienstleister wie die Groupe Bruxelles Lambert, die beiden schwedischen Beteiligungsgesellschaften Investor und Kinnevik, der finnische Online-Kreditgeber Ferratum, die Schweizer Pargesa, die italienische Investmentgesellschaft Tamburi oder der italienische Asset Manager Azimut.

In Ihrem Fonds für Schweizer Entrepreneur-Titel macht der Anteil an Finanztiteln jedoch mehr als 20 Prozent aus. Ist das Angebot hierzulande grösser?

Die Schweiz ist ein Bankenland. Dadurch ist die Auswahl an eigentümergeführten Finanzdienstleistern tatsächlich in quantitativer und qualitativer Hinsicht sehr interessant.

«Selbst die winzigste Nachricht wirkt sich unmittelbar auf den Kurs aus»

An der hiesigen Börse gefallen mir die Compagnie Financière Tradition (CFT), an der wir uns erst vor einigen Monaten beteiligt haben, aber auch die Partners Group, VZ Holding, Swissquote und Vontobel.

Die CFT-Aktie machte jüngst tatsächlich einen «Freudensprung». Warum?

Die Marktkapitalisierung dieser Aktie ist mit rund 450 Millionen Franken relativ klein. Ausserdem hält Firmengründer Patrick Combes rund 70 Prozent der Firma. Die Liquidität ist entsprechend gering. Selbst die winzigste Nachricht wirkt sich unmittelbar auf den Kurs aus. Darüber hinaus durchlebt das Broker-Dealer-Geschäft, in dem die CFT tätig ist, einen riesigen Strukturwandel.

Inwiefern?

Es findet eine Konsolidierung statt, da auf Grund des technologischen Fortschritts und des Margendrucks immer weniger Unternehmen überleben können. Insofern besteht neben der aktuellen zyklischen Erholungskomponente auch eine Restrukturierungs- oder Übernahmefantasie.

«Der Titel profitiert von Übernahmespekulationen»

Davon profitiert CFT. Zudem sagte Patrick Combes unlängst, dass er lieber 25 Prozent an einem grösseren Unternehmensverbund halten würde als 70 Prozent an seiner vergleichsweise kleinen und tief bewerteten Firma CFT.

Können Sie das noch genauer erklären?

CFT hält einen Marktanteil im Broker-Dealer-Geschäft von 20 Prozent und hat eine Marktkapitalisierung von rund 450 Millionen Franken. Der Hauptkonkurrent, die britische ICAP, die ebenfalls einen 25-prozentigen Marktanteil hält, bringt eine Börsenkapitalisierung von 3,4 Milliarden Pfund auf die Waage. Kommt hinzu, dass die CFT sehr viel Cash in den Büchern hat und eine hohe Dividende zahlt. Dadurch profitiert der Titel derzeit von Übernahmespekulationen.

Wie unterscheiden sich schweizerische gegenüber europäischen Banktiteln?

Die grossen Schweizer Bankenwerte sind mittlerweile stark aufs internationale Wealth Management fokussiert. Folglich sind sie weniger vom Kreditzyklus abhängig.

«Man sitzt im gleichen Boot wie der Eigentümer»

Zudem sind die grossen Banken in Europa stärker aufs Retailbanking ausgerichtet. Natürlich würden die UBS und die Credit Suisse aus einem Aufschwung in Europa auch Vorteile ziehen, aber ob sie dann «outperformen»? Ich glaube nicht. Dann eher spanische, portugiesische und französische Grossbanken.

Was zeichnet eigentümergeführte Unternehmen ganz besonders aus?

Als Mit-Aktionär sitzt man im gleichen Boot wie der Eigentümer. In der Regel sind die Interessen damit gleichgerichtet. Es gibt keine versteckte Agenda. In anderen Unternehmen macht man immer wieder skurrile Erfahrungen mit dem CEO, der unter Druck steht, möglichst rasch einen hohen Return zu liefern. Wenn das nicht klappt, zieht er einfach weiter zur nächsten Firma.

«Unternehmer sind starke Persönlichkeiten und damit auch Überzeugungstäter»

Ich mag Unternehmensführer und -besitzer, die eine längere Sicht auf die Dinge haben und nicht dem Traum vom schnellen Geld nachhängen. Langfristigkeit und Kontinuität sind die Dinge, die zählen und die Möglichkeit, auch antizyklisch agieren zu können. Das kann nur ein Unternehmen tun, das den Komfort einer soliden Bilanz hat. Sonst ist man einfach ein Sklave der jeweiligen Zyklen.

Es sind jedoch nicht alle Unternehmer erfolgreich.

Natürlich. Es gibt vereinzelt auch Pleitiers, Leute, die sich verzocken. Unternehmer sind immer starke Persönlichkeiten und damit auch Überzeugungstäter. Da können Qualitäten und Fehler nah beieinander liegen. Man kann betriebsblind werden oder beratungsresistent.

«Ich will nicht einen Klotz am Bein haben»

Manche Unternehmer glauben, übers Wasser gehen zu können. Einige von ihnen sind allzu opportunistisch, anderen bedeutet das viele Geld nichts mehr, so dass sie grosse Chancen verpassen. Oder sie sind zu konservativ. Ich habe schon so vieles gesehen. Mittelfristig zeigt sich jedoch, dass eigentümergeführte Unternehmen eine überdurchschnittliche Rendite abwerfen.

Würden Sie nicht auch gerne in Private Equity, also in nicht-kotierte Unternehmen, investieren wollen?

Nein. Das ist ein anderes Geschäft, mit anderen Firmen und anderen Sorgen. Ich geniesse die Liquidität und die Tatsache, bei kotierten Titeln rein und raus gehen zu können – wann immer ich will und nicht noch eine Ewigkeit einen Klotz am Bein haben. Ich will relative Performance.


Birgitte Olsen ist Senior Portfolio Managerin für europäische Aktien. Sie arbeitet sei 2008 bei Bellevue Asset Management. Zuvor war sie unter anderem für Vontobel sowie für Generali tätig. Heute ist sie für die Anlagefonds BB Entrepreneur Europe (inklusive Europe Small) sowie BB Entrepreneur Switzerland sowie für institutionelle Mandate verantwortlich. Die gebürtige Norwegerin, die in Genf aufwuchs, verfügt über einen Abschluss der Universität St. Gallen und ist CFA-Chartholder.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.88%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.35%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.66%
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