Julius-Bär-Chef Boris Collardi gibt «seiner» Bank den Feinschliff. Doch eigentlich würde es einen Befreiungsschlag brauchen. Dafür hat er sich schon mal zwei Verbündete zugelegt.

Mit Barend Fruithof in der Schweiz und Jimmy Lee in Singapur hat Boris Collardi (Bild) jüngst gleich zwei Topshots engagiert. Man kann über den Leistungsausweis der beiden Banker geteilter Meinung sein. Die weitere Entwicklung des Hauses werden sie massgeblich beeinflussen.

Denn auf ihrem jeweiligen Gebieten verfügen sie über das nötige Etwas, das nun umso wichtiger wird, da Boris Collardi zunehmend unter Zugzwang gerät. Wie gross der Druck oder zumindest die Nervosität ist, zeigt sich allein schon daran, dass in Teilbereichen der Bank laufend reorganisiert, was auch die jüngste Personalie in der Marktregion Nahost von heute Mittwoch illustriert.

Kosmetische Eingriffe

Konzernchef Collardi, dem man in den vergangenen Jahren tatsächlich keinen schlechten Job unterstellen kann, weiss aber selber, dass es mit diesen kosmetischen Eingriffen nicht getan ist. Vielmehr benötigt er einen Befreiungsschlag, und zwar aus mehreren Gründen.

Die Übernahme des internationalen Wealth-Management-Geschäfts von Merrill Lynch ist abgeschlossen, der Wachstumsmotor in Asien stottert, was wiederum die Ziele beim Neugeld-Zufluss in Frage stellt, und die Rentabilität des Geschäfts in der Schweiz könnte höher sein – was auch auf eine gewisse Selbstzufriedenheit unter jenen Kundenberatern zurückzuführen ist, die es bis heute geschafft haben, im Sold der Bank zu stehen.

Weniger Wert

Das alles veranschaulicht der Kurs der Julius-Bär-Aktie, der seit Sommerbeginn nicht weniger als 20 Prozent an Wert eingebüsst hat und so auch als Akquisitionswährung weniger attraktiv ist. Kommt hinzu, dass Collardi den Anlegern derzeit keine griffige Investment-Story aufzutischen hat. Im Gegenteil, alles hat sich etwas festgefahren, und als Damoklesschwert hängt erst noch der offene Ausgang des Steuerstreits mit den USA im Raum – respektive steht die Höhe der Busse noch (immer) nicht fest.

Unter diesen Prämissen kommt den beiden Neuzugängen Fruithof und Lee eine wesentlich höhere Bedeutung zu als bisher vermutet. Diese Bedeutung ist allerdings bei diesen Bankern höchst unterschiedlich.

Kopfschütteln in der Branche

Tatsächlich löste die Ernennung des früheren Clariden-Leu- und Credit-Suisse-Managers Jimmy Lee in der Branche einiges Kopfschütteln aus, da der Mann nicht dafür bekannt ist, in der Vergangenheit die grossen Portfolios verwaltet zu haben, sondern sich eher in organisatorischen Belangen bemerkbar machte.

Doch nun ist die Lage anders, denn Lee ist ein gebürtiger Singapurer, der in diesem Stadtstaat bis in die höchsten Chargen vernetzt ist. Und genau das braucht Julius Bär: Eine Galionsfigur, um in Asien neue Geschäfte anzubahnen sowie eine allfällige Übernahme zu tätigen.

Trend zur Lokalisierung

Das Engagement von «lokalen» Chefs bei Schweizer Finanzinstituten in Asien ist ein neuer Trend, der einerseits der wachsenden Bedeutung dieses Marktes gerecht wird, andererseits aber auch dokumentiert, dass beste Beziehungen zur Regierung, zum Regulator und zu den lokalen Opinion Leaders unerlässlich sind. Oder auch anders ausgedrückt: Swissness allein reicht nicht mehr.

Mit Edmund Koh als Länderchef in Singapur unterstreicht auch die UBS, wie wichtig es geworden ist, einen «Lokalen» an der Spitze zu haben; und im Kleineren macht dies auch die Bank Vontobel mit ihrem «Lokalen» namens Alex Fung in Hongkong vor.

Einen, der aus dem «regionalen» Holz geschnitzt ist, hat sich die Bank Julius Bär nun mit Jimmy Lee in ihrem wichtigsten Wachstumsmarkt zugelegt. Das sind vermutlich die Leute, welche eine internationale Bank in der «neuen Normalität» weiterbringen können.

Aufholpotenzial in der Schweiz

Nicht gleich, aber ähnlich, verhält es sich in der Schweiz. Mit Barend Fruithof tritt ein dynamischer und fordernder Chef an, der sich mit seiner direkten Art nicht nur Freunde im Hause machen wird.

Vor allem wird die unter manchen Kundenberatern noch existierende «Wine-and-Dine-Attitüde» schneller verschwinden, als manche es vermuten dürften. Denn Fruithof kennt mit seinem vielseitigen Background als Banker auch die betriebswirtschaftlichen Stellschrauben, um einen Betrieb in Schwung zu bringen – und dahinter verbergen sich klare ökonomische Ziele.

Ein gesättigter Markt

Genau das ist nötig, damit die Bank Julius Bär in ihrem (ersten) Heimmarkt auch morgen Erfolg hat. Denn es ist heute eine Tatsache, dass ihr Marktanteil wie auch ihr Bekanntheitsgrad in der Schweiz unterdurchschnittlich sind, und dies erst noch in einem Markt, der schon gesättigt ist. Dies muss sich ändern, soll das, was sich hinter dem Kürzel «JB» verbirgt, wirklich rentabel sein.

So liesse sich dann auch eine Akquisition besser in Betracht ziehen. Mit ihrer Erfahrung sind Fruithof und Lee auch in der Lage, potenzielle Übernahmeziele realistisch und emotionslos zu beurteilen. Darauf ist Boris Collardi letztlich angewiesen. Alles andere ist Beigemüse.

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