Zu seinem Prozess in Bellinzona ist der mutmassliche Datendieb Hervé Falciani nicht erschienen. Dafür ist er demnächst Stargast an einem Anlass ennet der Schweizer Grenze – mit Genfer Polit-Prominenz.

Es war zu erwarten gewesen: Zum Prozessauftakt vom letzten Montag vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona war Hervé Falciani (Bild) nicht erschienen.

Die Bundesrichter wollten den Ex-Angestellten der HSBC Privatbank in Genf unter anderem zum Vorwurf der Bankgeheimnis-Verletzung und des wirtschaftlichem Nachrichtendienstes anhören. Nun muss der Prozess auf den 2. November vertagt werden – immer in der Hoffnung, dass der international zur Verhaftung ausgeschriebene mutmassliche Datendieb doch noch erscheint.

Viel gewisser ist indes, dass der Franko-Italiener Falciani am 28. Oktober an einem Anlass ganz anderer Art erscheinen wird. Und das pikanterweise in unmittelbarer Nähe der Schweizer Grenze, im französischen Divonne.

Schweizer Organisatoren

Im dortigen Casino tritt Falciani nämlich all Stargast der Journalismus-Tagung «Investigativer Journalismus zu Zeiten von Wikileaks» auf. Die Organisatoren stammen dabei ausgerechnet aus der Schweiz: Es sind der Club suisse de la presse in Genf respektive der Schweizer Journalisten-Verband Impressum.

Wir aus der Einladung hervorgeht, werden die Teilnehmenden von Genf aus per Shuttle über die Grenze nach Divonne gebracht, wo sich Falciani bei seinem Auftritt in Sicherheit wiegen darf. Das Programm sieht zudem vor, dass sich der selbsternannte «Whistleblower» vor versammelten Publikum von einem Investigationsreporter der italienischem Tageszeitung «Il Sole-24 Ore» interviewen lässt.

Bürgermeisterin grüsst

Nicht nur Medienvertreter werden an den Anlass mit dem umstrittenen Stargast pilgern. Die Begrüssung der Gäste übernimmt keine geringere als Esther Alder, ihres Zeichens Bürgermeisterin von Genf.

Damit scheint zumindest die Genfersee-Region für einen Oktobertag lang Kopf zu stehen. 2008 war Falciani Hals über Kopf aus der Rhonestadt geflüchtet, nachdem ihn dort die Behörden zu den bei der HSBC entwendeten Daten vernommen hatten. Ein Genfer Staatsanwalt war es dann auch, der Anfang 2015 nach Bekanntwerden der «Swiss Leaks»-Affäre gegen die HSBC ermittelte – und die Untersuchungen schliesslich gegen eine Busse von 40 Millionen Franken einstellte.

Heikle Doppelrolle

Dass nun eine hochrangige Genfer Politikerin an einem Anlass teilnimmt, der Falciani recht offensichtlich in der Rolle des selbstlosen Whistleblowers feiert, dürfte nicht wenigen im Swiss Banking sauer aufstossen. Dies umso mehr, als die Reputation der Schweizer Banker aufgrund von «Swiss Leaks» dermassen unter Druck geriet, dass sich sogar die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) zur Schadensbegrenzung genötigt sah.

Falciani sieht sich derweil weiter in einer Doppelrolle gezwängt: Von der Schweiz zur Fahndung ausgeschriebener mutmasslicher Datendieb, in zahlreichen Ländern jedoch gefeierter Whistleblower. Die Behörden von Spanien, Belgien, Grossbritannien, Indien, den USA, Kanada, Australien, Irland und Griechenland nutzen die von ihm bei der HSBC entwendeten «Listen» für ihre Ermittlungen gegen Steuersünder. Argentinien wollte ihn gar als Dozenten einstellen.

Prozess in Abwesenheit

Währenddessen neigt sich die Geduld des Bundesstrafgerichts in Bellinzona ihrem Ende zu: Fehlt Falciani im November ein weiteres Mal, macht es ihm wohl in Abwesenheit den Prozess.

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