Chef der mächtigen Raiffeisen Schweiz ist er zwar nicht mehr. Dennoch hat Pierin Vincenz eine klare Meinung, wie das Swiss Banking die Strukturkrise übersteht. Die Blaupause dazu präsentierte er an einer Fachtagung.

Mehr als 15 Jahre lang hat Pierin Vincenz als Chef der mächtigen Raiffeisen-Gruppe den Schweizer Bankenplatz geprägt – wenn nicht sogar revolutioniert, wie finews.ch kürzlich urteilte. Von einem solchen Mann ist nicht zu erwarten, dass er nach seinem im letzten September erfolgten Abschied vom CEO-Posten das Swiss Banking einfach seinem Schicksal überlässt.

Im Gegenteil: Im Rahmen der vom deutschen Uhlenbruch Verlag in Zürich ausgerichteten «Jahrestagung Professionelle Kapitalanlage» skizzierte er am Mittwoch die «Erfolgsfaktoren für den Finanzplatz Schweiz». Zuhörer des von Vincenz mit der üblichen Verve vorgetragenen Referats erfuhren dabei ein denkwürdiges Déjà-vu-Erlebnis.

Die Zukunft, wie sie Vincenz sieht, folgt nämlich dem Weg, den er selber mit Raiffeisen eingeschlagen hat. Und Erfolg haben – ihm zufolge – jene Manager, die so führen wie er an der Spitze des «roten Riesen» Raiffeisen. Das sind die wichtigsten Denkanstösse:

1. Bauchentscheide braucht das Land

Die Transformation des Finanzplatzes ist in vollem Gang, stellte Vincenz gleich zu Anfang des Referats fest. Auch er selber wisse nicht, wie das Banking in fünf Jahre aussehen werde. Dennoch müssten Banken handeln – auch wenn das Ziel nicht zu erkennen sei. Dabei sei vorab Intuition gefragt. Nur wer blitzschnell entscheide, werde künftig das Rennen machen. Leider, so der Ex-Bankenchef weiter, ist diese Fähigkeit bei Bankmanagern selten geworden.

Als intuitive Beschlüsse – wenn nicht gar Bauchentscheide – erschienen zumindest Aussenstehenden viele Meilensteine in der Ära Vincenz bei Raiffeisen. Der Kauf der Privatbank Notenstein und der Aufbau einer Asset-Management-Einheit, die wechselvolle Partnerschaft mit der Zürcher Bank Vontobel, das Investment in den Derivate-Spezialisten Leonteq: alle diese Entscheide Vincenz’, trafen die Branche meist gänzlich überraschend.

Darauf ist der Top-Banker sichtlich stolz: «Notenstein kauften wir in zehn Tagen», blickte er am Mittwoch zurück.

2. Keine Zukunft ohne Wachstum

Ebenso klar ist für Vincenz, das nur jene Finanzunternehmen Zukunft haben, die sich dem Wachstum verschreiben. Wer nicht wachsen will, der fördert eine interne Kultur, bei der sich Anstrengungen nicht mehr lohnen, mahnte der Ex-Raiffeisen-CEO. Gesättigte Märkte seien eine Mär. «Da muss man halt der Konkurrenz die Kunden abjagen», so Vincenz.

Unaufhaltsames Wachstum: Auch das machte Raiffeisen in der Ära Vincenz vor. Die Genossenschafts-Gruppe wuchs unter ihm zur drittgrössten Schweizer Bank heran und expandierte im zentralen Hypothekargeschäft mit ungebrochenen Schwung. Dass die Währungshüter bei der Schweizerischen Nationalbank deswegen schon den Mahnfinger hoben und auf mögliche Risiken bei Raiffeisen hinwiesen – das bringt Vincenz damals wie heute nicht aus dem Konzept.

3. Das Bankgeheimnis ist tot

Retailbanker Pierin Vincenz pochte schon zu einem Zeitpunkt auf eine Weissgeldstrategie, als die Branche noch um das Thema lavierte. Das brachte ihm damals nicht wenig Feindschaft ein.

Auch am Mittwoch zeigte sich Vincenz bezüglich Bankgeheimnis kompromisslos: Der automatische Informationsaustausch mit den Behörden müsse auch im Inland erfolgen. Sonst gerate die Schweiz bald wieder auf eine Schwarze Liste. Äusserungen von Vincenz-Nachfolger Patrik Gisel zeigen, dass man bei Raiffeisen an dieser Position festhält.

4. Banker müssen zurück in die Politik

Um in der Zukunft bestehen zu können, so Vincenz weiter, müssen die Banken das Vertrauen wiederherstellen, das mit der Finanzkrise arg strapaziert wurde. Das habe auch über die Politik zu erfolgen. Denn dort erreiche man die Basis am besten.

Doch leider: «Meine Generation im Banking hat es verpasst, Leute in der Politik aufzubauen.» Umso grösser müssten jetzt die Bemühungen dazu sein. Immerhin – Raiffeisen gehört zu den Gründungsmitgliedern der «Gruppe Inlandbanken», die laut dem Ex-Chef inzwischen 60 Bundesparlamentarier hinter sich weiss.

5. Digitalisierung ist Macht

Die Digitalisierung werde nicht nur den Zahlungsverkehr, sondern auch das Retail- und Private Banking sowie das Asset Management grundlegend verändern, ist sich Vincenz sicher. Entsprechend müssten sich die Banken sputen, dem Trend zu gestalten. Dabei sei es besonders wichtig, dass die Finanzbranche Daten sammelt.

«Daten sind die Währung der Zukunft», so der Top-Banker. Und bedeuteten damit auch Macht. So seien etwa die USA drauf und dran, zur neuen «Daten-Grossmacht» heranzuwachsen, warnte Vincenz.

Den Titel der «digitalsten Schweizer Bank» hält Raiffeisen vorerst nicht. Doch mittlerweile hat die Genossenschaftsbank auch interne Strukturen für Fintech-Innovationen geschaffen – und ist etwa bei der Bezahl-App Paymit mit im Boot.

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