Bis vor wenigen Jahren galt es noch etwas, wenn eine Bank in ihrem Firmenlogo ihr Gründungsjahr angeben konnte. Das machte sich gut, besonders bei ausländischen Kunden, und bürgte für die einzigartige Solidität des Schweizer Bankwesens.

So schmückte sich die Ostschweizer Privatbank Wegelin nicht ohne Stolz mit der Jahreszahl 1741 und konnte so für sich in Anspruch nehmen, das älteste Geldinstitut der Schweiz zu sein – was doch einiges galt im Land von Heidi, der Schokolade und eben den Banken.

Ähnlich verhielt es sich mit der Zürcher Bank Leu, die als Gründungsjahr 1755 vorweisen konnte und dies selbst dann noch tat, als sie längst mit der Clariden Bank fusioniert und später in die Grossbank Credit Suisse integriert wurde.

Vermutlich die grösste Schmach

Auch der Zürcher Bank Hottinger (Bild oben) gefiel es – bis vor kurzem –, ihr Gründungsjahr 1786 herauszustreichen. Bis kurzem eben, denn dieses Institut gibt es nicht mehr. Es ging vorige Woche bankrott – wohl die grösste Schmach, die es für ein Finanzinstitut überhaupt gibt. Kommt dies doch dem Eingeständnis gleich, selber mit Geld nicht umgehen zu können.

Hottinger, Leu, Wegelin: Paradoxerweise gibt es alle drei erwähnten Institute, die sich so stolz mit ihrem Gründungsjahr schmückten, nicht mehr. Die Partner der Bank Wegelin hielten sich für «Überbanker», die der Illusion nachhingen, den USA ein Schnippchen zu schlagen, indem sie amerikanische Steuerflüchtlinge hofierten.

Inkompetente Manager – zerstrittene Familie

Die Manager der Bank Clariden Leu stellten sich dermassen imkompetent an, dass sie es fertigbrachten, eine mehr als 250-jährige Banktradition innert fünf Jahren – einem Fünfzigstel der Zeit – zu ruinieren. Die Überbleibsel verleibte sich der Grosskonzern Credit Suisse ein.

Im Fall von Hottinger schliesslich verwendeten die Mitglieder dieser Bankier-Dynastie offenbar so viel Energie darauf, untereinander zu streiten, anstatt ihre Aufmerksamkeit den epochalen Veränderungen in der globalisierten Finanzwelt zu schenken und so ihr Geldhaus den Anforderungen einer neuen Zeitrechnung anzupassen.

Eine Mahnung an die verbliebenen Privatbankiers

Insofern irrt etwa die «Neue Zürcher Zeitung», wenn sie die Bank Hottinger als ein «Opfer des Wandels» bezeichnet. Vielmehr haben es die elitären Verantwortlichen mit dem stolzen Namen Hottinger schlicht verschlafen, der Realität ins Auge zu blicken.

Das muss den verbleibenden Privatbankiers am Platz mehr als eine Mahnung sein. Wer jetzt noch die Hände in den Schoss legt, vom Speck der einträglichen Schwarzgeld-Ära zehrt und auf bessere Zeiten wartet, riskiert mehr als nur das «Business». Er setzt auch den Ruf der einstigen Königsdisziplin des Swiss Banking aufs Spiel.

Viele Versäumnisse

Schon geht das Wort um, dass die mit dem Silberlöffel im Mund geborenen Bankiers alle Segel streichen, sobald ihnen der Wind ins Gesicht schlägt. Und ihre Kunden gleich mit opfern.

In gewissem Sinne haben es in dieser Causa auch zahlreiche andere Vertreter des hiesigen Finanzplatzes sträflich versäumt, dieser schädlichen Entwicklung entgegen zu wirken. Wo waren die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma), die Schweizerische Nationalbank (SNB), ja das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) und natürlich auch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg), als es diesen und anderen wichtigen Bankinstituten in diesem Land in den vergangenen Jahren ans Eingemachte ging?

Grösse bedeutet auch mehr Macht

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es ist aus klassisch liberaler Sicht nicht Aufgabe des Staates, schlingernde und am Ende scheiternde Unternehmen zu retten. Doch lohnte es sich für diese Organisationen ab und zu doch, sich den Kollateralschaden zu vergegenwärtigen, den der Kollaps einer traditionsreichen Bank auf dem Schweizer Finanzplatz anrichtet.

Klar, in einem Fall hat man es getan, als die grösste Schweizer Bank, die UBS, offenbar kurz vor dem Ende stand – was allerdings einmal mehr beweist, dass Grösse auch mehr Macht nach sich zieht, selbst wenn man in höchster Not ist. So wurde die UBS gerettet. Der Rest ist Geschichte.

Kleinbanken unbeliebt?

Anders verhält es sich mit kleineren Instituten, die nie die Privilegien einer Schweizer Grossbank haben und somit auf sich selber gestellt sind – mit bisweilen fatalen Konsequenzen. Damit erhärtet sich der Eindruck, dass beispielsweise die Finma kleinere Finanzinstitute gar nicht mag, weil diese viel schwieriger zu kontrollieren sind und dies erst noch sehr viel mehr Arbeit macht. Natürlich ist dies eine bösartige Unterstellung. Doch sie kommt in Gesprächen mit Schweizer Bankchefs immer wieder zur Sprache.

Allerdings hätten sich auch andere Institutionen den schlingernden Instituten auf dem hiesigen Finanzplatz annehmen können. Wo steckte beispielsweise die Schweizerische Nationalbank, die der Credit Suisse immerhin vorwarf, zu dünn kapitalisiert zu sein? Offenbar war sie in den vergangenen Jahren so sehr mit der Schwächung des Franken beschäftigt, dass ihr andere bedrohliche Ungleichgewichte in der Branche schlicht entgingen.

Brancheninterner Dissens

Dass von der Schweizerischen Bankiervereinigung in all den Jahren kaum etwas Substanzielles zu vernehmen war, erstaunt nicht sonderlich. Der Dachverband der Schweizer Banken hat sich seit der Jahrtausendwende und dem sukzessiven Niedergang des Swiss Banking nie als agierendes, sondern bestenfalls als reagierendes Organ hervorgetan – brancheninternem Dissens sowie den eigenen Zukunftssorgen ausgesetzt, vermag dieser Verband sich gar nicht auf die Ebene einzelner gefährdeter Institut zu begeben.

Natürlich kann man einwenden, dass dies nicht Aufgabe der SBVg sei. Doch vor dem Hintergrund, dass es allen bisher erwähnten Interessensgruppen nicht egal sein sollte, was auf dem hiesigen Finanzplatz geschieht, wäre allenfalls ein präventiver Pragmatismus durchaus angebracht gewesen.

Erfolgsgeschichte weiterführen

Gerade für eine Branche, die dermassen vom Ausland respektive vom Gutdünken ausländischer Kunden abhängig ist, sollte es umso wichtiger sein, die jahrhundertealte Erfolgsgeschichte des Swiss Banking weiter zu führen, anstatt nur zuzusehen, wie Privatbanken der Reihe nach kollabieren oder verschwinden.

Was bleibt am Ende aus Sicht des Auslands auf den Schweizer Finanzplatz? Grossbanken, die von ihrem «Bankster»-Image partout nicht mehr loskommen, ein Bankgeheimnis, das gewisse politische Kreise hierzulande sukzessive demontieren und eine immer schwerere Regulierungslast für kleinere Institute.

Was bleibt – wenig

Antwort: Viel bleibt da nicht, was diesen Finanzplatz international noch auszeichnet. Und noch weniger, wenn nun auch die einstmals so stolzen Privatbanken reihenweise ihr Waterloo erleben.

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