Iwan Deplazes trennt sich nun doch von Mitarbeitern des übernommenen Fondshauses Swisscanto. Trotzdem will er in Stellen und neue passive Fonds investieren, wie er im Interview mit finews.ch erklärt.


Herr Deplazes, auf Ihrem Tisch steht ein Bloomberg-Terminal – das sieht man in einem Chefbüro selten. Trauen Sie Ihren Untergebenen die Überwachung der Märkte nicht zu?

Die Überwachung der Märkte ist unser Kerngeschäft. Da hat jeder seinen Teil zu leisten, auch ich.

Die Börsenlage war zuletzt nicht gerade freundlich. Wie schlug sich das Asset Management der Zürcher Kantonalbank (ZKB)?

Wir hatten in diesem Jahr ja nicht nur die Bewegungen an den Märkten zu meistern, sondern auch die Fusion mit Swisscanto. Letztere hat in der ersten Jahreshälfte viel Aufmerksamkeit verlangt. Ab September mussten wir uns dann voll den Börsenturbulenzen widmen. Punkto Performance sind wir zufrieden.

Aber...?

Bei der Harmonisierung der Anlageprozesse sowie in der Zusammenführung der Portfolio-Systeme stehen noch weitere Arbeiten an.

«Wir haben marktbedingte Einbussen erlitten»

Wie hat sich das auf die Vermögensbasis niedergeschlagen?

Bis Ende September haben wir marktbedingt Einbussen erlitten. Wir konnten jedoch rund 1 Millarde Franken an Nettoneugeld gewinnen. Insgesamt verwalten wir nun knapp 104 Milliarden Franken.

Das ist weniger als der Startwert von 105 Milliarden Franken anlässlich der Übernahme des Fondshauses Swisscanto letzten Dezember. Dass muss Sie stören, war doch gerade die Grösse ein Hautargument für die Fusion.

Im Gegenteil: Mit dem Zusammenschluss mit Swisscanto spielt der Faktor Grösse nun für uns. Das zeigt sich auch dadurch, dass wir bereits wieder Netto-Neugeld anziehen können. Ein Universalanbieter im Asset Management muss zwingend über eine gewisse Grösse verfügen. Dies einerseits wegen den immer komplexeren Märkten. Anderseits, weil der Margendruck zunimmt.

Die Beratungsfirma McKinsey hatte Swisscanto vor der Fusion auf Herz und Nieren geprüft. Ihr Schluss war eindeutig: Volumen, Ertrag und Gewinn zeigten nach unten. Konnten Sie den Trend umkehren?

Mit dem Zusammenschluss konnten wir Doppelspurigkeiten abbauen. Gleichzeitig hält der Trend an der Kundenfront zu Passivprodukten mit schmaleren Margen an. Wir bewegen uns damit exakt entlang unseren Erwartungen. Ich werte das positiv.

«Wir forcieren das Passivgeschäft im Retailbanking-Bereich»

Das Passivgeschäft, bei dem Finanzprodukte im Wesentlichen dem Markt folgen, hatte Swisscanto völlig verschlafen. Was unternehmen Sie dort?

Die Zürcher Kantonalbank verfügt zum Glück bereits seit fünf Jahren über eine bestens etablierte Indexproduktpalette für institutionelle Kunden. In der Liga, in der wir uns als grösster rein schweizerischer Fondsanbieter bewegen, müssen wir gezwungenermassen aktiv und passiv verwaltete Produkte anbieten.

So?

Durch unser Wissen im Indexbereich konnten wir uns viele Fähigkeiten in der Konstruktion von Portefeuilles sowie in der Abwicklung von Transaktionen aneignen. Beides brauchen wir, um im aktiven Fondsmanagement zu punkten. Entsprechend wollen wir das Passivgeschäft weiter forcieren – und das neu auch im Retail-Bereich, wo sich die ZKB bisher etwa auf Edelmetall-Produkte konzentrierte.

Sind konkrete Produkte in der Pipeline?

Der Entscheid zur Stossrichtung ist gefallen, mehr kann ich zurzeit nicht sagen.

«Der Standort in der Europa-Allee wird aufgelöst»

Die ZKB baut im Asset Management allerdings nicht nur aus: Letzten Juni wurde die Integration von Swisscanto abgeschlossen, und ZKB-Chef Martin Scholl betonte, die Bank habe bis dahin keine Kündigungen ausgesprochen. Wie viele der rund 400 Swisscanto-Angestellten haben Sie am Ende weiterbeschäftigt?

Wir sagten von Beginn weg, dass es beim Zusammenschluss auch personelle Überschneidungen geben werde. Wir versprachen aber auch, Lösungen mit den Betroffenen zu finden. Zurzeit besteht mit rund ein Dutzend Mitarbeitenden die Situation, dass trotz intensiver Begleitmassnahmen keine Lösungen gefunden werden konnten. Mit ihnen heben wir das Anstellungsverhältnis per April 2016 auf. Ebenfalls werden wir den Swisscanto-Standort an der Zürcher Europa-Allee auflösen.

Insider gingen davon aus, dass bis zu 100 Swisscanto-Angestellte überzählig sein würden. Ist dies jetzt erst der Anfang eines grösseren Abbaus?

Nein, davon gehen wir nicht aus.

«Das Asset Management ist bei der ZKB ein Wachstums-Case»

Umgekehrt: Stellen Sie in gewissen Bereich bereits wieder Personal ein?

Ja, wir haben seit der Fusion verschiedentlich in Personal investiert, so konnten wir Maurizio Pedrini von der Credit Suisse als Leiter Credit-Investments gewinnen. In diesem Bereich sind wir weiterhin auf Suche nach Personal. Damit unterstreichen wir klar: Das Asset Management ist bei der ZKB ein Wachstums-Case.

Wo sehen Sie Ihren Case denn mittelfristig?

Ob und wo wir Teams aufstellen, steht und fällt mit der Weiterentwicklung der Produktpalette. Derzeit sehe ich etwa im Bereich der alternativen festverzinslichen Anlagen viel Potenzial.

Natürlich müssen das auch Ihre Kunden so sehen. Warum wendet sich ein Investor ausgerechnet ans Asset Management einer Staatsbank?

Schweizer Kunden wählen uns, weil sie der Überzeugung sind, dass wir sie auf Grund unserer Swissness besser verstehen. Und sie erwarten von uns, dass wir bei sehr hoher Robustheit eine überdurchschnittliche Performance abliefern. Hingegen gelangen jene Kunden nicht an uns, welche ausschliesslich nach dem besten Anbieter in einer bestimmten Anlageklasse verlangen.

«Wir wollen nicht die Besten sein»

Ist das nicht ägerlich für Sie? Gerade im Asset Management will ja jeder der Beste sein.

Nein, wir wollen nicht die Besten sein. Stattdessen möchten wir in einer möglichst hohen Konstanz überdurchschnittliche Leistungen abliefern. Meiner Überzeugung zufolge ist der Top-Performer in einer Auswahl von zig Hunderten Fonds ein reines Zufallsprodukt. Konstant überdurchschnittlich sein – das können hingegen nur ganz wenige. Und das schreiben wir uns auf die Fahne.

Moment: Sie sind also stolz aufs Mittelmass? Ist nicht genau das der Grund, warum in der Schweiz das Asset Management nicht zum Fliegen kommt?

Ich sprach nicht von mittelmässiger, sondern von konstant überdurchschnittlicher Leistung, womit wir nachhaltig zu den Besten gehören werden. Der Grund, dass das Asset Management in der Schweiz bisher eine zu wenig starke Ausprägung erfahren hat, sehe ich darin, dass der Fokus teilweise zu wenig auf der Performance lag.

«Wir sind gegen angelsächsischen Starkult»

Weil die Kunden ja schon an der Steuerarbitrage verdienten.

Das Asset Management der ZKB wuchs mit den institutionellen Kunden. Dort mussten wir uns von Anfang an überlegen, wie wir in jedem Glied der Wertschöpfungskette für den Kunden das Optimum herausholen. Asset Management begreifen wir deshalb als sehr präzise, ja minutiöse Arbeit bis ins Detail – und nicht etwa als Starkult wie er teilweise im angelsächsischen Raum betrieben wird.

Aber Buchhalter Nötzli hat nicht gerade viel Sex-Appeal, oder?

Vielleicht versuchen wir es mit einem anderen Bild. Das Asset Management ist die Formel 1 der Vermögensbewirtschaftung. Es geht letztlich allein um Performance, also nach Kosten einen Mehrwert für den Kunden zu erwirtschaften.

In der Schweiz sind solche Autorennen schon lange verboten. Da ist es fast ironisch, dass die Asset-Management-Initiative, bei der Sie auch im Steering-Komitee sitzen, kaum vom Fleck kommt?

Nochmals: Die Schweiz hat beste Voraussetzungen für ein weltweit erfolgreiches Asset Management. Was die Förderung schwierig macht, sind die teilweise unterschiedlichen Auffassungen darüber, was denn genau erfolgreiches Asset Management ausmacht.

«Es müssen erst Grundsatzfragen geklärt werden»

Die Industrie weiss nicht, was sie will?

Wir haben Anbieter mit ganz unterschiedlichen Positionierungen. Um der Initiative neues Leben einzuhauchen – was wichtig ist –, braucht es erst eine Klärung in dieser Grundsatzfrage. Ohne diese Diskussion kann kein Branding betrieben werden. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird.

Sie selber hielten in Ihrer Karriere bislang an der Marke ZKB fest, einmal abgesehen von einem kurzen Abstecher zur Credit Suisse. Können Sie sich eine Berufung ausserhalb der Staatsbank vorstellen?

Das kann ich durchaus. Wenn aber ein Institut ein so klares Statement zum Asset Management abgibt wie die ZKB, dann gibt es keinen Beweggrund, einen Wechsel ins Auge zu fassen.


Iwan Deplazes stiess 1998 schon während des Studiums zum Fixed-Income-Bereich der Zürcher Kantonalbank (ZKB), von 2003 bis 2005 im Range eines Teamleiters. I Jahr 2007 kehrte er als Leiter des Institutionellen Asset Managements zur ZKB zurück, nachdem er zwischenzeitlich im Fixed-Income-Geschäft der Credit Suisse tätig gewesen war.

Im Juli 2007 übernahm er die Leitung des Asset Managements der ZKB und führt damit das im Dezember 2014 übernommene Fondsgeschäft von Swisscanto. Deplazes studierte an der Universität Zürich Wirtschaftswissenschaften und hät das Diplom für europäische Finanzanalysten und Vermögensverwalter CEFA. Zudem ist er Mitglied der Kommission für Institutionelle Vermögensverwaltung der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) und des Steering Committees der Asset-Management-Schweiz-Initiative.

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