Der UBS-Verwaltungsrat Bruno Gehrig über seine persönlichen Leitlinien beim Investieren, seine finanzpolitischen Sorgen und die Lage der Schweiz.

Für Bruno Gehrig stehen die Zentralbanken vor einer grossen Herausforderung. Sie müssen den richtigen Zeitpunkt für die Anhebung der Zinsen finden.

Technisch sei dies zwar einfach. Doch die Frage lautet, ob auch der politische Wille da sei, das Richtige zu machen. Denn gerade in der Schweiz bestehe zusätzlich das Problem der Wechselkurse, so Bruno Gehrig in einem Interview mit dem «UBS Investor’s Guide», einer Publikation für vermögende Privatkunden der Grossbank.

 


«Man wird wahrscheinlich etwas zu lang warten»

 


Bruno Gehrig weiss, wovon er spricht, war er doch früher selber Mitglied des Direktoriums und Vizepräsident der schweizerischen Nationalbank. Nach seinem Ermessen werden die Zentralbanken einen Kompromiss machen.

Realistischerweise werde keine Zentralbank das Risiko auf sich nehmen, den Aufschwung abzuwürgen. Darum werde man warten und wahrscheinlich etwas zu lang warten. Und dabei werde man wohl auch eine inflationäre Beschleunigung in Kauf nehmen.


«Drei, vier oder sogar fünf Prozent Inflation sind möglich»

Bruno Gehrig geht nicht von zehn Prozent Inflation aus. Aber drei, vier oder gar fünf Prozent hält er für möglich – auch wenn die Zentralbanken einen guten Job machen. «Die Leute wissen, die Konjunktur erholt sich nicht so schnell. Wir haben wohl das Ärgste hinter uns – jedenfalls in der Finanzwirtschaft. Es zeigt sich auch, dass die Inflationserwartung noch keine grosse Rolle spielt. Wir kommen aus einer ewig langen Zeit ohne Inflation – da steigen die Inflationserwartungen nicht so schnell, aber das kann sich rasch ändern» so Bruno Gehrig weiter.

Der UBS-Verwaltungsrat und frühere Wirtschaftsprofessor glaubt auch nicht an die Philosophie, dass man mit der Inflation die Staatschuld herunterbringt. Im Gegenteil, mit Inflation steige die Staatsschuld noch schneller. Die Märkte reagierten auf die inflationäre Beschleunigung mit einem Zinsanstieg, auch für die Staatschuld.


«Wir haben keine unnützen Konjunkturpakete»

Dennoch ist Bruno Gehrig bezüglich der Schweiz zuversichtlich: «Wir haben keine unnützen Konjunkturpakete, wir haben die Fiskalpolitik und Verschuldung in Grenzen gehalten – ich glaube, die Schweiz hat sehr wohl die Chance, gestärkt aus dieser Krise herauszukommen.»

Bezüglich seines persönlichen Portefeuilles nimmt der UBS-Verwaltungsrat eine grundsätzlich defensive Haltung ein. «Aber mit einem kleinen Teil meines Vermögens gehe ich sogar relativ aggressive Risiken ein. Diesen Teil kann ich auch verlieren. Dem Hauptdepot passiert nichts», so Gehrig weiter.


«Ökonomie ist eigentlich eine arme Wissenschaft»

Seiner Zeit als Wirtschaftsprofessor und Ausbilder steht Bruno Gehrig rückblickend erstaunlich kritisch gegenüber. «Wir sind extrem finanzlastig und viel zu quantitativ geworden», sagt der UBS-Verwaltungsrat.

Die Studierenden würden die Gesamtzusammenhänge nicht mehr verstehen und auch die Wirtschaftsgeschichte nur ungenügend kennen.

«Wir verstehen immer noch nicht so ganz den Unterscheid zwischen der Preisbildung an den Gütermärkten und an den Finanzmärkten. Wir wissen, dass Finanzmärkte zu Instabilitäten neigen, aber wir wissen viel zu wenig über die Ursachen. Indem wir uns mit der Wirtschaftsgeschichte und mit unüblichen Spezialfällen auseinandersetzen, lernen wir, dass Ökonomie eigentlich eine arme Wissenschaft ist, die immer wieder irrt.»


Bruno Gehrig, geboren 1946, wurde im Oktober 2008 in den Verwaltungsrat der UBS gewählt. Er ist Mitglied des Governance and Nominating Committee und des Human Resources and Compensation Committee. Von 2003 bis 2009 war Bruno Gehrig Präsident des Verwaltungsrates der Swiss Life Holding. Von 1996 bis 2003 amtierte er bei der Schweizerischen Nationalbank als Mitglied des Direktoriums, ab 2000 als dessen Vizepräsident.

Von 1992 bis 1996 arbeitete er als Professor am Institut für Banken und Finanzen der Universität St. Gallen. Gleichzeitig war er Mitglied der Eidgenössischen Bankenkommission (seit 1. Januar 2009 FINMA). Zwischen 1989 und 1991 war er Vorsitzender der Geschäftsleitung der Cantrade Private Banking Group. Bruno Gehrig arbeitete von 1981 bis 1989 bei der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft, zunächst als Chefökonom, danach als Leiter der Abteilung Börse und Wertschriftenverkauf Gesamtbank.

Bruno Gehrig studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bern, wo er auch seine Doktorarbeit schrieb. An der University of Rochester, New York, absolvierte er ein Nachdiplomstudium und erhielt die Ehrendoktorwürde. Ausserdem arbeitete er als Assistenzprofessor an der Universität Bern.

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