Die Frage nach der Vernunft im Banking werde kaum gestellt, stellt der Chef der IHAG Privatbank fest. Darum erläutert er im Interview mit finews.ch seine Definition und gewährt exklusiv einen Einblick in seinen ersten Kriminalroman.

Herr Stadler, Sie sind fast 30 Jahre in der Finanzbranche tätig. Was stört sie derzeit am meisten am Swiss Banking?

Zu meinen, mit Vorschriften Wohlverhalten fördern zu können. Das ist ein Irrtum. Mit Vorschriften lässt sich nur Fehlverhalten bestrafen. Und je mehr Vorschriften es gibt, desto stärker nimmt die Verantwortung des einzelnen Bankers ab.

Jeder hält sich peinlich genau an die Vorschriften und glaubt, alles was nicht verboten ist, sei erlaubt. Allzuoft sehen Banker darin sogar eine Strategie – ohne zu überlegen, was nun sinnvoll oder vernünftig ist. Diese Haltung ist bei vielen Bankern stark verankert. Die Frage nach der Vernunft im Banking wird kaum gestellt.

Wie definieren Sie denn vernünftiges Banking?

Es klingt komisch und womöglich auch etwas anachronistisch. Aber was zählt im Banking, ist nicht bloss der Gewinn – zumindest nicht der kurzfristige. Doch Gewinnstrebigkeit scheint das einzige Ziel der Finanzindustrie zu sein, und das ist des Teufels.

Getrieben wird dieses kurzfristige Gewinndenken nicht zuletzt von Managern, deren Wirkungshorizont in der Regel kaum über sechs oder sieben Jahre hinausreicht. Was danach kommt, interessiert sie nicht.

«Ich habe das Amt per Handschlag angenommen»

Ähnliches stellt man auch auf Aktionärsseite fest: So wollen ausländische Grossaktionäre bei Schweizer Grossbanken möglichst hohe Dividenden abschöpfen. Ob die Banken in zehn Jahren noch Universalbanken sind mit einer entsprechenden Grösse und Reputation, ist unwichtig.

Sie prangern das Managertum an, dabei sind Sie ja selber Manager.

Natürlich, aber ich bin Manager eines Familienunternehmens, dessen Eigentümer an einem nachhaltigen Geschäftsgang und einer möglichst langen Überlebensfähigkeit des Unternehmens interessiert sind. Diese Perspektive bringt automatisch einen ganz anderen Ansatz mit sich.

Vor 22 Jahren wechselten Sie von der Credit Suisse zur kleinen IHAG Privatbank, wo Sie nun seit 13 Jahren CEO sind. Was hat Sie damals eigentlich zu diesem Kurswechsel motiviert?

Ich arbeitete zu der Zeit am Hongkonger Standort der Credit Suisse und war kurz davor, nach Schanghai zu wechseln – ebenfalls für die Credit Suisse. Doch die Bewilligung der Bank of China verzögerte sich mehrmals. Ich traf dann zufällig den damaligen CEO der IHAG Privatbank in Zürich, der gerade einen Nachfolger suchte. Per Handschlag hab ich das Amt angenommen.

«Auf den passenden Joggingschuh kommt es an»

Von Haus aus sind Sie Jurist, haben aber nie diesen Beruf ausgeübt. Vielmehr sind Sie direkt ins Banking eingetaucht. Was fasziniert Sie bis heute an diesem Metier?

Zu erkennen und zu verstehen, was besser für den Kunden ist – auch wenn der Kunde womöglich eine andere Vorstellung im Kopf hat. Es ist wie beim Verkauf eines Joggingschuhs.

Man darf dem Kunden nicht blindlings glauben, wie er seine Leistung einschätzt. Vielmehr geht es darum, dem Kunden einen Joggingschuh zu verkaufen, der für seine «wahren» Bedürfnisse gemacht ist – genauso verhält es sich auch im Private Banking.

Was differenziert sich die IHAG Privatbank von der Konkurrenz?

Wir verstehen uns als kleine Universalbank mit der Haupt-Stossrichtung Private Banking und einem relativ starken Kreditgeschäft. Wir haben insgesamt rund eine Milliarde Franken an Ausleihungen in den Büchern, davon sind 400 Millionen Franken Lombard-Kredite. Der Rest sind mehrheitlich Hypotheken und Baukredite.

Damit nehmen wir eine einzigartige Position im Schweizer Privatbanken-Markt ein. Ich kenne keine Privatbank dieser Grösse, die ein solch umfassendes Kreditgeschäft führt wie die IHAG Privatbank.

Aber mit bloss rund fünf Milliarden Franken verwalteten Kundengeldern zählt die IHAG Privatbank zu den gefährdeten Arten auf dem Schweizer Bankenplatz.

Das könnte man meinen, aber wir sind profitabel unterwegs. Auch weil wir ein rentables Zinsgeschäft betreiben, das etwa 40 Prozent des Gewinns ausmacht. Weitere 40 Prozent stammen aus dem Kommissionsgeschäft und der Rest aus dem Handel. Wir haben seit der Gründung im Jahre 1949 immer Gewinne erwirtschaftet.

«Wir sind kein Family Office»

Das Erfolgsgeheimnis der IHAG Privatbank ist somit Diversifikation?

Dem ist so, und diese Strategie verfolgten wir von Beginn weg. Für kleine und mittelgrosse Privatbanken, die nur vom Kommissionsgeschäft leben und zugleich in den falschen Märkten positioniert sind, ist die Lage kritisch.

Fünf Milliarden verwaltete Kundenvermögen und insgesamt 110 Angestellte – das ist — mit Verlaub — eine eher schlechte Quote.

Ja, dem wäre so, wenn alle Angestellten im Private Banking angesiedelt wären. Aber wir betreiben wie erwähnt ein relativ starkes Kreditgeschäft. Entscheidender als die Höhe der verwalteten Gelder ist ohnehin das Geschäftsmodell.

Das beste Bespiel dazu bietet die UBS. Sie verwaltete während der Finanzkrise zig Milliarden Franken an Kundengeldern und musste letztlich doch vom Staat gerettet werden, weil ihr Geschäftsmodell zu riskant war.

Böse Zungen behaupten, die IHAG Privatbank sei das Family Office der beiden Eigentümerfamilien Anda und Bührle.

Das ist überhaupt nicht so. Die Familien Anda und Bührle sind wichtige Kunden, aber wir betreuen auch andere grosse Kunden. Die Eigentümerfamilien sind insgesamt verantwortlich für rund 9 Prozent unseres Jahresgewinnes.

«Oft handelt es sich um Problemkinder»

Wie hat sich Ihr Netto-Neugeldzufluss in diesem Jahr entwickelt?

Die Bereinigungsaktionen, die durch die Weissgeldstrategie notwendig wurden, haben eine deutliche Spur auch in unserer Bank hinterlassen. Viele Depots mussten wir aufgeben. Dennoch ist der Netto-Neugeldzufluss seit Jahresbeginn im dreistelligen Millionenbereich positiv.

Sie haben Ende 2013 die AKB Privatbank Zürich übernommen. Stehen weitere Akquisitionen an?

Wir sehen uns als aktiven Konsolidator und haben Appetit auf zusätzliche Kundengelder von bis zu 3 Milliarden Franken. Aber bei den Banken, die im Moment auf dem Markt sind, handelt es sich um Problemkinder. Deshalb stehen sie ja auch zum Verkauf – und das teilweise schon seit Jahren.

So betrachtet war die Übernahme der AKB für uns ein Glücksfall – sowohl kulturell als auch von der Qualität der Kundengelder her.

Wie sieht es mit externen Vermögensverwaltern aus?

Wir schauen uns immer wieder externe Vermögensverwalter an und haben auch das eine oder andere heisse Eisen im Feuer. Allerdings sind die Risiken in diesem Bereich nicht zu unterschätzen.

Inwiefern denn?

Die externen Vermögensverwalter sind in der Regel schlechter reguliert als Banken. Insofern kauft man sich womöglich Risiken ein, die man nicht will. Ich möchte aber auch betonen: Wir stehen seitens der Mehrheitsaktionäre nicht unter Druck, eine Akquisition zu tätigen.

«Wir werden unsere Strukturen anpassen»

Erhalten Sie auch Übernahmeofferten für die IHAG Privatbank?

Ja, die gibt es. Aber unser Hauptaktionär Gratian Anda gibt auf solche Kaufanfragen seit Jahren immer dieselbe Antwort: Nein.

Der Wert unserer Bank würde meiner Meinung nach in einem grösseren Konglomerat deutlich abnehmen. So wie wir aktuell aufgestellt sind, eigenständig und unabhängig, hat unsere Bank den grössten Wert.

Mehrheitsaktionäre bieten zwar Stabilität, gleichzeitig stellen sie aber auch ein Risiko dar, wenn die Erben ihre Anteile veräussern wollen – Stichwort Sika. Droht eine solche Gefahr auch bei der IHAG?

Bislang gingen die Generationenwechsel ohne Probleme über die Bühne. Sie haben aber recht: Bei Familienunternehmen besteht diesbezüglich ein Risiko. Die IHAG Holding wird denn auch in absehbarer Zeit eine veränderte Struktur erhalten, die dieser Problematik und vor allem dem Wunsch nach höherer Transparenz Rechnung trägt.

Sie beginnen täglich um halb sieben in der Früh mit Arbeiten. Wo holen Sie die Energie dafür?

Ich gehe regelmässig Joggen oder Velofahren. Und vor zwei Jahren habe ich mir ein zweimonatiges Sabbatical gegönnt, und zwar im Oberwallis. In dieser Zeit schrieb ich einen Kriminalroman.

«Ich habe schon als 16-Jähriger einen Krimi geschrieben» 

Und dürfen wir Ihr Werk lesen?

Das kommt noch, voraussichtlich gegen Ende des nächsten Jahres. Ich muss noch ein paar Handlungsstränge überarbeiten, bin aber wegen der Integration der AKB Privatbank Zürich und wegen des US-Steuerprogramms bislang nicht dazu gekommen. Da nun beides über die Bühne gegangen ist, bleibt mir mehr Zeit für die Überarbeitung.

Wie kommt ein Banker zum Schreiben?

Ich habe schon als 16-Jähriger einen Krimi geschrieben, ohne Absicht, diesen zu veröffentlichen. Er entstand unter dem Eindruck eines anderen Buchs. Ab und an nehme ich ihn hervor und amüsiere mich über die frühreifen Ansichten und Formulierungen.

Worum geht es denn in Ihrem aktuellen Werk?

Natürlich auch ums Banking. Die Geschichte handelt von einem recht komplexen Kreditgeschäft rund um einen russischen Eisbrecher. Auch das amerikanische Department of Justice kommt vor und selbstverständlich gibt es Tote. Das gehört zu einem Krimi.

Erfahrungen aus der IHAG Privatbank haben Sie auch verarbeitet?

Ja, aber nur so, dass es rechtlich unverfänglich ist. Es wird sich niemand in meinem Roman wiedererkennen. Die Verhaltensweisen von Menschen hingegen, die sind immer allgemeingültig.

Und weshalb ein Kriminalroman?

Krimis begleiten mich seit meiner Jugendzeit. Zudem habe ich eine Dissertation in Kriminologie verfasst. Die Kriminologie ist die Wissenschaft von der Faktizität des Verbrechens. Es geht um Fragen wie: Unter welchen Bedingungen entstehen Verbrechen? Oder: Was nützt Repression? Diese Dinge haben mich viele Jahre beschäftigt und tun es noch heute. 


Heinz Stadler ist seit 1995 für die Privatbank IHAG tätig. Zuerst als Verantwortlicher für Kommerz, Personal und IT und seit 2002 als CEO der in Zürich ansässigen Bank. Zuvor arbeitete der 58-Jährige für die damalige Schweizerische Volksbank (SVB) (heute Credit Suisse) als Leiter des Commercial Banking in Hongkong. Begonnen hat der promovierte Jurist seine Bankkarriere als Geschäftsstellendirektor für die SVB in Altdorf UR.

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