Die finnische Mobile-Bank Ferratum ist möglicherweise das heisseste Fintech-Unternehmen Europas. Der Erfolg von CEO und Gründer Jorma Jokela kann als Lehrbuch-Story für Startups herhalten. Hier sind die sechs Bausteine.

Der Mann hat eine Mission. Das ist am «Entrepreneur-Roundtable» von Bellevue Asset Management vergangene Woche rasch deutlich geworden. Jorma Jokela, Gründer und CEO der Mobile-Bank Ferratum, war als Interview-Gast an diesem Anlass in Zürich teilweise nur schwer in seinem Redefluss über sein boomendes Geschäft mit Mikro-Krediten zu bremsen.

Das machte nichts, denn Ferratum ist die Erfolgsstory im Fintech-Bereich. Das Unternehmen wächst rasant, zweistellig und ist hochprofitabel.

Disruptives Potenzial

Das Angebot von mobil erhältlichen Mikro-Krediten in der Höhe von 25 bis 3'000 Euro ist mittlerweile in 23 Ländern präsent – inzwischen auch in Kanada und Mexiko. Nächste Zielländer sind Türkei, Italien und auch die USA. Nicht aber die Schweiz, der Markt ist zu klein und wegen seiner drei Sprachen zu kompliziert für Ferratum.

Nach Konsumkrediten bietet die Mobile-Bank nun auch Darlehen für KMU an. Die Marktdurchdringung ist – abgesehen von Finnland – noch gering, das Potenzial riesig – disruptiv, wie es im Jargon heisst. Für Investoren eine heisse Story. Ferratum ist seit vergangenem Jahr an der Börse und Bellevue Asset Management ist mit dem BB Entrepreneur Europe Fonds beteiligt.

Eine mögliche Blaupause

Jokelas Erfolg als Unternehmer bietet einiges an Anschauungsunterricht für die Fintech-Szene, für Startups und potenzielle Firmengründer, die dem traditionellen Bankengeschäft das Fürchten beibringen wollen. Hier sind die Elemente, die als Blaupause dienen können.

1. Hast Du das Unternehmer-Gen?
Jorma Jokela ist kein Banker, er hatte nie etwas mit Banking oder Finance zu tun (ausser wenn er eine Firma verkaufte oder sie an die Börse brachte). Dafür ist der Finne Unternehmer – durch und durch.

Sein erstes Unternehmen gründete er mit 16 Jahren mit Veloersatzteilen. Die zweite Gründung folgte im Alter von 19: Jokela vermittelte in Helsinki IT-Spezialisten. Sieben Jahre später verkaufte er die Firma an ein Private-Equity-Haus. Nach einer kleinen Auszeit und Denkpause folgte 2005 Ferratum.

Jokela ist jetzt 36 Jahre alt, hundertfacher Millionär, aber letzterem scheint er nicht allzu grosse Bedeutung zuzumessen. Jokela macht nicht den Eindruck des geschliffenen Geschäftsmanns, vielmehr als einer, der seine Ideen mit Begeisterung realisiert und dabei Geschäftssinn beweist. Kurzum: Er hat das Unternehmer-Gen.

2. Think Big und lass Dich nicht beirren
Es sei von Beginn weg klar gewesen: Ferratum werde zu einer globalen Plattform ausgebaut, so Jokela. Den Weg dazu suchte er zunächst über Nokia, finnischer Konzern und damals der Handy-Hersteller mit dem weltweit grössten Marktanteil.

Nokia solle in seine Handys eine Funktion einbauen, welche per Knopfdruck die Geldvergabe erlaube, so sein Vorschlag. Nokia fand die Idee gut, doch der Bau einer solchen Plattform würde vier bis fünf Jahre dauern. Zu lange. Also machte Jokela es selber.

Zum Glück – wie sich im Nachhinein erwiesen hat. Nokia ist von der Bildfläche verschwunden. Dafür ist das Smartphone und das drahtlose Internet – all das gab es 2005 noch nicht wirklich– zum wichtigsten Transporteur der Ferratum-Expansion geworden.

Die Internationalisierungsstrategie setzt Jokela nach wie vor konsequent um. Der Börsengang vergangenes Jahr war eine logische Konsequenz, um das Wachstum weiter zu finanzieren.

3. Vergiss niemals deine Grundprinzipien
Jedes Angebot von Ferratum folgt drei Grundprinzipien. Es muss online und mobil erhältlich sein, es muss schnell gehen und die Bedienbarkeit der Funktionen muss einfach sein. Das war die Vorgabe 2005 und das ist sie noch heute.

Jokela demonstrierte es an dem Bellevue-Anlass gleich selber: Eine Konto-Eröffnung dauert bei Ferratum vier Minuten und 20 Sekunden. Die Kreditvergabe dauert 15 Minuten. Gebühren und Zinsen sind hoch – Jokela rechtfertigt sie durch die hohe Servicequalität.

Ein weiteres Grundprinzip: Bleibe deinem Kreditscoring treu. Ferratum lehnt 90 Prozent aller Kreditanfragen ab. Das dämpft zwar das Umsatzwachstum, aber auch die Ausfallrate.

4. Hüte dein Know-how und baue konsequent darauf
Ferratum verfügt über eine EU-Bankenlizenz, aber Jokela sagt, er habe 2005 eine Daten-Firma gegründet. Das wohl wichtigste Asset von Ferratum sind seine Daten und die Lern-Algorithmen.

Die braucht es, denn Ferratum kennt seine Kunden und ihr Verhalten nur durch die Spur ihrer Daten, die sie hinterlassen haben. Ein Algorithmus entscheidet, ob ein Kredit vergeben wird. Dafür werden jeweils etwa rund 10'000 Parameter anhand verfügbarer Daten gecheckt.

Ein Beispiel: Allein schon die Art und Weise, wie ein Kunde sein Ferratum-Konto eröffnet und den Antrag über die App stellt, gibt über die Kreditwürdigkeit Aufschluss. Anhand des Verhaltens des Kunden auf den diversen Social-Media-Plattformen schliesst der Algorithmus auf die Zahlungsmoral.

Mit dem Eintritt ins KMU-Kreditgeschäft musste ein neues Scoringmodell gefunden werden. Die Lösung: Der Ferratum-Algorithmus prüft die Cash-flow-Historie des Antragstellers. Laut Jokela gab es in diesem Geschäftsbereich noch keine Kreditausfälle.

5. Begegne den Risiken mit neuen Ideen
Jokela sieht Ferratum nicht als Disruptor, der den etablierten Banken das Kreditgeschäft streitig macht. Der Fokus auf die Nische ist das Erfolgsgeheimnis. Nicht der Anspruch, die Banken- und Kreditlandschaft umzupflügen.

Mit seinem Schatz an Kundendaten aus inzwischen 23 Ländern und der lernenden Plattform sieht Jokela darum jeder möglichen Konkurrenz relativ gelassen entgegen. Das Risiko eines Markteintritts anderer Datenriesen wie Facebook, Apple oder Google jagt ihm keine Furcht ein. Ferratum könne schneller agieren als diese Grossunternehmen und würde den Vorsprung nutzen.

Das Risiko stärkerer Regulierung im Konsumkreditgeschäft durch eine Obergrenze bei den Zinsen ist real und würde Ferratum wehtun. Auch damit rechnet Jokela und hat eine Lösung: Er würde neben den Zinsen eine Servicegebühr erheben.

6. Lass Dich vom Erfolg nicht beirren
Mit erst 36 Jahren ist Jokela mehr als ein gemachter Mann. Sein Aktienanteil an Ferratum ist über 300 Millionen Euro wert, die Firma ist an der Börse nach einem steilen Anstieg der Aktie von 60 Prozent über 600 Millionen Euro schwer. Der französische Asset Manager Carmignac hat sich gross eingekauft und hält 9 Prozent der Aktien.

Die Bewertung entspricht den Erwartungen – und möglicherweise auch dem Potenzial: Sehr hoch. Kein Wunder, interessiert die Investorengemeinde vor allem eines: Verkauft Jokela, reduziert er seinen Anteil? Das würde die Liquidität erhöhen, womit die Ferratum-Aktie investierbarer wäre.

Solche Fragen lässt Jokela im Raum stehen. Seinen Erfolg zu vergolden, interessiert ihn im Moment nicht. Geschweige denn, Ferratum ganz zu verkaufen. Jokela hat seine Ziele mit Ferratum noch nicht erreicht. Er werde auch die nächsten Jahre daran arbeiten, sagt er.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.23%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.96%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.4%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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