Als CEO will Boris Collardi nie ganz zufrieden sein. Denn wenn er sagen würde, alles sei super, würden sich seine Mitarbeiter nicht mehr anstrengen, befürchtet der Chef der Bank Julius Bär im Interview mit finews.ch.


Herr Collardi, die asiatischen Finanzmärkte haben ein schwieriges Jahr eingeläutet. Welche Auswirkungen hatten die Kurseinbrüche auf Julius Bär?

Eigentlich wusste man bereits, dass der Renminbi abwerten würde, dass die chinesische Börse hoch bewertet war und der Ölpreis auf Sinkflug ist. Fundamental gesehen kam da also nichts Neues auf uns zu. Die Kurseinbrüche von Anfang Jahr waren vielmehr der Ausdruck einer sich rasant verschlechterten Stimmung unter den Investoren.

Darum bin ich auch überzeugt, dass es schon bald zu einer Erholung kommt. Und vor diesem Hintergrund sind wir in Asien unter der neuen Leitung von Jimmy Lee bestens positioniert.

Warum kam es zu diesem Führungswechsel?

Der vorherige Asien-Chef Tom Meier äusserte schon im vorletzten Jahr den Wunsch, in die Schweiz zurückzukehren. Da wir langfristige Lösungen anstreben, haben wir schon damals begonnen, nach einem adäquaten Nachfolger zu suchen. Solche Leute finden Sie allerdings nicht im «Supermarkt». Da braucht es einigen Vorlauf und das Gespür, um an die richtige Person zu gelangen.

Was erwarten Sie vom neuen Asien-Chef Jimmy Lee?

Nach zehn Jahren unter der gleichen Führung schleicht sich etwas Gemächlichkeit ein. Da tun frische Kräfte Not. Jimmy Lee soll neue Energie bringen, ein neues Momentum setzen, neue Ziele für die Mitarbeiter formulieren und strukturelle Anpassungen vornehmen, um auf der nächsten Wachstumswelle zu reiten. Ausserdem bringt er ein neues Netzwerk ein, was der Bank ebenfalls gut tut. Ich wollte keine Revolution lostreten, sondern Voraussetzungen schaffen, die einerseits Anpassungen ermöglichen, gleichzeitig aber die bisherige Strategie grundsätzlich bestätigen.

Wobei Sie selber einräumen, dass das Neugeld in Asien noch üppiger fliessen könnte. Was haben Sie falsch gemacht?

Es ist nicht so, dass wir etwas falsch gemacht haben. Als Chef dürfen Sie nie ganz zufrieden sein. Wenn ich sagen würde, alles sei super, würden sich die Leute nicht mehr anstrengen. Darum muss man laufend neue Erwartungen formulieren.

Darum gelten Sie respektive gilt Julius Bär regelmässig als potenzieller Käufer anderer Banken?

Natürlich studieren auch wir die Dossiers jener Banken, die verkaufen wollen. Doch im Moment sehen wir mehr Opportunitäten, um organisch zu wachsen.

Was heisst das konkret?

In Asien gibt es immer mehr unzufriedene Bankmitarbeiter, die auf Grund von Reorganisationen, Einsparungen und anderen Veränderungen eine neue Anstellung suchen. Hier sehen wir ein enormes Potenzial, um unseren Fussabdruck zu vergrössern. Diese Art von Wachstum lohnt sich auf alle Fälle.

Wie häufig sind Sie in Asien?

Letztes Jahr war ich alle sechs bis acht Wochen in Asien. Wenn man diese Region als zweiten Heimmarkt bezeichnet, muss man auch eine gewisse Präsenz markieren. In diesem Jahr plane ich vier bis sechs Asien-Reisen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass wir im Verlauf der nächsten zwölf Monate sozusagen einen Paradigmenwechsel an den Finanzmärkten erleben werden.

Wie meinen Sie das?

In den vergangenen Jahren gewöhnten sich viele Kunden daran, dass die Märkte stetig steigen, genährt durch die diversen geldpolitischen Massnahmen der Zentralbanken. Doch nun zeichnet sich immer deutlicher ein Ende dieser staatlichen Interventionen am Markt ab. Das wiederum wird die Volatilität markant erhöhen.

Einen Vorgeschmack dessen haben wir in den vergangen Wochen bereits erhalten. Viele Anleger wundern sich über die jüngsten Einbrüche. Dabei sind Kursschwankungen von fünf bis zehn Prozent eigentlich normal. Sie gerieten in den letzten paar Jahre ganz einfach etwas in Vergessenheit.

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