Schuld am Sturz der Credit Suisse trägt vor allem der Verwaltungsrat unter Präsident Urs Rohner. Ein bestimmender Einfluss dieses Gremiums auf die Entwicklung der Bank ist nicht zu spüren. Rohners letzte Chance.

Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam sieht nach einem tiefroten Jahresresultat und einem katastrophalen vierten Quartal 2015 wie der Totengräber einer Bank aus, die er eigentlich zu neuer Stärke führen sollte.

Wie stark der Rückhalt für Thiam innerhalb der Bank nach nur sechs Monaten noch ist, dürfte ein entscheidender Faktor für die weitere Umsetzung der strategischen Massnahmen und Kosteneinsparungen in den nächsten Monaten werden.

Der zwölfköpfige Verwaltungsrat (VR) und sein Präsident Urs Rohner spielen in der  aktuellen Situation allerdings auch keine rühmliche Rolle. Die grosse Mehrheit der Mitglieder und Rohner selber tragen eine grosse Mitverantwortung für den Schlamassel, in welchem die Credit Suisse (CS) nun steckt.

Die Schwäche des Gremiums wird an verschiedenen Punkten sichtbar:

1. Brady Dougan an der langen Leine

Thiams Vorgänger an der Spitze der CS, Brady Dougan, lebte und atmete während 25 Jahren für die Bank. Die letzten acht Jahre als CEO, während denen ihn der VR an der ganz langen Leine führte.

Das funktionierte in der ersten Phase der Finanzkrise gut. Dougans Managementstil der raschen Entscheidungen navigierte die Bank weitgehend unbeschadet durch die Turbulenzen. Doch spätestens ab 2010 hätte sich angesichts des veränderten Regulierungsumfelds der bestimmende Einfluss des VR bermerkbar machen müssen.

Doch Dougan hielt am handelsorientierten und kapitalintensiven Investmentbanking zu lange fest. Die notorische Kapitalschwäche der Bank war seine ärgste Hinterlassenschaft.

2. Eine «carte blanche» für Tidjane Thiam

Die Ablösung an der Spitze der CS im vergangenen Sommer war gleichzeitig die totale Absage an die Strategie, die der VR die vorangegangenen Jahre noch mitgetragen hatte. Thiam und seine Berater, welche die Neuausrichtung der Grossbank sofort in die Hand nahmen, erhielten vom VR eine «carte blanche», wie aus CS-Kreisen zu hören ist. Thiams Pläne mussten akzeptiert werden, sonst wäre der französisch-ivorische Doppelbürger gar nicht nach Zürick gekommen.

Einmal mehr haben sich VR und Präsident Rohner einem CEO und seinem Management ausgeliefert, scheinbar ohne wesentlichen Einfluss auf die Ausarbeitung der Strategie der CS gehabt zu haben.

3. Zu wenig Banker

Im VR der CS sind im Prinzip nur zwei Mitglieder, welche über profunde und operative Banking-Erfahrung verfügen: Kai Nargolwala und Richard «Dick» Thornburgh. Sie haben ihre Karriere aber innerhalb der CS gemacht.

Noreen Doyle arbeitete 13 Jahre lang für die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Seraina Maag war Mitgründerin und Finanzanalystin bei der Neuen Zürcher Bank (NZB).

Finanzerfahrung hat auch Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani, allerdings mehr im Investment- und Private-Equity-Geschäft. Der Repräsentant des CS-Grossaktionärs, des katarischen Staatsfonds, ist bislang den Beweis schuldig geblieben, dass er mehr ist als das: Ein Vertreter von Aktionärsinteressen, vor allem auch was den Stellenwert der Investmentbank innerhalb der CS betrifft.

Präsident Rohner ist vielleicht das beste Beispiel für die mangelnde Banking-Erfahrung im VR: Gemanagt hat der Jurist ein Medienunternehmen, bevor er General Counsel bei der CS wurde. Sein Aufstieg zum Präsidenten der CS verlief über einen Umweg.

Dem Vernehmen nach erhob die Finma Einwände gegen Rohner, der als Nachfolger von Walter Kielholz vorgesehen war – weil er noch über zu wenig Bankenerfahrung verfügte. Hans-Ulrich Doerig übernahm das Amt für zwei Jahre, bis Rohner die «Reife» als VR-Präsident erreicht hatte.

4. Viele gescheite Köpfe – aber wo ist ihr Einfluss?

Der VR der CS ist keiner, den man spürt: Er bleibt seltsam unsichtbar. Sicher, das Gremium ist international zusammengesetzt und vereint Know-how über Grenzen hinweg. Mit Roche-CEO Severin Schwan und der frühere CEO von Bobst Andreas Koopmann sind Manager und auch das Schweizer Unternehmertum vertreten. Mit Seraina Maag, Noreen Doyle und Iris Bohnet wird die CS ihrem Anspruch auch im VR gerecht, den Frauen-Anteil in Top-Positionen zu erhöhen.

Bohnets Ernennung in den VR im Jahr 2012 hatte auch Erstaunen ausgelöst. Die Wirtschaftswissenschafterin hat einen Harvard-Lehrstuhl, wo sie über «Public Policy» doziert. Die Ernennung des früheren Google-Managers Sebastian Thrun im Jahr 2014 schien schon mehr Sinn zu ergeben. Seither äussert sich auch Präsident Rohner gerne über die digitalen Zukunftstrends im Banking.

Bei Jean Lanier und John Tiner drängt sich der Eindruck auf, dass diese VR-Mitglieder ihre Karriere bei der CS ausklingen lassen.

5. Der Einfluss von Katar

Der Staatsfonds von Katar ist mit knapp 5 Prozent des Aktienkapitals und weiteren 13,6 Prozent an Erwerbsrechten der mit Abstand bedeutendste Aktionär der Schweizer Grossbank. Entsprechend gross ist sein Einfluss auf die CS-Strategie – vor allem was den starken Stellenwert der Investmentbank betrifft.

Das zeugte nicht von Weitsicht. Denn die Schweizer Regulierungs- und Eigenkapitalbestimmungen waren schon lange die strengsten weltweit, wodurch spätestens ab 2012 gewisse Geschäfte im Investmentbanking so teuer wurden, so dass sie ihre Kapitalkosten nicht mehr verdienten. Die Altlasten sind durch die Milliardenabschreiber in der Investmentbank erst jetzt zu Tage getreten.

6. Die Rolle des Präsidenten

Die CS ist eine Schweizer Wirtschaftsinstitution und als solche haben sich deren Exponenten auch in wirtschaftlichen und politischen Fragen und Debatten zur Schweiz immer wieder geäussert.

Der jetzige VR-Präsident Rohner ist diesbezüglich blass geblieben. In den letzten zwei Jahren hat er sich mehrheitlich zu Regulierungsthemen und Fintech geäussert. Klare Meinungen und Äusserungen zu Themen wie der Frankenstärke, Einwanderungs- oder auch Standortpolitik in der Schweiz waren von ihm kaum je zu hören.

Die beiden letzten CS-CEO, Dougan und Thiam, konnten und können diese Rolle als Nicht-Schweizer nicht einnehmen. Rohner müsste dies vermehrt tun.

7. Wer forderte die Dividende?

Dass die CS dieses Jahr eine Dividende von 70 Rappen bezahlt, gleich viel wie in den vergangenen zwei Jahren, ist kaum nachvollziehbar. Die Ausschüttung geht zu Lasten des Eigenkapitals, dessen Decke nach den Milliardenabschreibern wieder gefährlich dünn geworden ist.

Man muss angesichts der vorangegangenen Kapitalerhöhung davon ausgehen, dass es die Grossaktionäre waren, die auf eine Dividende pochten. Aus Investorensicht mag die vom VR gewährte Ausschüttungspolitik attraktiv sein. Nicht aber, dass dafür das Eigenkapital herhalten muss.

Der Entscheid mutet umso riskanter an, als dass das Geschäftsumfeld für die CS alles andere als ermunternd ist und die Bank einer Grossbaustelle gleicht.

8. Die letzte Chance

Thiam ist angetreten, um die CS in den kommenden zwei Jahren umzubauen, stärker zu machen und aufzutrennen. Bislang hat sich der neue CEO durch seine Massnahmen für den Totalumbau der Bank zahlreiche Feinde innerhalb der CS geschaffen. Die miserablen Resultate sind für seine Gegner eine Bestätigung.

Thiam wird in den kommenden Monaten nicht nur die neue Strategie vorantreiben müssen. Er wird viel Zeit und Energie brauchen, um die politischen Ränkespiele in der CS zu bändigen. Ohne einen starken Rückhalt des VR und von Präsident Rohner ist dies nicht zu schaffen.

Vor allem Rohner muss sich sichtbar und vorbehaltlos vor Thiam stellen, soll dieser die CS aufspalten und die Schweizer Einheit an die Börse bringen. Scheitert Thiam, ist auch der jetzige VR mit Rohner vollends gescheitert.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.33%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.88%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.36%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
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