Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam hat schon viel bewegt. Doch angesichts des widrigen Umfelds im Banking muss er vielleicht schon bald wieder über die Bücher.

Es war eine Absenz, die Aufsehen erregte. Der für Präzision und Verlässlichkeit bekannte Finanzchef der Credit Suisse (CS), David Mathers, fehlte letzten Mittwoch an einer Investorenkonferenz der amerikanischen Bank J.P. Morgan in London.

Am Treffen, bei dem für gewöhnlich zugegen ist, was im internationalen Banking Rang und Namen hat, war die CS damit gar nicht vertreten. Das bestätigte die Grossbank gegenüber der Agentur «AWP». Gründe dafür nannte sie nicht.

Absenz mit Folgen

Dies hatte zur Folge, dass sich die Börsianer das Ihrige dazu dachten. Was hat die Schweizer Grossbank zu verbergen, dürfte die Frage gelautet haben, die sich die Händler stellten. Der Kurs der CS-Namenaktie gab zeitweilig um mehrere Prozente nach.

Und die Frage steht tatsächlich im Raum: Was wird aus CS-Chefs Tidjane Thiams ehrgeizigem Turnaround-Programm, wenn das extrem widrige Umfeld für die Bankbranche anhält?

Weit von der Realität entfernt

In den angelsächsischen Medien, die nie darum verlegen sind, Blössen bei Schweizer Finanzinstituten auszuspähen, ist die Meinung schon gemacht: Thiam muss bei seiner «Strategieanpassung» über die Bücher.

Das zumindest findet «Reuters»-Kolumnist Dominic Elliot in der «New York Times». Nach Kursverlusten der CS-Aktie von mehr als 40 Prozent seit letztem Oktober sei es an der Zeit, dass Chef Thiam seine Strategie überdenke. Insbesondere die Ziele für die einzelnen Divisionen hätten sich mittlerweile soweit von der Realität entfernt, dass sie kaum mehr zu erreichen seien.

Sparten in der Pflicht

Zur Erinnerung: Letzten Oktober setzte Thiam «seiner» Bank eine ganze Reihe von Messlatten: Diese umfassten unter anderem eine Steigerung des Vorsteuergewinns im Asiengeschäft von 0,9 Milliarden Franken im Jahr 2014 auf ganze 2,1 Milliarden Franken im Jahr 2018. Ebenfalls eine knappe Verdoppelung des Gewinns aus 2,1 Milliarden Franken wird von der Sparte International Wealth Management verlangt.

Bis 2018 muss zudem die neue Universalbank Schweiz ihren Vorsteuergewinn auf 2,3 Milliarden Franken erhöhen.

Zuviel Zerstörung?

Schon anlässlich des Jahresergebnisses 2015 vom vergangenen Februar gab finews.ch zu bedenken, dass Thiam der Grossbank möglicherweise zu viel schöpferische Zerstörung zumute. Mit dem freiwillig vorgenommenen Milliardenabschreiber entfernte sich die CS damals um weitere 2,95 Milliarden Franken von den Gewinnzielen für das Jahr 2018.

Ebenso stand die Frage im Raum, ob Thiam in seinem furiosen ersten Halbjahr mit der CS nicht schon zuviel Boden verloren habe, um seine Strategie noch plangemäss ins Ziel zu bringen.

Thiam sagte damals: «In den nächsten 35 Monaten werden wir unsere Strategie weiter diszipliniert umsetzen, um unsere angestrebten Ziele bis Dezember 2018 zu erreichen.» Gleichzeitig befahl er eine Beschleunigung der Restrukturierungs-Massnahmen.

Sergio Ermottis Warnung

Doch gerade in den letzten Tagen wurde klar: Was Banker im Februar erwarteten, ist im März schon wieder Makulatur. Unter Eindruck des äusserst schwierigen Umfelds gab beispielsweise Sergio Ermotti, seines Zeichens CEO der derzeit vor Kraft strotzenden UBS, einen Ausblick auf das ersten Quartal, der als Gewinnwarnung verstanden werden kann. Pikant: Er tat dies an derselben Konferenz, an der CS-Finanzchef Mathers hätte sprechen sollen.

Am selben Anlass kamen auch Warnungen von der Deutschen Bank, die sich wie die CS mitten im Umbau befindet. So sagte Chef John Cryan, dass das Jahr 2016 für das Institut allenfalls mit einem Verlust enden könnte. Um die CS blieb es still.

Iqbal Khans leise Zweifel

Einen Hinweis auf die Verfassung der zweiten Schweizer Grossbank lieferte indes Iqbal Khan, der CEO der ebenfalls mit ambitiösen Zielen befrachteten Sparte International Wealth Management.

Wie finews.ch berichtete, betonte der Sparten-Chef in einem Interview, dass die aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht in die Zielvorgaben einbezogen worden seinen. Dies könnte darauf hinweisen, dass Khan über die zeitgerechte Realisierbarkeit seier Ziele Zweifel hegt.

Die Situation anderer Banken, die vorsichtigen Äusserungen von CS-Top-Banker Khan: Das alles sind vorerst nur Indizien. Fest steht jedoch schon: Eine Revision der Strategie, wie sie angelsächsische Kommentatoren bereits fordern, käme für Thiam einem Gang nach Canossa gleich.

Klare Abmachung

Denn die hoch gesteckten Ziele sind als Versprechen untrennbar mit der Kapitalerhöhung verknüpft, die CS-Chef Thiam letztes Jahr so erfolgreich über die Bühne brachte. Die Abmachung ist dabei klar: Die Investoren bringen der CS rund 6 Milliarden Franken frisches Kapital. Dafür führt der gebürtige Ivorer die Bank zurück auf einen soliden Gewinnpfad.

«Liefert» Thiam nicht wie versprochen, sind die Konsequenzen kaum absehbar. Man darf deshalb gespannt sein auf die nächste Wortmeldung des CS-CEO. Anlässlich der Veröffentlichung des Jahresberichts am 24. März gäbe es dazu etwa Gelegenheit.

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