Er soll den Durchbruch für einen Fintech-Standort Schweiz schaffen: Der jüngst gegründete Verband «Swiss Fintech Innovations». Das Vorhaben ist löblich und begrüssenswert – wie die zahlreichen vorangegangenen Initiativen, Verbände und Veranstaltungen auch. Es liegt wohl an den Schweizer Eigenarten, dass die Wirkung beschränkt bleiben wird.

1. Die Schweiz ist eine Insel

Es ist zwar ein Clichée, aber es ist wahr. Die Schweiz ist – und in der gegenwärtigen Zeit umso mehr – eine Insel der Glückseligkeit. Die Innenwahrnehmung beherrscht das Denken und Handeln. Was aussen geschieht, wird aus sicherer Distanz beobachtet. Nur so lässt sich das bislang wenig koordinierte, mit vielen guten Absichten begleitete, aber letztlich wohl weitgehend wirkungslose Wirken in Bezug auf eine Entwicklung und Förderung des Schweizer Fintech-Standorts erklären.

Einen echten Weckruf hat hierzulande noch niemand vernommen. Dabei ist es wohl später als fünf vor zwölf, wie aus einer gerade veröffentlichten Fintech-Studie von Citigroup zu entnehmen ist. Die Disruption ist im vollen Gang, lautet ein Fazit daraus. Millionen von Bankern drohe die Arbeitslosigkeit.

2. Den Schweizer Banken geht es zu gut, und sie sind träge
 
Es geht zwar um Technologie im Finanzsektor, doch die wichtigsten Akteure in diesem Umfeld sind eher träge: die Banken. Konkret tun sich viele Geldhäuser nach wie vor schwer, Fintech als disruptive Kraft und Disziplin anzuerkennen; lieber bleiben sie an der Seitenlinie, harren der Ereignisse, die da auf sie einstürzen, geben sich stoisch, schauen sich um...

Das ist vermutlich historisch bedingt. Denn lange Zeit war es für viele Schweizer Banken gar nicht nötig, innovativ zu sein, lief doch das Geschäft – Private Banking dank Bankgeheimnis – wie geschmiert. Erst seit der Jahrtausendwende hat sich dies auf Druck des Auslands, namentlich der USA, geändert. Vermögensverwaltung erfindet sich seither neu – transparent, leistungsorientiert und mit mehr Kompetenz. Ähnliches spielt sich nun im Fintech-Bereich ab, und erneut fällt es den Finanzhäusern schwer, sich zu bewegen. Der neue Verband mit seinen nahmhaften Bankenmitgliedern könnte dies ändern.  

3. Der Kantönligeist rächt sich

Die föderalen Strukturen der Schweiz mögen zahlreiche Vorteil haben. Für einen Wettlauf gegen die Disruption im hiesigen Finanzwesen sind sie jedoch zumeist hinderlich. Hier ist geeintes Vorgehen und ein Anrichten mit der grossen Kelle gefragt. Das sind Dinge, die dem Schweizer «Kantönligeist» grundsätzlich zuwiderlaufen.

Ebenso zeigt sich, dass die Schweizer Fintech-Szene föderal gewachsen ist. Die ersten Start-up-Inkubatoren wurden etwa in Genf und Zürich lanciert – dazwischen lag bis vor wenigen Tagen der «Röstigraben».

Dass mit dem Verband Swiss Fintech Innovation und dem Kickstart Accelerator nun tatsächlich schweizweite Initiativen lanciert wurden, ist vor diesem Hintergrund eine Leistung. Die Frage ist, wie lange sie den föderalen Fliehkräften standhalten.

4. Die Behörden arbeiten strikt nach Vorschrift

Fintech-Jungfirmen beklagen immer wieder die mangelnde Förderung von staatlicher Stelle in der Schweiz – und reiben den zuständigen Stellen gerne die Leistungen der Bankenaufsicht in Grossbritannien oder Singapur unter die Nase. Tatsächlich lässt sich hiesigen Behördenvertretern vorwerfen, mit grosser Verspätung auf den Fintech-Trend reagiert zu haben.

So äusserte sich die Finanzplatz-Gruppe Aymo Brunetti erstmals letzten Sommer dazu; die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) lancierte erst vergangenen September ein Richtungspapier zum Thema und setzte dieser Tage nun neue Regeln inkraft, die Fintech-Geschäftsmodelle erleichtern sollen.

Finma-Direktor Mark Branson sagte im Interview mit finews.ch aber ganz klar: «Ob ein Fintech-Hub entsteht, entscheidet der Markt.» Für eine gezielte Förderung fehlt ihm das Mandat des Gesetzgebers. Bis sich dieser dazu durchringt, arbeitet die Finma nach Vorschrift.

5. Die Banken sind mit der Vergangenheit beschäftigt

Als in den USA und Asien die ersten Fintech-Unternehmen gegründet wurden, war es nur eine Frage der Zeit, bis die Fintech-Welle auch auf den Schweizer Finanzplatz überschwappt. Doch die hiesigen Banken mussten ihre Ressourcen primär für die Bereinigung von Altlasten – Stichwort US-Steuerstreit – einsetzen und tun dies teilweise immer noch. Damit handelten sie sich einen Rückstand ein. Zu dieser Einsicht ist inzwischen die Mehrheit der Banken gelangt. Ob dies genügt, den Rückstand wettzumachen, ist zweifelhaft.

6. Die alten IT-Systeme stellen (zu) hohe Hürden

Die Schweizer Bankindustrie spürte lange Zeit keinen Druck, IT-Systeme weiterzuentwickeln. Vereinzelt sind heute noch IT-Systeme aus den 1990er-Jahren im Einsatz. Erst als die Erträge der Finanzinstitute zu schwinden begannen und die Fintech-Industrie zunehmend als ernstzunehmende Disruptoren auf den Plan traten, laborieren die Banken an innovativen IT-Systemen.

Doch gilt es nicht nur, veraltete IT-Architekturen zu erneuern, sondern auch organisatorisches Silodenken sowie starre Entwicklungs- und Veränderungsprozesse aufzubrechen. Nur so kann es gelingen, den Kunden wirklich in das Zentrum der Vertriebsprozesse der Banken zu stellen.

7. Es gibt keine Risikokapitalkultur in der Schweiz

Mit einer guten Idee Millionen von Franken von interessierten Investoren einsammeln? Nicht in der Schweiz. Eine Startup-Finanzierung wie beispielsweise in Nordamerika oder auch in London existiert hierzulande nicht. Zahlen dazu? Bis 2014 flossen Schweizer Fintechs gerade mal 8 Millionen Franken Risikokapital zu. Inzwischen hat sich der Betrag erhöht, dank einigen punktuellen Finanzierungen in Startups, welche die erste Startphase bereits hinter sich haben.

In der Schweiz springen Investoren auf ein Startup auf, wenn dieses bereits die ersten Millionen an Umsatz erzielt hat. Fintech-Unternehmen fehlen schlicht die Finanzierungsmöglichkeiten – und damit auch die Möglichkeit, rasch zu investieren und zu wachsen. Eine Folge davon: Es fehlt der Fintech-Szene an Selbstvertrauen. Dieses zu fördern, muss auch eine Aufgabe des neuen Verbandes sein.

8. Die Fintech-Szene hat zu wenig Selbstdarsteller

Ist es ein Zufall, dass Oliver Bussmann bereits nach zwei Jahren als Chief Information Officer (CIO) sich von der UBS verabschiedet? Der Deutsche ist ein begnadeter Selbstvermarkter und feuert auf allen Social-Media-Kanälen. In der Szene wird er ehrfurchtsvoll als «Fintech-Evangelist» bezeichnet. Dass er damit nicht unbedingt zur biederen UBS passt, wurde offensichtlich.

Leute wie Bussmann findet man in der Schweiz sonst nicht. Auch nicht Selbstdarsteller wie Nick Hungerford, Gründer und CEO des Online-Wealth-Managers Nutmeg. Hungerfords Erfolg liegt in erster Linie darin, zig Millionen Dolllar Risikokapital eingesammelt zu haben. Wie erfolgreich Nutmeg damit wirtschaftet, weiss nur er. Oder Jorma Jokela, CEO und Gründer der Mobile-Bank Ferratum. Als der Finne kürzlich einen Auftritt in Zürich hatte, hingen ihm die Zuhörer an den Lippen. Welchem Schweizer «Fintech-Szeni» gelingt dies?

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