Die Hintergründe zum jüngsten Abschreiber in der CS-Investmentbank sind unklarer denn je. Präsident Urs Rohner scheint eine andere Wahrnehmung zu haben als sein CEO. Und warum wusste Timothy O'Hara nichts?

Der Vorfall hat das Vertrauen in das Management der Credit Suisse (CS) unterhöhlt: Händler in der Investmentbank-Abteilung Global Markets führten ein Handelsbuch mit hochrentierenden, aber illiquiden und riskanten Anlagen, die im vierten Quartal 2015 hunderte Millionen Dollar an Einbussen verursachten, im ersten Quartal 2016 abgeschrieben wurden und der CS einen weiteren Verlust einbrockten.

Knapp eine Milliarde Franken strich sich die CS insgesamt ans Bein. Zudem musste CEO Tidjane Thiam seine im Oktober 2015 verabschiedete Strategie bereits wieder korrigieren.

Erstaunen – und Fragen an den Präsidenten

Er sagte dazu, hätte er von diesen Positionen schon im Oktober gewusst, wäre in der Abteilung Global Markets eine andere Strategie gefahren worden.

Dass Händler eigenmächtig Milliarden von hochriskanten Anlagen in einem Buch führen können, ohne dass dies dem Management bei der Durchleuchtung der Bank bekannt geworden war, löste Erstaunen aus – und Fragen.

Fragen auch an Verwaltungsratspräsident Urs Rohner. Er antwortete gemäss Nachrichtenagentur «Reuters» am Donnerstag an einer Konferenz in Zürich: «Es hat keine 'blind spots' gegeben». Es seien keine Limiten für Handelspositionen überschritten worden.

Rohner sagte weiter: «Die Frage ist, wie gewisse Positionen auf einen gewissen Zeitpunkt bewertet werden, und für welchen Zeitpunkt welche Positionen wie gemanagt und gehandelt werden».

Nur eine Folge von Marktturbulenzen?

Damit sprach der CS-Präsident die bei solchen Anlagen übliche «Mark-to-Market»-Regel an, welche eine Bewertung nach dem aktuellen Marktwert verlangt. Mit anderen Worten: Hätten sich die Märkte im ersten Quartal 2016 beruhigt, stünden die Positionen möglicherweise noch heute im Buch.

Das ist eine zulässige Interpretation und Sichtweise Rohners, die aber den Vorfällen in der Global-Markets-Investmentbank möglicherweise nicht gerecht wird.

CEO Thiam jedenfalls hat den Vorfall anders – und auch selbstkritischer – beschrieben. Er sagte, die Händler hätten die Positionen in ihrem Buch eigenmächtig geführt und kaum jemand habe davon gewusst.

Das Wort Regelverstoss fiel nicht

Wörtlich sagte Thiam im Video-Interview mit der Nachrichtenagentur «Bloomberg»: «Es gab keine Transparenz im Zusammenhang damit. Dieses Buch hatte bereits einmal Probleme bereitet, es wurde reduziert, dann wieder aufgebaut, ohne das Wissen vieler Entscheidungsträger.»

Der Frage, ob Informationen zurückbehalten worden seien, wich Thiam im Interview aus. Doch hat auch er nicht von effektiven Regelverstössen gesprochen. Ansonsten unterscheiden sich Rohners und Thiams Aussagen erheblich.

Es ist erstaunlich, dass der Verwaltungsratspräsident als oberstes Aufsichtsorgan der Bank den Abschreiber auf eine falsche Handelsstrategie zum falschen Zeitpunkt zurückführt, während laut Thiam die Händler in der Investmentbank eigenmächtig handelten, also ganz offensichtlich zu hohe Risiken eingingen und dabei die Kontrollen versagten.

Auch hier: eine weisse Weste

So fühlt man sich an Rohners Aussage erinnert, er habe eine weisse Weste, nachdem die CS wegen Beihilfe zu Steuerbetrug in den USA verurteilt worden war und eine Strafe von 2,6 Milliarden Franken zahlen musste. Auch nun scheint der CS-Präsident die weisse Weste über den folgenschweren Vorfall überziehen zu wollen.

Es stellen sich in diesem Zusammenhang weitere unangenehme Fragen. Denn es war Teil der erklärten Strategie, dass die Investmentbank weiterhin in den Bereichen Credit und verbriefte Produkte tätig bleibt.

Doch genau in diesen Anlagen fielen die Abschreiber an: Vor allem Collaterized Loan Obligations (CLO) und Distressed Credit, hochrentierende, aber auch illiquide Anlagen.

Man wollte das Geschäft unbedingt behalten

Thiam hatte im Oktober diese Produkte noch verteidigt. Es sei möglicherweise riskanter, diese Bereiche abzustossen als sie weiterhin mit dem notwendigen Kapital zu versorgen.

Ein grosser Verfechter dieser Produktkategorie war auch Timothy O'Hara, der Chef von Global Markets. Er sagte im Oktober gemäss «Bloomberg», das Geschäft sei anhaltend hochprofitabel und sei für Kunden eines der wichtigsten Angebote in der CS überhaupt.

Timothy O'Hara wusste auch nichts

Angesichts dieser Aussagen des Chefs von Global Markets mag es nicht erstaunen, dass Händler sich ermutigt sahen, Handelspositionen wieder aufzubauen, die sie eigentlich hätten reduzieren sollen.

O'Haras Rolle und Wissensstand im Zusammenhang mit diesen Handelspositionen ist im Dunkeln. Doch betreffen die personellen Konsequenzen, die gezogen worden sind, ihn nicht.

O'Hara wusste nichts, bemerkte nichts oder er wurde getäuscht – ohne Konsequenzen für ihn. Die weisse Weste legt sich auch über O'Hara.

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