Der Abschreiber von fast einer Milliarde Dollar offenbart schwere Versäumnisse bei der Credit Suisse: erstens intransparentes Handeln in der Investmentbank, zweitens krasse Fehleinschätzungen.

Das vierte Quartal 2015 war schon fast ein Monat alt, und in den Märkten rumorte es bereits enorm, als Timothy «Tim» O'Hara, Chef Global Markets bei der Credit Suisse (CS), sagte, die Bereiche ‹verbriefte Produkte› und ‹Credit› seien «hochprofitabel – anhaltend und beständig profitabel».

Nur drei Monate später, am 4. Februar 2016, stellte sich dann genau das Gegenteil heraus: Die CS musste auf illiquiden Credit-Positionen insgesamt 633 Millionen Dollar abschreiben. Und nur einen Monat später erhöhte sich der Abschreiber um weitere 346 Millionen Dollar.

Insgesamt also schrieb die CS fast eine Milliarde Dollar auf Anlagen ab, die man kurz zuvor noch als «hochprofitabel» bezeichnet hatte.

Tidjane Thiam völlig überrascht

Die offizielle Erklärung für diese Abschreiber lieferte CS-Chef Tidjane Thiam. Die Positionen seien ohne das Wissen wichtiger Entscheidungsträger gehalten worden. Mehr noch: Er und namentlich Finanzchef David Mathers seien völlig überrascht gewesen über die Grösse und Höhe dieser illiquiden Handelspositionen.

Während es Thiam in seiner Erklärung tunlichst vermied, von Fehlverhalten, Regelbrüchen oder dem Vorenthalt wichtiger Informationen zu sprechen, drückte er indessen genau das aus: Dass nämlich diese Handelspositionen aufgebaut wurden, obwohl die Weisung bestanden hatte, diese zu reduzieren.

Kein Anfänger am Werk

Diese Vorgänge werfen ein denkbar schlechtes Licht auf die CS, denn sie torpedieren Thiams Anstrengungen, die Bank zu restrukturieren, um das Vertrauen der Investoren wieder zurück zu gewinnen. Und sie werfen ein Schlaglicht auf Investmentbanking-Chef Timothy O'Hara, der Kraft seiner Funkton diese Vorfälle recht eigentlich verantwortet. Dass ein langjähriger Fachmann so wichtige Geschäfte dermassen falsch eingeschätzt hat, ist und bleibt ein Rätsel. 

Der ‹Credit-Bereich› ist für den 52-jährigen Amerikaner O'Hara bleibe kein Gebiet, in das er sich einarbeiten musste. Er übernahm dessen Leitung zwar erst im vergangenen Oktober, doch in seinen vielen Jahren bei der CS – er arbeitet seit 1986 für die Schweizer Grossbank – verantwortete er bereits zahlreiche Sparten, wie die Global Securities, die High-Yield Capital Markets oder die Leveraged Finance. Man hat es hier also mit einem gestandenen Investmentbanker zu tun.

CS-Präsident liefert eine andere Erklärung

Umso mehr mutet es unverständlich an, dass die CS ein Handelsbuch geführt hat, ohne dass bei O'Hara oder bei der Risikokontrolle der Bank im vergangenen Jahr ein Warnsignal aufleuchtete. Oder anders formuliert: Wenn die Version der CS stimmt, wonach die fraglichen Positionen keine Limiten überschritten hätten, dann stellt sich unweigerlich die Frage, warum diese Limiten dermassen hoch angesetzt wurden – und vor allem: Wer dies veranlasst hat. 

Anfänglich schien es, die CS habe mit den Aussagen Thiams all diese Fragen im Keime erstickt – bis Verwaltungsratspräsident Urs Rohner überraschenderweise eine ganz andere Begründung für den Milliarden-Abschreiber lieferte. Dieser (Abschreiber) sei eine Folge davon, wie die entsprechenden Anlagen gehandelt und gemanagt worden seien, erklärte Rohner, wie auch finews.ch berichtete. Angesichts dieser Aussage hätte sich O'Hara ebenfalls einige kritische Fragen gefallen lassen müssen. Denn die angeblichen Händlerfehler lagen in seiner Verantwortung. 

Perfekte Verwirrungs-Taktik

Doch dazu kam es nicht. Vielmehr beeilte sich die CS nach den Aussagen Rohners, Thiams Erklärungsversion zu bekräftigen. Mit anderen Worten: Damit war die Verwirrungs-Taktik der Grossbank perfekt. Doch damit nicht genug. Am (gestrigen) Dienstag publizierte die Nachrichtenagentur «Reuters» einen Artikel, der O'Hara in den Fokus rückt.

Die Agentur zitiert– erstaunlicherweise – aus internen Mails von Thiam an seinen Untergebenen O'Hara. In diesen fordert der CEO Informationen über die betreffenden Handelspositionen an. Tatsächlich ist es äusserst seltsam, dass eine interne Mailkorrespondenz aus dem Top-Management einer Grossbank mir nichts dir nichts an eine britische Nachrichtenagentur gelangt.

Abstruse Argumente

Aufhorchen lässt dabei vor allem eine Passage aus dem anschliessend veröffentlichten «Reuters»-Bericht. Darin heisst es nämlich, die Mails hätten unter der Auflage eingesehen werden können, dass keine weiteren Details bekannt gegeben würden. Und noch abstruser erscheint der Umstand, dass die Kommunikationsabteilung der CS angeblich keine Kenntnis gehabt haben soll, wie die Mails von Thiam an die Adresse O'Haras zu «Reuters» gelangt sind, wie ein Sprecher gegenüber finews.ch beteuerte.

Dass die CS bisweilen höchst unkonventionelle Wege in ihrer Informationspolitik beschreitet, ist nichts Neues, seit für Thiam der britische PR-Mann und frühere Journalist John Murray arbeitet. Er war schon Kommunikationschef beim Versicherer Prudential, wo Thiam als CEO amtete, bevor er zur CS stiess.  Murray ist in London für seine bisweilen unzimperlichen Methoden bestens bekannt.

Was hat O'Hara wirklich gewusst?

Kommunikationsmässig setzt Thiam seit kurzem aber auch auf die einflussreiche Schweizer Kommunikationsagentur Hirzel.Neef.Schmid.Konsulenten, namentlich auf den langjährigen Finanzfachmann und früheren Mitarbeiter der CS, Jörg Neef. Wie unlängst finews.ch exklusiv berichtete, hat er den Auftrag, Thiams Image aufzubessern respektive zu pflegen. 

Der «Reuters»-Bericht hat zweifelsohne dazu beigetragen, Thiams Glaubwürdigkeit in der Sache zu festigen, da er den Angaben zufolge erst im vergangenen Januar von den entsprechenden Problem-Positionen erfahren haben soll. Anders sieht es für O'Hara aus, der gegenüber seinem obersten Chef einräumen musste, diese Positionen seien eindeutig zu hoch. 

Was also hat O'Hara wirklich gewusst? Das ist die Ein-Milliarden-Frage.

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