Eine Robo-Advisory-Lösung ohne Beratung habe im Private Banking kaum eine Chance, behauptet Luc Schuurmans im Interview mit finews.ch. Und im Retailbanking sei die Nachfrage vorläufig viel zu gering.

Herr Schuurmans, ist es nicht weit hergeholt, wenn eine Regionalbank auf die Idee kommt, ein Roboadvisor-Modell einzuführen?

Auf den ersten Blick könnte man dies meinen. Aber ein Vergleich mit anderen Branchen wie der Automobilbranche zeigt, dass dies nicht so weit hergeholt ist. Die ersten Elektro-Autos wurden ja auch belächelt – unterdessen gehören sie zum Alltag. Für die Lancierung von Bank Linth Invest sprachen gute Gründe.

Nämlich?

Erstens sind wir als regionales Institut in der Lage, auch dank der Zusammenarbeit mit unserer Mehrheitsaktionärin, der Liechtensteinischen Landesbank (LLB), innovative Lösungen in kurzer Zeit umzusetzen. Zweitens keine Bank im Anlagegeschäft kommt daran vorbei, die digitalen Möglichkeiten früher oder später in ihrem Beratungsprozess zu nutzen. Und drittens steigen die Anforderungen hinsichtlich Dokumentation und Information insbesondere auch von Seiten des Regulators ständig.

Haben Sie überhaupt die richtige Klientel dafür?

Für eine reine Robo-Advisory-Lösung ohne Interaktion mit unseren Anlageberatern trifft dies in der Tat nur ein Bedürfnis von wenigen Kunden. Genau deshalb geht unsere Lösung weiter: Sie verbindet die Vorteile von Robo-Advisory wie die automatisierte Risikoüberwachung mit einer persönlichen Beratung – ist also quasi eine Hybridlösung, um beim Bild des Autos zu bleiben.

«Das ist ähnlich wie bei einem Sportwagen»

Dies ist zugegebenermassen Neuland für uns. Aber die ersten Erfahrungen seit der Lancierung stimmen uns sehr zuversichtlich.

Potenzielle Kunden müssen eine Mindesteinlage von 100'000 Franken tätigen, um Ihr Hybrid-Angebot nutzen zu können. Ist das nicht viel?

Das ist ähnlich wie bei einem Sportwagen. Um die Funktionalitäten voll nutzen zu können, braucht es die richtigen Voraussetzungen: fahrerisches Können, die richtige Strecke und eine gewisse Flexibilität. Deshalb empfehlen wir die Nutzung dieser Lösung erst ab 100'000 Franken.

Sie bieten eine Mischform zwischen Roboadvisor und persönlicher Beratung an. Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Um bei der Analogie des Autofahrens zu bleiben: Wir bieten dem Kunden ein Fahrzeug, das technisch auf dem höchsten Stand der Entwicklung ist. Je nach Fahrkönnen und Wegbeschaffenheit unterstützen wir den Kunden bei der richtigen Einstellung – sozusagen dem Anlagetuning. Das Steuer hat der Kunde schliesslich aber immer selbst in der Hand, denn er fällt die Entscheidungen.

«Durch die hohe Flexibilität der Lösung steigen die Anforderungen an den Kundenberater»

Er hat bei uns die Gewissheit, dass seine Anlagen regelmässig überwacht werden, und er erhält von seinem Kundenberater oder via andere, digitale Kanäle Updates über Status und mögliche Anpassungen. Auf Wunsch kann er auch auf die Unterstützung von weiteren Experten zurückgreifen.

Da Anlagethemen oft komplex sind, war uns bei Bank Linth Invest eine ansprechende Visualisierung wichtig, zum Beispiel beim Risikomonitoring mit einem «Ampelsystem».

Droht bei diesem Angebot nicht die Gefahr, dass der Kundenberater zum Handlager des «Roboters» wird?

Im Gegenteil: Durch die hohe Flexibilität der Lösung steigen die Anforderungen an den Kundenberater. Die vom Roboter empfohlene Strategie beruht primär auf zwei Dimensionen: Auf der erwarteten Rendite und auf einer umfassenden Risikooptimierung.

«Der Lead bei der Entwicklung der digitalen Anlagelösung lag somit bei der LLB»

Die grosse Vielfalt des Anlageuniversums, multipliziert mit individuellen Kundenwünschen und ihren Anforderungen, machen den Auswahlprozess komplex und anspruchsvoll. Genau hier kommt neben der Rechnerleistung die Erfahrung und der Beratungsansatz unserer Kundenberater zum Zug.

Woher nahmen Sie das Know-how, um dieses Digital-Angebot zu entwickeln?

Wir beziehen unsere IT-Dienstleistungen von der LLB. Diese legt im Rahmen ihrer strategischen Ausrichtung ein signifikantes Gewicht auf innovative Digitalisierungslösungen. Der Lead bei der Entwicklung der digitalen Anlagelösung lag somit bei der LLB. Sie hat gleichzeitig mit uns ihre Advisory-Lösung lanciert, LLB Invest.

Digitale Bank-Angebote halten sich nicht an Regionengrenzen. Besteht nicht die Gefahr, dass Sie ab sofort die Angebotspalette Ihrer Muttergesellschaft kannibalisieren?

Wir sehen hier keine Gefahr. Zum einen sind die beiden Lösungen nicht überall identisch. So haben wir bei der Bank Linth zum Beispiel ein anderes Preismodell mit dem bekannten «Halbtax», das auch bei den neuen Anlageberatungslösungen zum Einsatz kommt. Zudem bestechen beide Lösungen auch durch ihre Beratungskomponente, wodurch die Nähe zum Kunden weiterhin ein sehr wichtiges Kriterium bleibt.

Was gibt Ihnen die Sicherheit, mit Ihrem Angebot nicht bloss einem Hype aufzusitzen?

Auch hier hilft der Blick in andere Branchen: Elektrische Fensterheber oder Seiten-Airbags waren früher bei Autos ein trendiges Feature, heute kann man sich ein Auto ohne sie nicht mehr vorstellen.

«Wir setzen mit unserem neuen Hybrid-Modell auf ein Langstrecken-Rennen»

Die Digitalisierung im Banking ist eine Tatsache, die nicht neu ist. Die Digitalisierung im Anlagebereich begann aber in der Schweiz erst in den letzten Jahren richtig an Fahrt zu gewinnen.

Die Entwicklung braucht Zeit, und das gesteigerte Marktinteresse kommt vor allem auch daher, dass mit der Regulationsdichte und der geplanten Einführung von Fidleg in den nächsten Jahren alle Banken hier digitale Lösungen brauchen.

Ob Roboadvisor-Angebote im Private Banking Sinn machen, ist umstritten. Hätten Sie als regional tätige Bank nicht eher ein digitales Angebot im Retailbanking anbieten sollen?

Im Private Banking sehe ich eine reine Robo-Advisory-Lösung ohne Beratung als Nischenprodukt. Im Retail Banking erachte ich die Nachfrage in den nächsten Jahren als zu gering, um von einem breiten Einsatz sprechen zu können.

Welche Ziele haben Sie sich in welchem Zeitraum mit Ihrem Angebot gesetzt?

Wir setzen mit unserem neuen Hybrid-Modell auf ein Langstrecken-Rennen, werden aber bei diversen Boxenstopps technische Updates vornehmen und Erkenntnisse aus dem bisherigen Rennverlauf einfliessen lassen. Eine Prognose zur «Platzierung» ist daher zum jetzigen Zeitpunkt mit zuviel Unsicherheit behaftet.


Luc Schuurmans leitet seit Anfang 2011 den Bereich Private Banking bei der LLB-Tochter Bank Linth. In dieser Funktion ist er auch Mitglied der Geschäftsleitung. Vor seiner Tätigkeit bei der Bank Linth war Schuurmans CEO der Firma Sherpa Outdoor. Von 2002 bis 2009 war er bei der BNP Paribas (Suisse) im Private Banking tätig, wo er die Geschäftsstelle Basel leitete.

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
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  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.4%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.61%
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