Nach der ersten Verwunderung: Wie kommt es, dass UBS-Schweiz-Chef Lukas Gähwiler seinen Posten einem deutschen Banker abtritt?

In seinem persönlichen Umfeld äusserte Lukas Gähwiler in letzter Zeit verschiedentlich die Absicht, beruflich noch etwas Neues anpacken zu wollen. Mehr als sechs Jahre leitete er die UBS Schweiz, nachdem er dem Ruf des damaligen UBS-Konzernchefs Oswald J. Grübel gefolgt war – beide hatten sie zuvor bei der Credit Suisse gearbeitet, wo sie ein spezielles Verhältnis zueinander hatten.

Gähwiler hatte seinem Vorgesetzten bei einer früheren Beförderung schon mal einen Korb gegeben, was Grübel zwar enttäuscht, aber seinen Respekt für Gähwiler massiv erhöht hatte. So begegnete man sich immer auch mit einer Prise Schalk, etwa wenn Gähwiler mit seinem Peugeot 406 aus der Bankgarage fuhr und ihm Grübel nachrief: «Gähwiler, kaufen Sie sich endlich einmal ein anständiges Auto.»

Ein echter Verschleissjob

Als sich Grübel als UBS-Chef dann wieder bei Gähwiler meldete, wusste dieser, dass er seinem früheren Chef kein zweites Mal absagen konnte. So stiess Gähwiler zur UBS, die gerade ihre grösste Krise durchmachte, wurde Schweiz-Chef und trug massgeblich dazu bei, dass diese Bank in ihrem Heimmarkt wieder auf Vordermann kam.

Dass dies ein Verschleissjob ist, liegt auf der Hand. Doch ungeachtet dessen schaffte es Gähwiler, dass es alsbald seine Abteilung war, die rund die Hälfte des Konzerngewinns erwirtschaftete. Eine Zeit lang tat er sich schwer damit, dafür nicht die entsprechende Anerkennung oder zumindest Beachtung zu finden; eher stand die UBS auf Grund ihrer Aktivitäten in der internationalen Vermögensverwaltung oder im Investmentbanking im Fokus.

Im Haifischbecken der Bank

Dabei gab es allerhand, das der Ostschweizer Gähwiler auf die Reihe brachte. Zunächst gelang es ihm, das Vertrauen der Klientel zurückzugewinnen, die sich auf Grund der internationalen Exzesse der früheren UBS-Führung von der grössten Bank der Schweiz abgewendet hatte. Gleichzeitig steigerte er laufend die Profitabilität, liess die Filialen erneuern und digitalisierte frühzeitig das Geschäft.

So stieg die Zufriedenheit der Klientel wieder, und die Akquisition neuer Kunden nahm ebenfalls zu. Das alles in Rekordzeit, verbunden aber auch mit der Erkenntnis, dass man es in einem solchen Job nicht immer allen recht machen kann. Mit anderen Worten: Bisweilen war Gähwiler auch isoliert – im Haifischbecken der Bank.

Eine Parforce-Leistung

Sein Meisterstück war die Einführung der neuen rechtlichen Struktur der UBS in der Schweiz; ein gigantisches Vorhaben – manche sprechen auch von einer Parforce-Leistung –, an dem insgesamt mindestens 2'000 Leute arbeiteten und die Bank zu einem Unternehmen machten, das nie mehr so wie im Herbst 2008 mit Steuergeldern gerettet werden müsste.

Mit dem Erreichten machte sich in den vergangenen Monaten bei Gähwiler tatsächlich auch zunehmend das Gefühl breit, einen Schnitt zu machen und der eigenen Lebensplanung neue Qualität zuzuführen, zumal Gähwilers drei Kinder noch in einem Alter sind, in dem sie mit den Eltern noch gerne etwas unternehmen. «Wieder etwas mehr Zeit haben, um sich neue Gedanken zu machen», formulierte er im persönlichen Kreis beim Bier seinen Veränderungswillen.

Beste Beziehungen

Für die UBS kam Gähwilers Plan der Neubesinnung einem internen Schock gleich, denn niemand hatte damit gerechnet, am wenigsten Konzernchef Sergio Ermotti, mit dem sich Gähwiler bestens verstand. Der CEO war es dann auch, der die neue strategische Funktion als Chairman der Region Schweiz für Gähwiler schuf. Denn zu gross wäre der Knowhow-Verlust gewesen, hätte man den Schweiz-Chef einfach ziehen lassen.

Denn im Gegensatz zu manch anderen abgehobenen Berufskollegen gibt Gähwiler bis heute den geerdeten Bankmanager, der auch über beste Beziehungen in die Industrie, sprich zu Unternehmern, wie auch zu den Behörden und in die Politik verfügt. Dass beispielsweise die langjährige FDP-Nationalrätin Gabi Huber heute im Verwaltungsrat der UBS Schweiz sitzt, ist Gähwilers Verdienst.

Kulturelle Schockstarre

Martin Blessing 501

Wenn nun mit dem Hanseaten Martin Blessing (Bild oben) ausgerechnet ein deutscher Bankfachmann die Nachfolge Gähwilers antritt, mag dies auf Anhieb überraschen und in manchen Kreisen gar eine kulturelle Schockstarre auslösen. Doch bei der Evaluation eines Ersatzes für Gähwiler zeigte sich tatsächlich rasch, dass es intern keine geeigneten Leute in der Führungsetage gab.

Entweder fehlte die nötige Markt- und Kundenerfahrung, die Ausstrahlung und Vielseitigkeit oder schlicht die langjährige Kompetenz, um dem Anforderungsprofil dieses strategisch so wichtigen Postens gerecht zu werden.

Gemeinsame Vergangenheit

So verwundert es nicht, dass UBS-Präsident Axel Weber – der einen weniger engen Draht zu Gähwiler hat – seine Beziehungen zu den besten Bankmanagern in seiner Heimat spielen liess und in der Person Blessings zweifelsohne einen top-qualifizierten Mann fand, mit dem ihn erst noch viel verbindet.

Beides grosse Denker und Strategen, wohnen sie mit ihren Familien im Taunus und hatten in der Vergangenheit schon intensiv miteinander zu tun, als Weber noch Bundesbank-Präsident war und Blessing als CEO der Commerzbank das Institut im Sog der Finanzkrise mit Hilfe von Steuergeldern rettete. Der Rest ist Geschichte, wie auch finews.ch bereits am Mittwoch berichtete.

Fahrlässiges Verhalten

Am besten bringt es ein international tätiger Head-Hunter auf den Punkt: «In einer Zeit, in der sich die global tätige Finanzindustrie neu erfinden muss, wäre es fahrlässig, bei der Neubesetzung eines Postens noch auf die Nationalität zu achten.»

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