Mit Herbert Scheidt übernimmt heute ein unerwarteter Kandidat das Präsidium der Schweizerischen Bankiervereinigung. Seine Wahl mochte geschickt sein – damit ist es aber nicht getan.

1. Polier-Qualitäten sind gefragt

Pierin Vincenz, Alexandre Zeller, Lukas Gähwiler: so hiessen die Top-Kandidaten, welche die Presse als Nachfolger für das Präsidium der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) portiert hatte. Doch nicht sie rücken für den am Donnerstag offiziell verabschiedeten Patrick Odier nach, der seit 2009 die Geschicke der Banken-Dachverbands geleitet hat, sondern Herbert J. Scheidt.

Scheidts Ernennung gilt als kluger Schachzug, weil der gebürtige Deutsche allen Exponenten der Branche genehm sein dürfte. Als Präsident der Zürcher Bank Vontobel versteht er die Nöte der Vermögensverwalter, ist den Inlandbanken willkommen, weil er kein Grossbanker ist – und hat eine internationale Perspektive aufs Metier, was wiederum die Grossbanken beruhigt. Die «NZZ» schrieb recht treffend: Mit der Wahl Scheidts hat man sich innerhalb der SBVg auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt.

Doch es allen recht zu machen, ist angesichts der Strukturkrise der Branche nicht gut genug. Von Scheidt, der als Bankpräsident zuletzt im Hintergrund agierte, sind vielmehr Polier-Qualitäten gefragt. Denn es braucht wohl ein tragende Stimme und eine zupackende Hand, damit im Swiss Banking alle wieder an einem Strick ziehen.

2. Vom F4-Plan stehen nur die Profile

Zum Ende seiner Amtszeit gab sich SBVg-Präsident Odier nochmals ganz staatsmännisch. Nach dem «Brexit» legte er sich auch im Ausland ins Zeug, um eine Allianz der mächtigsten Finanzplätze als Gegenpol zu den Forderungen der EU aufzubauen. Den Plänen zufolge sollen sich Zürich, London, Singapur und Hongkong nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU zur Vereinigung der Finanzriesen «F4» zusammenschliessen, wie auch finews.ch berichtete.

Indes, das grandiose Projekt krankt daran, dass Grossbritannien eben noch nicht aus der Union ausgetreten ist und die Politik dort bis dahin äusserst vorsichtig agiert. Entsprechend schwierig wird es sein, die richtigen Ansprechspartner für die Allianz zu finden.

3. Zuhause sind die Fundamente in Gefahr

Derweil gibt es hierzulande Banker, die ob des F4-Vorstosses die Nase rümpfen. Nicht ganz zu unrecht kritisieren sie, dass es im Inland wahrlich genug Probleme gebe, denen sich ein Dachverband wie die SBVg annehmen sollte. Dringend sind etwa die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, das Negativzins-Umfeld und die diversen Regulierungs-Projekte wie das Finanzdienstleistungs-Gesetz (Fidleg).

Tanzt Scheidt zu stark auf dem internationalen Parkett, droht die Banken-Lobby in der Schweiz wichtige Schlachten zu verlieren.

4. Risse wollen gekittet sein

Dies umso mehr, als sich im Nachgang zur Finanzkrise tiefe Gräben zwischen den Branchen-Akteuren gebildet haben. So bekämpfen die Inlandbanken mit einer eigenen parlamentarischen Gruppe internationale Regulierungs-Bestrebungen. Man versteht sich gut mit Bundesbern, die Inlandlobby und die Nationalräte treffen sich inzwischen schon zum Freundschaftsspiel.

Die Grossbanken wiederum verfechten ihre internationalen Anliegen gleich selber in Brüssel oder als Mitglieder mächtiger Lobby-Gruppierungen wie der «Group of 30». Die Vermögensverwalter ihrerseits sind in verschiedenen Verbänden organisiert und legen ihre noble Zurückhaltung ab, wenn es etwa um die Negativzinsen geht.

Entsprechend schwierig ist es für die SBVg, die divergierenden Anliegen unter ein Dach zu bringen – und nicht von den einzelnen Rufern übertönt zu werden.

5. Neubauten verlangen Aufmerksamkeit

Das sind ausserdem die Zukunfts-Initiativen: Die Schweiz zu einem führenden Asset-Management-Standort ausbauen, das war das erklärte Ziel der von der SBVg lancierten gleichnamigen Initiative. Doch nach fünf Jahren sind wenig greifbare Resultate sichtbar. Kürzlich hat der Schweizer Fondsverband (Sfama) den Lead übernommen. 

Die SBVg will das Thema allerdings nicht gänzlich aus der Hand geben. Daher sucht sie nach einem«Leiter Asset Management», der selbständig Themen und Trends in Sachen Asset Management der Banken in der Schweiz identifizieren und bearbeiten soll.

Im Fokus der hiesigen Finanzbranche steht auch das Schlagwort «Fintech». In den letzten Monaten haben zahlreiche Finanzinstitute und Verbände eigene Inkubatoren und Innovations-Labs gegründet. Der SBVg obliegt nun die schwierige Aufgabe, diese Kräfte bestmöglich zu bündeln und auf eine Linie zu bringen. So erreicht der Dachverband sein wichtigstes Ziel, nämlich Mehrwert und Jobs weiterhin in der Schweiz zu schaffen, wohl am besten. 

6. Intern stehen Regiearbeiten an

Die Anliegen der Banken in die politischen Entscheidungsgremien tragen und auf eine branchenfreundliche Durchsetzung hinarbeiten – das ist das oberste Ziel der SBVg. Allerdings: Die Mittel des Bankenverbands fliessen nicht mehr so üppig wie früher. 

Auf Grund der Konsolidierung der letzen Jahre gingen der Organisation Mitglieder und somit Beiträge verloren – mit Auswirkungen auf das Budget. Dies veranlasste den Verband vor rund einem Jahr die Beratungsfirma McKinsey zu beauftragen, sich nach allfälligen «Fettpolstern» umzuschauen. «Wir müssen fitter, agiler werden», stellte Odier damals selbstkritisch fest. 

Das Fitnessprogramm wird wohl auch unter Scheidt weiter gehen müssen. Denn das schwierige Finanzmarktumfeld wird den Banken je länger je stärker zu schaffen machen – damit bleibt die Hauptertrags-Quelle des Dachverbands, die Mitgliederbeiträge, unter Druck.

 

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