Die gewaltigste Kraft des Universums ist der Zinseszins. Albert Einstein wusste dies und fleissige Sparer erfuhren es. Das Universum hat sich zum Weltspartag aber geändert, schreibt Peter Hody auf finews.first.


Dieser Beitrag erscheint in der Rubrik finews.first. Darin nehmen renommierte Autorinnen und Autoren Stellung zu Wirtschafts- und Finanzthemen. Dabei äussern sie ihre eigene Meinung. Die Texte erscheinen auf Deutsch und Englisch. finews.first läuft in Zusammenarbeit mit der Genfer Bank Pictet & Cie. Die Auswahl und Verantwortung der Beiträge liegt jedoch bei finews.ch.


Es ist Weltspartag und für einmal ist die Redaktion ratlos. So ratlos wie die Notenbanker, die mit ihrer Geldpolitik diesen einst wichtigen Tag zur eigentlichen Farce machen.

So ratlos wie manche Banken, die ihren Kunden zu diesem Tag vieles bieten, bloss keine attraktiven Sparmöglichkeiten. So ratlos wie die Sparer, die ihrer eigenen Verunsicherung überlassen sind.

«Sparen wurde zu einer gesellschaftlichen Aufgabe stilisiert»

Im Jahr 1925 und in den ersten darauffolgenden Jahrzehnten war dieser Tag von hoher, internationaler Bedeutung gewesen. Die dem Weltspartag zu Grunde liegende Organisation, das World Savings and Retail Banking Institute, wollte den Spargedanken global verbreiten und verankern. Es war sogar diskutiert worden, sogar den Papst dafür einzuspannen.

Sparen wurde insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer gesellschaftlichen Aufgabe stilisiert, als Europa in Trümmern lag, der Wiederaufbau und die Schaffung eines mittelständischen Wohlstands erforderliche Ziele waren.

Für die Sparkassen und Volksbanken, die den Weltspartag noch heute vermarkten, ist der Anlass ein willkommenes Kundenbindungs-Iinstrument. Insbesondere die Nachwuchssparer werden mit allerlei Werbebrimborium angelockt.

«... und Sie sind in 30 Jahren Millionär»

Die Kraft des Zinseszinses war das beste Argument der Banken, zum Sparen zu animieren: «Legen Sie jeden Monat den Betrag X auf ein Sparkonto, das einen Zins von 6 Prozent zahlt – und Sie sind in 30 Jahren Millionär», hiess es damals.

Was Physik-Nobelpreisträger Albert Einstein einst als die «gewaltigste Kraft des Universums» bezeichnet hat, ist heute eine Gefahr: Wer spart, wird bestraft.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass rund eine halbe Milliarde Sparer von Negativzinsen betroffen sind. Neben der Schweizerischen Nationalbank (SNB) haben auch die Notenbanken Dänemarks, Japans, Norwegens, Schwedens und Ungarns sowie die Europäische Zentralbank (EZB) Negativzinsen eingeführt.

Das bedeutet, dass Banken, Versicherungen und Effektenhändler auf ihren Giroguthaben einen Strafzins bezahlen müssen, sofern diese – zumindest in der Schweiz – einen bestimmten Freibetrag übersteigen.

«In Ländern mit Negativzinsen haben Haushalte ihre Sparanstrengungen sogar erhöht»

Aber auch Sparer werden vereinzelt zur Kasse gebeten: Die Alternative Bank Schweiz (ABS) verlangt bislang als einziges Schweizer Institut von Retailkunden einen Negativzins. Aber der Damm droht zu brechen, es ist eine Frage der Zeit, bis auch andere Banken die Kosten der Negativzinsen, es sind gesamthaft über eine Milliarde Franken jährlich, an ihre Kunden weiterreichen.

Nun hätte der Sparer die Möglichkeit, sein Geld von der Bank abzuziehen und unter die Matratze zu legen. Aber das tut er nicht. Im Gegenteil: Die OECD hat festgestellt, dass inbesondere in Ländern mit Negativzinsen die privaten Haushalte ihre Sparanstrengungen sogar erhöht haben.

Die offensichtliche Zukunftsangst, die aus diesem Verhalten spricht, ist grösser, und aus der Optik der Notenbanker nicht einmal irrational: Sparer nehmen die zusätzlichen Kosten für die vermeintliche Sicherheit, die eine Bank bietet, in Kauf. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Schmerzgrenze bei den Negativzinsen noch nicht erreicht ist.

Dieses so genannte Angstsparen läuft den Zielen der Negativzins-Politik entgegen. Denn gespartes Geld gelangt nicht in den Wirtschaftskreislauf und die angestrebten Inflationstendenzen bleiben aus.

«Sparer setzen Sicherheit mit einem garantierten Verlust gleich»

Für die Banken schaffen die Angstsparer wie die Negativzinsen Probleme. Die aktuelle Geldpolitik hat Anleger so verunsichert, dass sie ihr Geld partout nicht in den Finanzmärkten investieren wollen.

Auch aus diesem Verhalten spricht die Vernunft in Zeiten der Negativzinsen: Sparer setzen Sicherheit mit einem garantierten Verlust gleich.

Das ist nicht die Sorte von Kunde, welche Banken sich in der aktuellen Lage wünschen. Mit Kunden, die nur Sicherheit suchen, können sie kein Geld verdienen.

Am Ende der Nahrungskette steht im Negativzinsumfeld der Sparer. Bereits haben Pensionskassen und Versicherer begonnen, die Risiken der Geldpolitik vermehrt auf die Versicherten abzuschieben.

«In der hiesigen Bankenszene ist der Weltspartag schlicht kein Thema»

Soeben hat der Bundesrat der Empfehlung der zuständigen Kommission zugestimmt, den Mindestzinssatz in der beruflichen Vorsorge im kommenden Jahr auf 1 Prozent zu senken.

In diesem Umfeld zu einem Weltspartag auszurufen, scheint doch etwas vermessen, was Retailinstitute in Deutschland, Österreich, Italien oder Spanien auch aus Traditionsgründen nicht daran hindert, teilweise ganze Sparwochen-Events zu organisieren.

In der Schweiz tut das keine Bank. Tatsächlich ist der Weltspartag in der hiesigen Bankenszene schlicht kein Thema. Nur bei der Credit Suisse findet sich eine Andeutung auf den einst wichtigen Tag: Die Bank will einen «Weltspartag Fix Kupon Express Zertifikat» emittieren.

Dies allerdings erst im November und in Frankfurt. Der zugrundeliegende Bezugswert des Zertifikates hat nichts mit Sparen und Zinsen zu tun. Es ist der Aktienindex Euro Stoxx 50.


Peter Hody ist stellvertretender Chefredaktor von finews.ch. Er übte in den vergangenen Jahren diverse Führungspositionen bei Wirtschafts- und Finanzmedien aus, u.a. bei «CASH» und bei «Stocks». Zuvor schrieb er aus Zürich für die Associated Press (AP) und berichtete als Korrespondent aus dem Bundeshaus für RTL/ProSieben. Er ist Historiker und absolvierte an der Hamburg Media School einen MBA in Medien-Management.


Bisherige Texte von: Rudi Bogni, Adriano B. Lucatelli, Peter Kurer, Oliver Berger, Rolf Banz, Samuel Gerber, Werner Vogt, Walter Wittmann, Alfred Mettler, Robert Holzach, Thorsten Polleit, Craig Murray, David Zollinger, Arthur Bolliger, Beat Kappeler, Chris Rowe, Stefan Gerlach, Marc Lussy, Samuel Gerber, Nuno Fernandes, Thomas Fedier, Claude Baumann, Beat Wittmann, Richard Egger, Didier Saint-Georges, Dieter Ruloff, Marco Bargel, Peter Hody, Steve Hanke, Andreas Britt, Urs Schoettli, Maurice Pedergnana, Stefan Kreuzkamp, Katharina Bart, Oliver Bussmann und Michael Benz.

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