Schweizer Banken sollten sich grundsätzlich weniger vor der US-Aufsicht fürchten, sagt Daniel Wuersch im Interview mit finews.ch. Der Schweizer führt eine renommierte Anwaltskanzlei an der Wall Street.


Herr Wuersch, Sie sind Anwalt an der Wall Street in New York und betreuen Kunden aus der Finanzbranche. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sorgt für erhebliche Unsicherheit. Ist das gut für Sie?

Ich glaube nicht, dass wir Juristen aufgrund einer bestimmten politischen Ausrichtung unter Donald Trump mehr Arbeit erwarten können. Im Gegenteil: Wenn er seine Ankündigungen bezüglich Abbau von Regulierungen wahr macht, werden wir eher weniger Arbeit haben. In den letzten Jahren war es der umgekehrte Fall: Die Regulierungshürden wurden immer höher, was für uns Anwaltskanzleien ein Treiber war.

Trump hatte auch einmal gesagt, er werde den Dodd-Frank-Act rückgängig machen, der hauptsächlich auf Schutz von Kunden und Anlegern im Fokus hat.

Ich glaube nicht, dass dies in seiner Absolutheit durchsetzbar ist. Der Dodd-Frank-Act ist nicht ein einzelnes Gesetz sondern ein umfassendes Regulierungspaket. Ich denke aber, wenn Trump die eine oder andere Regulierung abbauen würde, könnte das durchaus sinnvoll sein. In gewissen Fällen gab es eine Überreaktion.

Wo?

Insbesondere im Hedgefonds- und Private-Equity-Bereich. Hier wurden Regeln eingeführt, wohl einfach aus dem Grund, weil man diese Branchen schon lange auf dem Radar hatte und die Gelegenheit nach der Finanzkrise für gekommen sah.

Erwarten Sie unter Trump eine andere Gangart insgesamt gegenüber Banken und Wall Street?

Das erwarte ich nicht. Eine Kehrtwende wäre politisch äusserst schwierig durchzusetzen. Der Präsident der Vereinigten Staaten kann ja nicht einfach Gesetze abschaffen oder ändern. Er braucht dafür die Mehrheit des Kongresses. Diese zu finden, ist in Bezug auf eine starke Lockerung der Bankenregulierung wohl schwierig.

Was könnte Trump denn unternehmen?

Er könnte theoretisch das Enforcement der bestehenden Regulierungen zurückbinden. Doch ist auch das schwierig, liegen diese doch vielfach in der Kompetenz von unabhängigen Behörden und Gremien.

Die Finanzmärkte haben mit Erleichterung auf die ersten, versöhnlicheren und gemässigteren Äusserungen Trumps nach seiner Wahl reagiert. Was ist weiter zu erwarten?

Er hat den Märkten etwas Unsicherheit genommen, das war alles. Würde er sein Wirtschaftsprogramm tatsächlich so umsetzen, wie er das im Wahlkampf angekündigt hat, würde dies ganz klar zur Katastrophe führen. Nun kann man hoffen, dass er die vernünftigen Punkte seines Programms in Angriff nimmt.

Zum Beispiel?

Eine Steuerreform, die längstens überfällig ist. Die USA sind das Land mit den höchsten Unternehmenssteuern in der OECD. US-Unternehmen haben über zwei Billionen Dollar an Auslandsgewinnen, die aus Steuergründen nicht repatriiert werden können.

«Die Aussicht auf eine Steuer-Reform ist für mich der Lichtblick»

Eine Reform könnte in der US-Wirtschaft Anreize setzen. Rein vernunftmässig ist eine Steuerreform eines der Projekte, welches Trump am ehesten angehen wird, da er dafür wohl eine Mehrheit im Kongress finden könnte. Für mich ist die potenzielle Aussicht einer Steuerreform der Lichtblick dieser Präsidentenwahl.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen, Erhöhung von Investitionstätigkeit wären Folgen einer Steuerreform. Warum hat Präsident Obama das Thema nicht angepackt?

Das ist eine verpasste Gelegenheit. Vor Jahren wurde das Thema im Kongress behandelt. Damals war der Republikaner John Boehner noch Speaker, mit dem Obama nicht die beste Beziehung pflegte. Aus meiner Beobachtung war Obama ein eher kompromissloser Verhandler und hatte zu hohe Ziele gesetzt. Und damit war das Thema Steuerreform vom Tisch.

Dennoch gilt Obama als der Präsident, der die US-Wirtschaft wieder in Schwung gebracht und die Arbeitslosigkeit besiegt hat.

Das stimmt so nur bedingt. Das Wachstum war zwar nachhaltig, aber nicht beeindruckend. Die gesunkene Arbeitslosigkeit ist auch durch die steigende Nichtbeteiligungsrate im Arbeitsmarkt bedingt. Und viele gut bezahlte Arbeitsplätze wurden durch schlechter bezahlte Jobs ersetzt. Eine Steuerreform und erhöhte Investitionstätigkeit von Unternehmen würde die strukturelle Arbeitslosigkeit im Land vermutlich senken und auch anspruchsvollere Jobs schaffen.

Was waren in den letzten Jahren die Hauptthemen in ihrer Anwaltskanzlei?

Die ersten Obama-Jahre waren von der Aufarbeitung der Finankrise geprägt. Es gab viele Banken- und aufsichtsrechtliche Fälle insbesondere regulatorische Anpassungen und die SEC Registrierung von Fonds- oder Asset Manager und Privatbanken beschäftigte uns.

«Das Swiss Private Banking sollte aufhören, sich das Leben schwer zu machen»

Interessant ist: In den letzten Jahren spürten wir eine erhöhte Investitionstätigkeit gerade von Schweizer Unternehmen, die in den USA investieren, ausbauen oder akquirieren.

Woran liegt das?

Ich glaube, hauptsächlich am wieder abflauenden Interesse an den asiatischen Märkten. Nun wendet man sich wieder den amerikanischen Märkten zu.

Wir beobachten auch wieder ein stärkeres Interesse von Schweizer Privatbanken am US-Markt.

Es ist sicher sehr positiv und notwendig, dass das Swiss Private Banking aufhört, sich selber das Leben schwer zu machen.

Wie meinen Sie das?

Oft wird das US Recht zu stark aus der Schweizer Optik beurteilt. Das moderne Aufsichtrecht ist wahrscheinlich eines der erfolgreichsten Export-Produkte der USA . Oft werden diese Gesetze von den Europäern nicht nur übernommen, sondern verschärft. Aus dieser Optik machen die amerikanischen Gesetze dann Angst. Der Eindruck verstärkt sich noch, weil die Schweizer Banken von den Amerikanern so in die Mangel genommen worden sind.

«Die Schweizer Finma ist bezüglich Enforcement strenger als die amerikanische SEC»

Ich wage aber zu behaupten, dass die amerikanische Finanzindustrie in manchen Bereichen weniger einschränkend reguliert ist als die europäische und die schweizerische. Die Finma ist bezüglich Enforcement der regulatorischen Auflagen oft strenger als die SEC.

Tatsächlich?

Die SEC lässt innerhalb ihres Regulierungsbereichs den Finanzdienstleistern erhebliche Freiheit und führt beispielsweise bei Investment Managern allenfalls alle paar Jahre eine Inspektion durch. Die Finma kontrolliert hingegen proaktiv und verlangt praktisch pausenlos Rechenschaft. Wegen des Systemrisikos ist die US-Notenbank dagegen bei kommerziellen Banken ebenfalls wesentlich proaktiver.

Das Steuerprogramm mit den USA verläuft recht zäh, gerade was Banken der Kategorie 1 und 3 betrifft. Wird die Trump-Administration das beschleunigen?

Dass das US-Steuerprogramm noch nicht abgeschlossen ist, ist meiner Meinung nach ein Schweizer Verschulden, kein amerikanisches. Die Sache wäre längst erledigt, wenn die Schweiz nicht auf einer Gesamtlösung insistiert hätte. Heute hat die Politik auf die Abarbeitung des Steuerprogramms keinen Einfluss mehr. Die Fälle liegen bei den Untersuchungsbeamten der Steuerbehörde oder bei Staatsanwälten im Justizdepartement. Diese Mühlen mahlen halt sehr langsam, auch weil das Interesse daran nachlässt aufgrund vieler personeller Wechsel in den beteiligten Teams.

Wo wird Trumps Fokus liegen?

Wenn er eine härtere Gangart einschlägt, dann wird das im Bereich Immigration und bei den Handelsbeziehungen sein. Ersteres wird auch Schweizer Unternehmen treffen. Von letzterem wird wohl in erster Linie China betroffen sein.

«Die USA als Steueroase ist ein Randthema»

Es gibt für Trump keinen Anlass, sich auf die Finanzindustrie einzuschiessen: Die Finanzkrise ist aufgearbeitet, es wurden an die 250 Milliarden Dollar Bussen bezahlt, jetzt herrscht wieder weitgehend «business as usual» Ob ein echter Kulturwandel stattfand ist fraglich, wie der Wells-Fargo-Fall zeigt.

Die USA haben in den vergangenen Jahren der Welt ihre Steuergesetze aufgedrückt und sind gleichzeitig zur grössten Oase für Steuerflüchtlinge oder zumindest anonyme Vermögen geworden. Ist das überhaupt ein Thema hier?

Nein, das ist ein absolutes Randthema und wird wohl auch eines bleiben – Sie erinnern sich an die Weigerung Trumps, seine Steuererklärungen offen zu legen. Das Steuertransparenzthema beschäftigt vor allem die Schweizer, weil sie dabei das Nachsehen hatten.


Daniel Wuersch hat die Anwaltskanzlei Wuersch & Gering im Jahr 1997 gegründet. Im Zentrum der globalen Finanzindustrie an der New Yorker Wall Street gelegen, konzentriert sich die Kanzlei auf ein breites Spektrum in Wirtschafts- und Finanzmarktrecht. Wuersch repräsentiert sowohl US- als auch ausländische Unternehmen aus der Finanzindustrie sowie institutionelle und private Investoren unter anderem in Bereichen M&A, Corparate Finance und Regulierung. Er startete seine Karriere bei Homburger sowie Baker & McKenzie in Zürich, wo er auch studiert hatte.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.23%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.96%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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