Das Präsidium einer Kantonalbank hat sich von einem Ehrenamt zu einem herausfordernden Job gewandelt. Doch viele Kantonalbank-Präsidenten betätigen sich weiterhin als Multi-Verwaltungsräte.

Adrian Bult, der neu gewählte Bankratspräsident der Basler Kantonalbank (BKB), ist das Paradebeispiel: Nach dem ASE-Skandal galt es, die Aufsicht und Kontrolle über die BKB zu stärken und zu entpolitisieren. Darum entschied sich die Basler Regierung für einen Profi- und Multi-Verwaltungsrat (VR) als Präsidenten.

Bult ist bereits in insgesamt 35 Verwaltungs- und Stiftungsräten vertreten, teilweise, wie bei der Stromnetzgesellschaft Swissgrid, auch als Präsident. Vor diesem Hintergrund musste sich der Basler Regierungsrat die Frage gefallen lassen, ob Bult angesichts seiner zahlreichen Engagements überhaupt genügend Zeit und Konzentration aufbringen könne, um die BKB zu beaufsichtigen.

Bult ist beileibe nicht der einzige Multi-VR unter den Schweizer Bankratspräsidenten. Eine Auszählung von finews.ch zeigt, dass elf der obersten Bankverantwortlichen ein Dutzend und mehr Mandate (VR, Stiftungen, Gesellschafter oder Geschäftsführer) haben (vgl. nachstehende Tabelle).

Bankratprasid
Quelle: Moneyhouse

Die Auflistung ist irritierend, denn ein Bankratspräsident muss heutzutage in einem deutlich komplexeren und anforderungsreicheren Umfeld seiner Aufsichtspflicht nachkommen als noch vor zehn Jahren. Entsprechend dieser Anforderungen wären weniger Ämter wohl besser.

Unabhängig und genügend Zeit

Der Tätigkeit der Präsidenten ausserhalb ihres Bankmandats sind allerdings wenig Grenzen gesetzt. Die Finma schreibt in ihren neuen Corporate-Governance-Richtlinien lediglich Unabhängigkeit vor, hinreichende Führungs- und Fachkompetenz sowie «genügend Zeit» für die Ausübung des Mandats.

«Genügend Zeit» ist ein dehnbarer Begriff. Tatsächlich ist es angesichts der unterschiedlichen Grösse und Relevanz der einzelnen Staatsbanken auch sinnvoll, keine strikten Vorgaben zu machen.

Acht Mandate und ein Vollzeitjob

So arbeitet bei der systemrelevanten Zürcher Kantonalbank (ZKB) der Präsident Jörg Müller-Ganz vollamtlich – er erhält dafür einen Jahreslohn von 342'000 Franken. Bei der wesentlich kleineren Appenzeller Kantonalbank (APPKB) bedingt das Präsidium einen Zeitaufwand von 5 bis 10 Prozent und wird dafür mit 30'000 Franken jährlich entschädigt, wie APPKB-CEO Ueli Manser im Gespräch mit finews.ch sagt.

Doch die Ämterkumulation kann durchaus als stossend empfunden werden. Tatsächlich findet Müller-Ganz neben seinem Vollzeitjob bei der ZKB noch Zeit für acht weitere Mandate. Gemäss ZKB übt er sechs davon, darunter bei der ETH Foundation und beim Zürcher Zoo, im Rahmen seines Präsidiums aus.

Skandalträchtige Kantonalbanken-Historie

Bei den nicht wenigen Skandalen und negativen Schlagzeilen, die Kantonalbanken in der Vergangenheit verursacht haben, stehen die Bankräte und ihre Präsidenten in der Pflicht, zumal sie die Oberleitung der Bank sind und das operative Geschäft und dessen Risiken zu überwachen haben.

Der ASE-Skandal der BKB zählt zu den jüngsten Fällen, die für Schlagzeilen sorgten. Vor der Finanzkrise erwies sich der Bankrat der Glarner Kantonalbank als unfähig, das von der operativen Leitung forcierte Kreditgeschäft in Schranken zu halten. Bei der ZKB schaltete und waltete der damalige CEO Hans Vögeli wie er wollte, liess mit Sulzer einen Firmenkunden auflaufen und tätigte Insidergeschäfte unter den Augen des Bankrats.

Die Kantonalbanken in Genf und in Bern mussten vor nicht allzu langer Zeit mit Steuergeldern gerettet werden. In Solothurn und Appenzell-Ausserrhoden verschwanden die Institute gar von der Bildfläche.

Eine gewisse Anzahl Mandate ist vertretbar

Es mag eine Milchbüchlein-Rechnung sein, aber je mehr verschiedene Aufgaben und Mandate ein Bankpräsident annimmt, desto weniger kann er sich auf jedes einzelne konzentrieren.

Daniela Stehli, Inhaberin und Geschäftsführerin der Fachschule für Bankwirtschaft (FSB), sieht es so: «Eine gewisse Anzahl von zusätzlichen Mandaten ist vertretbar, solange der damit verbundene Zeitaufwand nicht zulasten des Präsidiums geht.»

Bei der APPKB ist Roman Boutellier seit Mitte 2015 Präsident. Boutellier, früher einmal CEO des Schweizer Industriekonzern SIG, hat insgesamt 15 Mandate inne, darunter beim Schweizer Mischkonzern Georg Fischer sowie bei der Ammann Bauausrüstung, ausserdem sitzt er im Rat der Vontobel-Stiftung.

Persönlichkeit und Erfahrung

Am anderen Ende der Schweiz, in Genf, ist mit dem ehemaligen Nationalbank-Präsidenten Jean-Pierre Roth auch ein Multi-VR an der Spitze der Staatsbank. Roth sitzt in insgesamt 15 Gremien, darunter beim Nahrungsmittel-Konzern Nestlé sowie beim Uhrenfabrikanten Swatch. Das sind anspruchsvolle Aufgaben, die nicht nur Zeit abverlangen.

APPKB-CEO Manser relativiert: «Ich nehme Herrn Boutellier nicht als Profi-VR wahr, sondern als Mann mit einem sehr breiten Erfahrungsschatz aus der Unternehmens- und der akademischen Welt.» Er verschaffe der APPKB wertvolle Fachkenntnisse.

Qualität in den Bankräten ist gestiegen

Boutelliers Profil entspricht recht genau den Vorgaben der Finma, die «Qualität und Know-how» in den Bankräten verlangt und damit in den oft nach politischen Gewichten zusammengesetzten Gremien in den vergangenen Jahren durchaus eine Veränderung herbeigeführt hat.

«Es lässt sich beobachten, dass Qualität, Know-how und Fachkenntnisse in den Bankräten in den letzten Jahren tatsächlich zugenommen haben», sagt Stehli.

Miliz- anstatt Profi-Organisation

Zugegeben, die Mandats-Häufung bei einigen Bankrats-Präsidenten lässt sich kritisch hinterfragen. Doch sie ist im Prinzip auch ein Ausdruck des schweizerischen Kantonalbanken-Systems, das bei der Oberaufsicht eher auf eine Miliz- als auf eine Profi-Organisation setzt.

Tatsächlich können die Finma-Vorgaben für einen Bankrats-Präsidenten anspruchsvoll sein: Er muss Branchen-Know-how und Fachkenntnisse aufweisen, er darf in der Branche aber nicht berufstätig sein. Und in der Regel verdient der Präsident einer mittelgrossen Kantonalbank nicht genug, um einen Familienhaushalt zu tragen.

Kuno Kennel, der Präsident der Schwyzer Kantonalbank (SZKB), hat als 44-Jähriger eine Investmentbanker-Karriere zugunsten dieses Amtes aufgegeben. Er erhält dafür zwar jährlich 100'000 Franken. Um seinen Lebensstandard einigermassen zu halten, ist Kennel aber auf zusätzliche Einkünfte angewiesen.

Professionalisierung im Gange

Unter diesen Prämissen hinterlässt das hiesige Corporate-Governance-System in Sachen Kantonalbanken-Aufsicht einen zwiespältigen Eindruck und mag auch gewisse Anzeichen einer Fehlentwicklung aufzeigen.

Gleichzeitig streben die Finma-Vorgaben eine verstärkte Professionalisierung der Bankräte an – auch diese Anzeichen sind deutlich erkennbar.

BKB-Präsident reagiert

So wird der designierte Präsident der BKB das eine oder andere Mandat abgeben, unter anderem in wenigen Monaten dasjenige bei der Schweizer Online-Bank Swissquote. Denn der Basler Regierungsrat verlangt von ihm, dass das Präsidium bei der BKB Priorität hat. 

 

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