Kurz vor der jährlichen Medienkonferenz herrscht beim Derivate-Entwickler Leonteq Alarmstimmung. Dies belegen interne Dokumente. Das Management spricht von «schmerzlichen Schritten».

Die prekäre Situation bei Leonteq ist bekannt: Der Schweizer Anbieter für Strukturierte Produkte übernahm sich im vergangenen Jahr auf der Kostenseite, während die Erträge in einem schwierigen Umfeld markant zurückgingen.

Eine über Monaten katastrophale, um nicht zu sagen irreführende Kommunikation trug weiter dazu bei, dass der Kurs der Leonteq-Aktie einbrach. Das wiederum warf in Finanzkreisen einige Fragen zur Stabilität und Zukunft der Firma auf.

Die damit verbundenen Spekulationen wie auch der anhaltende Aderlass von Kaderleuten haben das Top-Management unter der Führung von Jan Schoch nun veranlasst, am vergangenen Freitag intern massive Fehler einräumen, Durchhalteparolen auszugeben und die Belegschaft mit ermutigenden Worten bei der Stange zu halten, wie interne Dokumente zeigen, die finews.ch exklusiv vorliegen.

Sie lassen sich in vier Bereiche unterteilen:

1. Was 2016 schief gelaufen ist

Auf Gruppenebene hat Leonteq im vergangenen Jahr versagt. Das Unternehmen verfehlte seine Ertragsziele vor allem im zweiten Halbjahr, so dass die Investitionen wegen der «rückblickend allzu ambitionierten Wachstumserwartungen» aus dem Ruder liefen. Für 2016 erwartet Leonteq einen Betriebsertrag von rund 207 Millionen Franken, gegenüber 219,7 Millionen Franken im Geschäftsjahr 2015.

Aufgrund der enormen Ausgaben explodierte das Kosten-Ertrags-Verhältnis (Cost-/Income-Ratio) und stieg auf untragbare 92 Prozent. Im Vergleich: 2015 belief sich dieser Wert auf 69 Prozent.

«Wir haben möglicherweise auf einen Schlag zu viele Personen engagiert», lautet eine der vielen schmerzlichen Erkenntnisse des Top-Managements, zumal die Personalausgaben im vergangenen Jahr den grössten Kostenblock darstellten. «We as a company feel sorry about this», kommt die Führung intern zum Schluss.

Welches Chaos im HR-Bereich herrschte, unterstreicht auch die Tatsache, dass in Hongkong ein wichtiger Kadermann (Name der Redaktion bekannt) von Bord ging, und in Zürich die HR-Verantwortliche (Mechthild Walser-Ertel) nach wenigen Monaten das Handtuch warf. Beide Abgänge hat ein Sprecher von Leonteq gegenüber finews.ch bestätigt.

2. Welche unmittelbaren Massnahmen nun anstehen

Am vergangenen Freitag kündigte das Management nun «nötige und schmerzvolle Schritte» an, um die Kostenstruktur «signifikant» zu verbessern. Unter anderem wird der bereits 2016 beschlossene Abbau von 50 Stellen in den nächsten «Tagen und Wochen» vollumfänglich umgesetzt.

Zudem werden im laufenden Jahr nur noch Projekte realisiert, die einen unmittelbaren (positiven) Einfluss auf die Ertragssituation haben, und weiter plädiert das Top-Management für mehr interne Synergien, eine transparente Kommunikation und will so neuerliche «Überraschungen» vermeiden. Wie erinnerlich hatte die jähe Gewinnwarnung Ende 2016 viele Anleger vor den Kopf gestossen.

In Bezug auf die Partnerschaft mit Raiffeisen, immerhin einer der Ankeraktionäre von Leonteq, räumte das Management ein, dass nicht alle Transaktionen effizient ablaufen würden, weil offenbar noch sehr viele manuelle Prozesse erforderlich seien. An deren Verbesserung arbeite man nun.

LGT SIN 502

Kosten sparen will das Unternehmen auch, indem es die Mieten für die Büroräumlichkeiten an den verschiedenen Standorten akribisch unter die Lupe nimmt. Das dürfte vor allem an den Standorten Singapur (Bild oben) und Hongkong Konsequenzen haben, wo Leonteq an bester Lage präsent ist und dem Vernehmen nach horrende Mieten zahlt. In Singapur bezog der Derivate-Entwickler im Mai des vergangenen Jahres mondäne Räumlichkeiten, deren Miete monatlich einen sechsstelligen Betrag ausmachen soll. In Hongkong wiederum soll der Mietvertrag nicht erneuert worden sein, was aber unbestätigt ist.

3. Wohin Leonteq bis 2020 hinaus will

Bis Ende 2020 will Leonteq das Kosten-Ertrags-Verhältnis auf 65 Prozent senken, wie das Unternehmen bereits am Investorentag vom 16. November 2016 bekanntgab. Auch die anderen Ziele bleiben intakt (vgl. Grafik).

KPI 500

4. Was die wichtigsten Veränderungen sind

Seit Anfang 2017 arbeitet das Unternehmen mit drei Geschäftsbereichen (Investment Solutions, Banking Solutions, Insurance & Wealth Plannng Solutions), darüber hinaus wird es im laufenden Jahr keine weiteren Mitarbeiter einstellen und die Kosten in allen Abteilungen massiv zurückfahren, namentlich bei den Büromieten.

Ein Rückzug aus Asien ist aber nicht geplant, wie ein Sprecher gegenüber finews.ch betonte; es sollen auch keine anderen Standorte geschlossen werden. Und CEO Jan Schoch geniesse nach wie vor die volle Unterstützung des Verwaltungsrats.

Allerdings bleiben einige Fragezeichen, wie auch aus einer neuen Studie der Credit Suisse hervorgeht (siehe Ausschnitt unten). Massiv verzögert haben sich beispielsweise die bereits angekündigten Partnerschaften mit der Maybank, Standard Chartered und der Mobiliar-Versicherung.

CS Studie 501

Zudem hat Leonteq seine Pläne für eine Expansion in den britischen Onshore-Markt sowie nach Norwegen, Finnland, China und Südkorea gestoppt, und offenbar stellt sich auch die Anbahnung neuer Partnerschaften weitaus schwieriger heraus als bisher angenommen. Ein grosses Fragezeichen ist schliesslich auch hinter die 2016 angekündigte Expansion in Japan zu setzen. Wie weit diese Strategie noch aktuell ist, soll sich ebenfalls am Donnerstag nächster Woche (Medienkonferenz) zeigen.

Mehr nicht

Dass das Management fortan deutlich kleinere Brötchen backen wird, äusserte sich am vergangenen Freitag unter anderem in der Frage, ob Leonteq auch weiterhin ein Fintech-Unternehmen sei, wie dies die Führung zuletzt immer wieder betont hatte. Nach offizieller Sprachregelung heisst es jetzt nur noch: «Wir sind ein Unternehmen mit Experten für Strukturierte Produkte und einer überlegenen Technologie, die es uns erlaubt, unseren Kunden und Partnern einen besseren Service zu liefern – mehr nicht.»

Damit sind die ambitionierten Pläne der einstmals hochgelobten Jungunternehmer definitiv einer neuen Nüchternheit gewichen.

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