Laut manchen Experten hat die Privatbank Mirabaud nicht die kritische Grösse. Trotzdem ist sie erfolgreich. CEO Antonio Palma verrät, was das mit Lebensqualität, Lionel Messi und Linksverkehr zu tun hat.  


Herr Palma, im Gegensatz zu anderen Schweizer Privatbanken konnten Sie im vergangenen Jahr Ihre verwalteten Kundenvermögen klar steigern. Was machen Sie anders als Ihre Konkurrenz?

Meines Erachtens kaprizieren sich die Medien allzu sehr auf die Höhe der verwalteten Vermögen. Diese Kennzahl ist nicht das Zentrale einer Bank. Sie ist eine rein quantitative Grösse, die wenig über die Qualität des Geschäfts und die Profitabilität aussagt.

Spielt es denn keine Rolle, wieviel Neugeld Sie jedes Jahr einnehmen?

Wir sind nicht zum Wachstum verdammt wie andere Banken. Wir wollen gar nicht 300 Milliarden Franken verwalten. Das würde unsere Ressourcen sprengen. Wir sind mit etwas mehr als 30 Milliarden zufrieden.

«Das mit der kritischen Grösse, höre ich schon seit ich auf der Welt bin»

Die Frage ist eher, zu welchen Tarifen man bereit ist, ein Vermögen zu verwalten, und da herrscht in der Schweizer Privatbanken-Szene ein schonungsloser Unterbietungs-Wettbewerb. Wir nehmen ein Mandat nicht um jeden Preis an.

Wenn Sie nicht über den Preis Kunden gewinnen, was ist dann Ihr Argument.

Wir sind fokussiert. Wir betreiben beispielsweise keine passive Vermögensverwaltung und verwalten auch keine Exchange Trade Funds (ETF). Wir sind vor allem ein aktiver Asset Manager, der insbesondere auf Schweizer und europäische Aktien, namentlich auf Small- und Mid-Caps, spezialisiert ist.

In Europa gibt es viele mittelgrosse Firmen, die international eine Marktführerschaft erlangt haben. Das sind Perlen, die wir mit unseren Spezialisten intensiv verfolgen. Bei festverzinslichen Anlagen bieten wir beispielsweise keine Indizes an, sondern Hochzins-Anleihen oder Wandelanleihen.

Es müssen Strategien sein, die rentabel sind, so dass der Kunde auch bereit ist, einen Preis dafür zu bezahlen. Heute zählt die Performance im Verhältnis zum Risiko – nach Kosten.

Laufen Sie so nicht Gefahr, Ihre Marktstellung oder sagen wir Ihre kritische Grösse zu verlieren?

Das mit der kritischen Grösse, höre ich schon seit ich auf der Welt bin. Als ich vor mehr als zwanzig Jahren zu Mirabaud wechselte, sagten mir manche Kollegen von anderen Banken, dieses Institut hat mit seinen paar Milliarden kaum die kritische Grösse.

«Krisen sind Teil der Normalität»

Und heute, da wir zehnmal mehr verwalten, höre ich dasselbe. Ich antworte immer: Auch Lionel Messi hat man in seiner Jugend vorgeworfen, dass er nicht die kritische Grösse habe... also lassen wir das. Nochmals, die Erfolgsformel liegt darin, fokussiert und diszipliniert zu arbeiten.

Welche Rolle spielt die Konsolidierung in Ihrer Strategie?

Die Konsolidierung ist nichts Neues. Es hat sie schon vor 25 Jahren gegeben. Interessanterweise sind auch bedeutende Institute über die Jahre verschwunden. Im Sturm gehen auch grosse Schiffe unter.

Krisen sind Teil der Normalität. Unser Haus hat seit seiner Gründung 1819 mindestens 50 Krisen überlebt. Man muss demütig bleiben, im Wissen, dass sich über die Zeit alles verändern kann – die Wirtschaft, die Geldpolitik, die Politik als solche, selbst das Klima und die Psychologie, all das sind Variablen, die einen Einfluss auf die Vermögensverwaltung nehmen. Man muss ihnen Rechnung tragen.

Natürlich können Sie heute viel mit Hilfe der Technologie erreichen, aber am Ende zählt das Urteil jedes Einzelnen und das wiederum ist vom Talent der Leute abhängig.

Wie hat sich vor diesem Hintergrund das Profil des Kundenberaters verändert?

Ein neuer Mitarbeiter muss zu uns und zu unserer Unternehmenskultur passen. Zugegeben, das sagen alle Unternehmen.

«Wir freuen uns mit unseren Mitarbeitern, wenn sie in die Ferien verreisen»

Wir stellen es unseren Kandidaten frei, mit welchen Führungskräften sie für ihre Bewerbung sprechen wollen, damit sie genau wissen, was sie erwartet. Sie sollen uns auch befragen, damit beide Seiten erkennen, ob sie zusammenpassen.

Das ist ungewöhnlich.

Ja. Wir haben es allerdings auch nicht eilig zu wachsen. Wir haben keinen expliziten Grössenanspruch. Lebensqualität ist uns wichtig, auch bei der Arbeit.

Wir freuen uns mit unseren Mitarbeitern, wenn sie in die Ferien verreisen. Wir lieben zwar unsere Arbeit, aber sie ist nur ein Teil unseres Alltags.

Wir stellen uns vor, der typische Mirabaud-Kunde ist über 60 Jahre alt. Richtig?

Ja, mehrheitlich schon, zumal man im Alter ganz einfach mehr Geld besitzt als wenn man jung ist. Das ist so, abgesehen von einigen Jungunternehmern, die das grosse Geld gemacht haben. Aber das sind Ausnahmen.

Unsere Dienstleistungen zielen denn auch eher auf eine Klientel ab, die ein gewisses Alter hat. Wir vergeben beispielsweise keine Hypotheken. Die zentralen Themen für uns sind Finanzplanung, Vorsorge, Nachlassregelung und Erbschaften.

Drohen Ihnen nicht, die Kunden wegzusterben?

Nein. War es früher der Vater in einer Familie, der im Alleingang das Vermögen unter seinen Nachkommen aufteilte, reden heute alle Kinder mit.

«Heute arbeitet ein Kundenberater nicht mehr so isoliert wie früher, sondern im Team»

Zumeist haben sie selber einen Finanz-Background oder sind mit Bankmitarbeitern befreundet. Heute weiss der Kunde alles, oder er ist zumindest sehr schnell informiert. Darum müssen wir proaktiv agieren, Spezialisten aufbieten, die im Stande sind, alle Fragen zu beantworten.

Heute arbeitet ein Kundenberater nicht mehr so isoliert wie früher, sondern im Team. Auf diese Weise kann er schneller und kompetenter reagieren, was heutzutage, da man dauernd online ist, unerlässlich ist. Ausserdem sind die Anforderungen an die Compliance mittlerweile enorm. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Unsere Kundschaft erneuert sich laufend.

Wo liegt das Wachstum in den nächsten Jahren?

Für uns in Europa. Darum haben wir eine Bank in Luxemburg eröffnet. Sie ist sozusagen die Wirbelsäule unserer Aktivitäten innerhalb der EU. Darüber hinaus haben wir eine Niederlassung in Paris; in Frankreich liegen historisch gesehen unsere Wurzeln.

Die Bankgründer waren Hugenotten, die in die Schweiz geflüchtet sind. Weitere Zielmärkte sind für uns Grossbritannien und Spanien – wo meine Wurzeln liegen.

«Es gab keinen Partner, der bereit gewesen wäre, sich in dieses Abenteuer zu stürzen»

Unlängst haben wir schliesslich eine Filiale in Italien für das Asset Management in Betrieb genommen. Vielleicht eröffnen wir morgen eine Geschäftsstelle in Italien, Deutschland oder Belgien. Es wird dort sein, wo sich Opportunitäten bieten, sei es von den Teams, die wir akquirieren können oder von den Kunden. Ausserhalb Europa sind wir in Dubai und Montreal präsent, in Zentralasien aktiv und dereinst vielleicht auch in Afrika.

In Singapur nicht?

Wir wären heute zu spät dran, oder möglicherweise zu früh. Jedenfalls glaubten wir nicht, dass wir dort die erforderliche Profitabilität erreichen würden.

Es gab an unserem Tisch auch keinen Partner, der bereit gewesen wäre, sich in dieses Abenteuer zu stürzen. Darum sind wir nicht in Singapur. Wir haben allerdings eine kleine Brokerage-Gesellschaft in Hongkong, die uns wertvolle Dienste leistet.

«Ehrlich gesagt, das Gros unserer Klientel fragt nicht danach»

Wenn ich mich herumhöre, gibt es nicht viele Schweizer Banken, die in Asien im Private Banking Geld verdienen. Eine Präsenz in Singapur hat sehr viel mit Prestige zu tun. Wir sind nicht bereit, potenzielle Mitarbeiter «upfront» zu bezahlen, also ihnen einen Vorschuss zu leisten. Wir sind Unternehmer, wir bezahlen gut, aber nie «upfront».

Ist die Digitalisierung ein Thema für eine klassische Privatbank wie Mirabaud?

Ehrlich gesagt, das Gros unserer Klientel fragt nicht danach. Wir wollen aber eine allfällige Nachfrage vorwegnehmen, darum befassen wir uns auch damit und offerieren entsprechende Tools. Das zur Kundenseite.

Intern ist die Digitalisierung bei uns schon sehr weit fortgeschritten. Wir haben als vermutlich erster Betrieb für unseren Geschäftsbereich Asset Management eine «Private Cloud-Architektur» bei der Swisscom, so dass unsere Aktivitäten in dieser Cloud von überall her und in «Real-Time» verfügbar sind. Das wäre vor zehn Jahren noch unvorstellbar gewesen.

Was wird sich in den nächsten Jahren ändern?

Zwei Entwicklungen werden unser Metier fundamental verändern; zum einen der Automatische Informationsaustausch (AIA). Wir wissen nicht, wie manche Länder den AIA interpretieren werden. Werden die ausgetauschten Daten wirklich bei den Behörden bleiben?

Es ist, als ob man in unserem Land auf allen Strassen den Linksverkehr einführen würde, aber nicht für alle Bewohner zum gleichen Zeitpunkt. Der AIA wird unsere Arbeit grundlegend verändern, weil wir von unserer Seite her nach wie vor Vertraulichkeit garantieren.

«Die Anforderungen sind so enorm, dass die Kosten dafür gigantisch sein werden»

Das Bankgeheimnis ist mit dem AIA nicht tot, wie das mancherorts erklärt wird. Aber es muss sich noch weisen, wie man mit dieser Vertraulichkeit künftig umgehen wird. Da fehlen der Branche die Erfahrungswerte.

Und die zweite fundamentale Entwicklung?

Das ist die MiFID 2-Richtlinie zur Harmonisierung der Finanzmärkte im europäischen Binnenmärkt. Die Anforderungen sind so enorm, dass die Kosten dafür gigantisch sein werden. Das wird zwangsläufig eine weitere Industrialisierung des Bankwesens auslösen und gleichzeitig dazu führen, dass sich viele kleinere Kunden kaum mehr individuell betreuen lassen – weil das zu teuer sein wird.

Ich denke, es wird mindestens fünf Jahre dauern, bis sich die Branche auf diese neue Situation eingestellt hat.


Der schweizerisch-spanische Doppelbürger Antonio Palma ist seit 2010 Managing Partner und CEO der Genfer Privatbank Mirabaud. Er stiess bereits 1993 zum Unternehmen, wo er über die Jahre verschiedene Bereiche verantwortete. Er studierte Architektur, Wirtschaftswissenschaften sowie Buchhaltung und schloss die letzten beiden Studien mit eidgenössischen Diplomen ab. Vor seiner Zeit bei Mirabaud arbeite Palma als Logistikchef für die United Overseas Bank (UOB).

Die Privatbank Mirabaud wurde 1819 in Genf gegründet. Die heutige Gruppe, angeführt von vier Partnern, ist in den drei Geschäftsfeldern Wealth Management, Asset Management und Brokerage tätig. Mit derzeit 700 Beschäftigten verwaltet die Gruppe insgesamt 33,1 Milliarden Franken (per Ende 2016) an Kundengeldern.

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