Früher musste Geld arbeiten. Nun soll es im Banking mit reden vermehrt werden. Das hat gleich mehrere Haken, findet finews.ch.

Wir möchten der Bank Cler gratulieren. Der schweizweit von Plakaten prangende Slogan «Zeit, über Geld zu reden» zeitigt bei der finews.ch-Redaktion Wirkung. Nur nicht ganz so, wie sich das die Marketingleute beim vormals als Bank Coop bekannten Geldhaus vorgestellt haben mögen.

Wenn Banker mit ihren Kunden übers Geld bloss noch reden, dann droht der Branche eine Verarmung sondergleichen. Noch mehr: Das Bankfach schafft sich in kleinen Schritten selber ab.

Den Menschen erkunden gehen

Die Anzeichen dazu sind vorhanden. Jüngst berichtete finews.ch exklusiv über ein Experiment der UBS. Die Schweizer Grossbank züchtet in einer Abteilung in Zürich eine neue Generation von Beratern heran.

Den Bankern wird beigebracht, die Produkteblätter hinzulegen. Zuzuhören, was die Kunden bewegt. «Wir müssen weg von der eher produktelastigen Beratung den Menschen erkunden gehen. Das macht es spannend!», zeigte sich der Leiter des Projekts begeistert.

Nicht nur die grösste Schweizer Bank verfolgt solche Ziele. Bei der ins Schlingern geratenen Notenstein La Roche Privatbank wird derzeit die Rolle des Kundenberaters ebenfalls umgekrempelt.

Allen schmeckt das nicht

Diese werden dort künftig nicht mehr selber Portfolios verwalten, sondern sollen zusätzliche Zeit für die Beratung der Kunden haben. «Diese Zeit kann der Kundenberater dazu einsetzen, um ein umfassendes Verständnis der Vermögenssituation des Kunden zu erlangen und um ihn ganzheitlich beraten zu können», erklärte CEO Adrian Künzi kürzlich.

Nicht alle wollen diese Entwicklung mitmachen. «Wir verlieren einige Berater, die am bisherigen Modell festhalten wollen», so der Bankchef weiter.

Das kann nicht verwundern. Kundenberater von altem Schrot und Korn definieren sich über ihre Kompetenz zur Vermögensanlage und zu Börsengeschäften. Sie sind Fachleute in dem Sinne, als sie ihr finanztechnisches Handwerk verstehen – und dank des Verkaufs von Produkten bisher bestens daran verdient haben.

Den Knopf finden in der Krise

Sie sollen nun zu Beratern mutieren, welche den Kunden «holistisch» begreifen. Das klingt sympathisch, einmal abgesehen davon, dass sich die Geldhäuser scheinbar erst jetzt darauf besinnen.

Doch die schöne neue Welt der Vermögensberatung hat gleich einen doppelten Haken. Erstens: Wer viel redet, ist mit seinem Latein irgendwann einmal am Ende. Dann kommt der Punkt, wo vertieftes Fachwissen an der Front gefragt ist.

Zwar können die «neuen» Bankberater per Knopfdruck die Expertise der rückgelagerten Spezialisten aufs Tablet zaubern. Doch es ist fraglich, ob sie in Krisenzeiten den richtigen Knopf finden. Wer einmal sein defektes Mobiltelefon in den Telekom-Shop tragen musste, weiss, wovon hier die Rede ist.

Zweitens: Beratung ist allgegenwärtig in der Dienstleistungsgesellschaft. Kunden können hierzulande über die E-Nummern auf den Lebensmittelpackungen, über eingewachsene Zehennägel und die Ausgestaltung ihrer Datenwolke reden, wenn ihnen der Sinn danach steht. Das macht Beratungsgespräche an sich austauschbar.

Willkommen im Bullshit-Job

Für die Berater als «Redeprofis» birgt das Gefahr. Je mehr die Arbeitsabläufe zerstückelt und spezialisiert werden, desto mehr werden die Angestellten zu Rädchen im Getriebe. Die Folge kann jene Sinnentleerung der Arbeit sein, die der britische Anthropologe David Graeber mit dem Begriff «Bullshit-Job» auf den Punkt gebracht hat.

Solche Tätigkeiten sind nicht nur frustrierend, sondern schnell einmal überflüssig. Und Überflüssiges wird von Unternehmen in der nächsten Sparrunde wegrationalisiert.

Das könnte auch Bankberatern passieren, sollten sie nur über Geld reden. Die UBS etwa züchtet nicht nur die Berater der Zukunft, sondern tüftelt auch an mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Chatbots. Die Bank gewinnt immer.

Im Clinch mit den Auflagen

Wohl trifft es zu, dass das viele Reden nicht von ungefähr kommt. Der Wegfall der Retrozessionen hat dazu geführt, das Banken mit der Beratung Geld verdienen müssen. Gleichzeitig ist der Verkauf von Finanzprodukten an den Kunden nur noch unter strengen Auflagen möglich. Das will man den Beratern an der Front nicht alleine überlassen.

Dennoch wird die Branche ärmer, wenn sie leichthin auf den Finanzfachmann verzichtet. Bestimmt lohnt es sich, auch darüber zu reden.

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