UBS-Innovator Ketan Samani verrät im Interview mit finews.ch, warum die Schweizer Grossbank keine Fintechs kauft, und weshalb er die Untergangsprognosen für das Banking für allzu drastisch hält.

Ketan Samani, als wir uns vor zwei Jahren das erste Mal kurz nach der Gründung von Evolve getroffen haben, sagten Sie: Geschwindigkeit ist ein wichtiger Faktor für Innovationen. Sind Sie immer noch so schnell unterwegs?

Das ist so, ja. Die fünf Teammitglieder von Evolve, dem UBS-Centre für Design Thinking & Innovation, haben im vergangenen Jahr 32 Ideen getestet, woraus 14 funktionierende Konzepte entstanden sind. Geschwindigkeit bleibt wichtig in unserem Innovationsprozess. Doch werden wir im laufenden Jahr wohl etwas langsamer voranschreiten.

Woran liegt das?

Wir wollen die Konzepte zur Marktreife bringen und sie lancieren. Das braucht etwas mehr Zeit. Wir arbeiten bei der Entwicklung auch jeweils mit den Kundenberatern zusammen. Die technische Feinabstimmung macht das Ganze zu einem sehr intensiven Prozess.

Sind Sie zufrieden mit den bisherigen Resultaten?

Ich kann Ihnen keine genauen Prozentangaben machen, wie stark sich die Interaktion mit Kunden verbessert hat. Doch der Grad der Digitalisierung und die Nutzung der digitalen Kanäle im Wealth Management liegen heute ungefähr proportional zum Retailbanking.

«Müssen sie es immer so drastisch ausdrücken?»

Je mehr digitale Kanäle wir öffnen, desto mehr verstärkt sich die Interaktion mit den Kunden.

Sie arbeiten eng mit einer Branche zusammen, deren viel gehörtes Credo lautet: «Banking ist tot». Was halten Sie davon?

Ich glaube nicht, dass das Banking sterben wird. Aber die Art und Weise des Banking wird sich ändern.

Fintech greift die Etragsströme der Banken direkt an, indem es Produkte zu Tiefstpreisen standardisiert.

Meiner Meinung nach ist der Treiber hinter der Standardisierung im Banking eine massiv steigende Nachfrage. In Asien vergrössert sich die Kundenbasis der Banken rasend schnell. Automatisierung und Standardisierung sind der einzige Weg, diese Nachfrage zu bedienen.

Dafür braucht es vor allem Banken.

Viele von den Fintech-Futuristen vorgebrachten Argumente, die das Banking betreffen, sind richtig. Aber müssen sie es immer so drastisch ausdrücken?

«Fintech-Startups scheitern, weil das Produkt nicht stimmt

Dass Bankkunden digitaler werden, bedeutet nicht eine komplette Veränderung ihres Lifestyles oder ihres Bedarfs nach Geld und Transaktionen.

Doch gerade diese Veränderungen im Lifestyle setzen den Banken doch zu. Bedürfnisse und Verhalten haben sich massiv verändert.

Banken werden untergehen, wenn sie ihr Geschäft nicht vollständig um den Kunden herum aufbauen, wenn sie ihren Kunden nicht zuhören und nicht einen werthaltigen Nutzen liefern.

Tun das Fintechs nicht?

Wenn ich mir eine kritische Bemerkung erlauben darf: Über 90 Prozent von Fintech-Startups scheitern, weil ihr Produkt nicht stimmt – nicht weil sie kein Risikokapital erhalten haben. Sie haben eine Idee entwickelt, die vielleicht ihren Erfahrungen im Banking entspricht, aber nicht der von 100 Millionen Menschen.

Es schien lange so, dass Investoren ihr Geld fast blindlings in jedes Fintech-Startup steckten. Nun scheint der Höhepunkt überschritten.

Ich denke, es hat sich mehr Realitätssinn bei den Geldgebern eingestellt. Heute werden Ideen, Konzepte, Algorithmen viel eher auf ihre Werthaltigkeit geprüft. Investoren wollen mehr als einen «proof of concept« sehen. Sie wollen Produkte, die funktionieren und auf Nachfrage stossen.

Wie entwickelt sich Evolve selber, bauen Sie aus?

Das tun wir. Wir suchen weitere Datenspezialisten, und wir wollen unsere Kapazitäten im Progammieren und im Design ausbauen.

«Hier werden Grenzen verwischt»

Das heisst, wir wollen mehr In-house machen, nicht zuletzt auch deswegen, weil die von uns entwickelten Applikationen einen hohen Spezialisierungsgrad aufweisen.

Es herrscht nicht nur in Singapur ein enormer Wettbewerb um die besten Technologien. Verlangt die UBS Exklusivität von den jeweiligen Kooperationspartnern?

Ich sage es mal so: Unsere Marke und Grösse sind hilfreich. Wenn wir den Fintechs ein Umfeld bieten, in dem sie sich selber entsprechend weiterentwickeln können, sind viele auch bereit, exklusiv für die UBS zu arbeiten.

Braucht dies besondere Anreize?

Die grösste Angst, welche Fintechs beim Eingehen solcher Kooperationen haben, ist der Verlust ihrer Rechte auf das geistige Eigentum. In der Praxis einer Zusammenarbeit geschieht es fast zwangsläufig, dass hier Grenzen verwischen. Darum müssen solche Kooperationsverträge gut verhandelt werden.

Die UBS könnte das Problem des geistigen Eigentums lösen und Fintechs akquirieren.

Dafür sind Managementstrukturen notwendig, über welche die UBS nicht verfügt: Das Management von geistigem Eigentum, den Wert bestimmen und schliesslich ein Asset für die Bank schaffen, sind eigene Geschäftsvorgänge. Ausserdem könnte die UBS in einen Interessenkonflikt geraten, da wir natürlich viele Fintech-Investoren zu unseren Privatkunden zählen.

Könnte die UBS nicht aus dieser Dreieckskonstellation Bank, Investoren und Fintechs Vorteile ziehen?

Das wäre in der Tat eine Möglichkeit, denn jedes Fintech, welches eine Kooperation mit der UBS eingeht, steigert seinen Marktwert gleich um ein Vielfaches, was für die Investoren sehr interessant ist.

«Das ist für unsere asiatischen Kunden ein Quantensprung»

Die UBS könnte also für jede Kooperation mit einem Fintech deren Investoren auf eine weitere Finanzierungsrunde ansprechen. Dadurch könnte die UBS ihre Entwicklungskosten tief halten, während für die Investoren eine massive Wertsteigerung herausspringt. Doch das ist im Moment noch ein Gedankenspiel.

Was sind die nächsten Produktinnovationen von Evolve?

Die erste wird eine sichere Kommunikationsanwendung sein, so dass sich Kunde und Kundenberater auch auf öffentlichen Plattformen austauschen können.

In Asien also auch auf Wechat?

Genau, das ist insbesondere für unsere asiatischen Kunden ein Quantensprung. Die zweite Anwendung wird eine personalisierte und visualisierte Methode für das Kunden-Reporting sein. Diese hat vor allem die Vertiefung der Kundenbeziehung zum Zweck. Und sie wird auch global im UBS Wealth Management verwendbar sein. Eine dritte Anwendung, die bereits getestet und geprüft ist, ist eine App, die dem Kunden die vollumfängliche Integration seiner Bankdaten ermöglicht und diese auch visualisiert.

Stammt diese nicht aus der Zusammenarbeit mit dem Fintech Canopy, das im Jahr 2015 die UBS Fintech Challenge gewonnen hat?

Ja, aber wir bei Evolve haben sie zu Ende gebaut. Und wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Canopy ist im März eine Kooperation mit der Credit Suisse eingegangen. Stört Sie das?

Nein. Canopy hat die Abmachung eingehalten und ein Jahr exklusiv mit der UBS zusammengearbeitet und uns sehr gut unterstützt.


Ketan Samani ist Chief Digital Officer im UBS Wealth Management Asien-Pazifik und gleichzeitig Chef des Innovations-Centres Evolve. Er stiess 2015 von der DBS Bank zur UBS und hatte zuvor bereits in verschiedenen Instituten die digitale Transformation eingeleitet, darunter bei Standard Chartered und Barclays. Samani lebt mit seiner Familie in Singapur.

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