Norbert Biedermann, bis Juni CEO der LGT Bank in Vaduz, reflektiert über die Zukunft des Finanzplatzes Liechtenstein, die Vorteile einer eigentümergeführten Bank und eine Strategie, die seit 20 Jahren gültig ist.


Herr Biedermann nach über 43 Jahren Erfahrung auf dem Finanzplatz Liechtenstein: Wie sehen Sie die Zukunft?

Da bin ich sehr optimistisch. Wir haben State-of-the-Art-Rahmenbedingungen und wenn ich neben der Schweiz auf unsere Nachbarländer schaue, dann ist Liechtenstein heute eine echte Stabilitäts-Oase.

Zusätzlich haben wir dank unserer EWR-Mitgliedschaft den wichtigen Zugang zu Europa. Wenn man nebst den Banken auch den Treuhand-, Versicherungs-, Vermögensverwaltungs- und Fondsbereich zusammennimmt, verfügen wir über ein extrem gut gebündeltes Know-how und langjährige Erfahrungen in praktisch allen Finanzbereichen für die Verwaltung und den Schutz von Vermögen.

Liechtenstein ist gewissermassen ein etwas grösseres Family Office und als solches bewegen wir uns in einer wachstumsträchtigen und attraktiven Marktnische.

Die LGT selbst ist ja seit der Jahrtausendwende vor allem ausserhalb Liechtensteins gewachsen und das sehr erfolgreich. Heute liegt die Mehrheit der verwalteten Vermögen ausserhalb Liechtensteins und knapp zwei Drittel der Mitarbeitenden sind ebenfalls ausserhalb beheimatet. Was war das Erfolgsrezept für diese Internationalisierung?

Der erste Faktor war, dass wir uns 1998 grundsätzlich überlegt haben, wie die LGT in 15 oder 20 Jahren aussehen soll. Damals waren wir praktisch nur in Liechtenstein und in Zürich aktiv.

Die LGT war kaum diversifiziert und damit auch verletzlich gegenüber negativen Entwicklungen in diesen Märkten. Wir fällten dann den strategischen Entscheid, einerseits international in bestimmten Märkten zu wachsen und andererseits ein starkes Asset-Management-Standbein aufzubauen.

«Die Strategie von 1998 gilt heute noch»

Der zweite Faktor war, an dieser einmal beschlossenen Strategie konsequent festzuhalten und sich auch von Misserfolgen und Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Auch hier war es hilfreich, dass wir ein eigentümergeführtes Unternehmen sind, das seine Strategie langfristig verfolgen kann und nicht dem Druck der Kapitalmärkte ausgeliefert ist.

Der Umstand, dass man langfristig an einmal Beschlossenem festhält und nicht dauernd Richtungswechsel vornimmt, schafft auch Vertrauen bei Kunden und Mitarbeitenden. Als ich kürzlich meine Abschiedsrede schrieb, habe ich nochmals die betreffende Pressemitteilung von 1998 zur neuen Strategie gelesen und ich kann sagen, diese Strategie gilt wortwörtlich auch heute noch und die heutige LGT entspricht weitgehend der damaligen Vision.

Wenn man nochmals auf den Zeitraum zurückblickt, in dem Sie in dieser Branche gearbeitet haben, dann hat sich wohl etwas ganz entscheidendes zum Schlechteren verändert: Das Image der Branche.

Das ist so, das Image hat eminent gelitten. Wenn ich zu Beginn meiner Karriere gesagt habe, ich arbeite bei einer Bank, dann war das für das Umfeld automatisch eine seriöse, wichtige und integre Arbeit. Verschiedene Fälle von Missmanagement und Skandalen bei Banken, und dann insbesondere die Finanzkrise haben das verändert.

Mitentscheidend waren dabei sicher auch gewisse Bonusexzesse bei Banken, die für einen Grossteil der Bevölkerung schlicht nicht mehr nachvollziehbar sind.

«Ich habe mich manchmal gefragt, ob es noch etwas anderes gäbe»

Wichtig ist, dass man hier differenziert: Auf dem Finanzplatz Liechtenstein war das nie wirklich ein Thema und bei der LGT schon gar nicht. In einem eigentümergeführten Unternehmen ist man ja nie der oberste Chef. Es gibt über dir immer noch jemanden, der gerade auch in finanziellen Belangen ein Wort mitzureden hat.

Bei all den vielen Skandalen und Problemen im Banking: Sind Ihnen da nie Zweifel gekommen, ob Sie überhaupt in der richtigen Branche sind?

Natürlich macht man sich in einem Zeitraum von 43 Jahren seine Gedanken. Auch ich habe mich manchmal gefragt, ob es noch etwas anderes gäbe, das für mich passend sein könnte.

Aber letztlich waren die Aufgaben und die Gestaltungsmöglichkeiten, die ich hatte, immer so spannend, dass es bei den Gedanken blieb.

Zu den positiven Entwicklungen im Banking in den letzten Jahren gehört sicher, dass Themen wie Nachhaltigkeit und Philanthropie immer wichtiger werden. Wie beurteilen Sie diesen Trend?

In Bezug auf diese Themen hat bei unseren vermögenden Kunden in den letzten zehn Jahren ein enormer Wandel stattgefunden. In den Kundengesprächen nehmen Nachhaltigkeit und Philanthropie einen zunehmenden Stellenwert ein.

Und es bleiben nicht nur Diskussionen, viele unserer Kunden haben selbst philanthropische Projekte ins Leben gerufen und begleiten diese.

«Die Regulierung bietet ja auch Chancen«

Sie geben also nicht einfach nur Geld an eine wohltätige Organisation und sagen: macht mal. Sie engagieren und involvieren sich selbst. Das ist ein riesiger Wandel. Die Kunden interessieren sich auch dafür, was die LGT macht und unser Angebot in diesem Bereich hat sich zu einer Art USP entwickelt.

Wer heute im Banking arbeitet, ist im Gegensatz zu früher viel stärker in ein regulatorischen Korsett eingezwängt. Macht es aus Ihrer Sicht überhaupt noch Spass, in dieser Branche zu arbeiten?

Das wird jeder sehr unterschiedlich beurteilen. Die einen werden sagen, das ist nicht meine Welt und andere nehmen das als Herausforderung an. Die Regulierung bietet ja auch unternehmerische Chancen, indem man sich durch möglichst unbürokratische Prozesse und attraktive Dienstleistungen von der Konkurrenz abheben kann. Eine wichtige Aufgabe des Bankmanagers besteht deshalb darin, die Organisation in diese neue Welt mitzunehmen.

Ich lese in diesem Zusammenhang immer wieder mit Interesse, dass es für Kundenberater heute darum gehe, sich weg vom Produktverkäufer und hin zum holistischen Betreuer zu entwickeln, der die Kundenbedürfnisse ganzheitlich abdeckt. Ich muss dann jeweils ein bisschen schmunzeln: Das ist nämlich etwas, was für uns bei der LGT bereits seit vielen Jahren selbstverständlich ist.

Kurz vor der Pensionierung fragt man mich immer wieder, ob ich jungen Leuten noch raten würde, ins Banking einzusteigen. Ich kann dann jeweils nur sagen: Banking ist ein People‘s Business. Wer gerne mit Menschen zu tun hat, für den bleibt unser Beruf auch künftig spannend.


 Norbert Biedermann hat nach einer kaufmännischen Ausbildung seine gesamte Berufslaufbahn seit 1974 bei der LGT Bank in Liechtenstein verbracht. Nach diversen Auslandsaufenthalten und Stationen im Rechnungswesen, der internen Revision, im Handel und in der Anlageberatung wurde er 2001 in die Geschäftsleitung berufen und übernahm 2011 deren Vorsitz.