Joachim Strähle, CEO der Bank Sarasin, über gute Mitarbeiter, die Konsolidierung im Private Banking, das Schweizerische an Sarasin und schlaflose Nächte.

Herr Strähle, im Jahr 2009 zeigte sich zum ersten Mal, welche Banken die Finanzkrise besser gemeistert hatten als andere. Was gab dafür den Ausschlag?

Vom Ausmass der Krise wurden alle Banken überrascht. Manchen Instituten zog es regelrecht den Teppich unter den Füssen weg. Auf der Ertragsseite brachen die Einnahmen ein, während die Kosten unverändert hoch blieben. Gut durch die Krise sind jene Banken navigiert, die ein fokussiertes Geschäftsmodell besassen, das auf Service und Beratung beruht.

Es zeigte sich, dass es nicht Aufgabe einer Bank sein kann, laufend neue Finanzprodukte zu konzipieren, um die Kundenportefeuilles damit zu füllen. Vielmehr muss man die Bedürfnisse der Kunden und deren Risikoprofil kennen. Im Prinzip ist das nichts Neues. Es geriet in den letzten Jahren bei manchen Banken bloss in den Hintergrund.

Gab es Zeiten während der Finanzkrise, in denen Sie schlecht geschlafen haben?

Ja, über das Wochenende vom 13. und 14. September 2008, als in den USA ungewiss war, was mit Lehman Brothers, Merrill Lynch und dem Versicherungskonzern AIG passieren wird.

Was hat Sie damals beunruhigt?

An besagtem Wochenende war unklar, ob eine der grossen US-Banken Konkurs gehen würde. Der finanzielle Zusammenbruch von Lehman und später der isländischen Banken hatte auch für uns Konsequenzen. Die entsprechenden Abschreibungen haben unser Geschäftsergebnis 2008 belastet.


«Es bestand die Gefahr eines Dominoeffekts»

Im September 2008 bestand ausserdem die Gefahr, dass es zu einem Dominoeffekt kommt, was für das weltweite Finanzsystem – und damit auch für uns – noch viel gravierendere Folgen gehabt hätte. Erst als die Regierungen und die internationalen Notenbanken mit Garantien und Liquiditätsspritzen einsprangen, hat sich die Lage entschärft.

Welcher Schaden bleibt von der Finanzkrise zurück?

Das ist schwierig zu sagen, weil sich die Börse 2009 erstaunlich schnell wieder erholt hat. Man darf jedoch nicht übersehen, dass allein in den USA rund 200 Banken Konkurs gegangen sind. Das hat eine Menge Geld und Vertrauen gekostet. Auch deswegen sind viele Anleger und Kunden nach wie vor zurückhaltend mit neuen Engagements respektive mit neuen Investitionen. Doch es gibt Lichtblicke: Der asiatische Markt hat die Krise mehrheitlich gut verkraftet. In manchen Regionen boomt es bereits wieder. Ich bin zuversichtlich, dass es 2010 weiter aufwärts gehen wird.

Wohin geht für Sarasin die Reise?

Meine Vision war immer, die Bank als Lösungsanbieter zu positionieren. Das hat zwar zur Folge, dass man weniger hauseigene Finanzprodukte verkauft. Gleichzeitig bietet es aber den Vorteil, dass wir die Kunden unabhängig beraten können und ihnen so einen erheblichen Mehrwert liefern. Im Jahr 2006 haben wir begonnen, diese Absicht umzusetzen, und sind äusserst gut unterwegs.


«Mit dem Triple-A haben wir einen einzigartigen Vorteil»

Als schweizerische Privatbank mit einem Triple-A-Mehrheitsaktionär im Rücken, nämlich der holländischen Rabobank, haben wir einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Wir sind ausserdem international diversifiziert und in den wichtigsten Wachstumsregionen der Welt mit eigenen Standbeinen präsent. Unsere starke Position zeigt sich auch in der Aktienkursentwicklung: Zwischen 2004 und 2009 hat sich der Wert der Sarasin-Titel verdoppelt. Damit liegen wir allein auf weiter Flur.

Eine besondere Vision erfordert besondere Mitarbeiter. Worauf achten Sie persönlich, wenn sie jemanden einstellen?

Da vertraue ich ehrlich gesagt auf mein Bauchgefühl. Meistens schaue ich mir die CVs der Kandidaten im Voraus nicht an. Im Gespräch frage ich mich eher, würde ich dieser Person mein Geld anvertrauen? Selbstverständlich prüfe ich nachher die Fakten und das Know-how des Bewerbers, und wenn ich unsicher bin, stütze ich mich auf die Einschätzungen meiner Kollegen. Aber ich lasse eine Person gerne auf mich einwirken. Jedenfalls bleibt es nie bei einem einzigen Interview.

Was muss eine Person mitbringen, die für Sarasin arbeiten will?

Ehrlichkeit, Integrität. Sie muss die Kundschaft pro-aktiv pflegen wollen und ein Teamplayer sein. Ich sage immer: Bei uns sind Primadonnen nicht gut aufgehoben.

Teamgeist? Dominiert in der Finanzbranche nicht eher das Einzelkämpfertum?

Unsere Welt ist so komplex geworden, dass Sie als Einzelkämpfer heute nicht mehr alle Aufgaben allein bewältigen können. Sie sind darauf angewiesen, eingebettet zu sein. Nur so sind Sie zu Höchstleistungen fähig.

Gute Leute muss man allerdings auch gut behandeln.

Natürlich. Selbst während der Finanzkrise haben wir uns daran gehalten. Die Geschäftsleitung hat auf einen Bonus für das Geschäftsjahr 2008 verzichtet. Dieses Geld ging an unsere Mitarbeiter. Wir haben auch keine Leute aus wirtschaftlichen Gründen entlassen.


«Wir hätten Salärkürzungen in Kauf genommen»

Eher hätten wir firmenweit Salärkürzungen in Kauf genommen – vor allem beim Top-Management, andere Bereiche wären weniger davon betroffen gewesen. Das war nicht bloss ein Lippenbekenntnis. Wir haben dies vorsorglich allen Mitarbeitenden kommuniziert.

Wurde diese Massnahme nötig?

Nein, glücklicherweise nicht. Nach dem 1. Quartal 2009 ging es ja wieder aufwärts. Wir haben sogar zusätzliches Personal angestellt. Heute beschäftigten wir etwas mehr Leute als vor Jahresfrist. Nicht massiv mehr, aber immerhin. Das ist ein gutes Zeichen. Wir achten auch darauf, die neuen Leute gut zu integrieren, und regelmässig führen wir Mitarbeiter-Befragungen durch. Die Erhebung im Sommer 2009 hat äusserst hohe Werte bei der Zufriedenheit der Mitarbeitenden ergeben. Das hat mich sehr gefreut.

Sarasin versteht sich als schweizerische Privatbank mit internationaler Ausprägung. Was heisst das konkret in der Finanzwelt von heute?

Früher konzentrierte sich Sarasin auf den Schweizer Markt. Durch den Einstieg der Rabobank hat sich das geändert. Das war auch richtig, weil das Geschäft in der Schweiz sicherlich nicht mehr dieselben Wachstumsraten aufweist wie früher. Heute stammen noch rund 40 Prozent unserer Kundenvermögen aus der Schweiz. Die Mehrheit kommt aus dem Ausland. Dieser Anteil wird sicherlich weiter ansteigen. Dank der Rabobank hat sich uns ein riesiges, internationales Netz erschlossen. Damit können wir unsere eigenen Niederlassungen in Europa, im arabischen Raum und in Asien ideal ergänzen. Unter diesem Gesichtspunkt verstehen wir uns als schweizerische Privatbank mit internationaler Ausrichtung.

Ist denn eine Privatbank noch schweizerisch, wenn der Hauptaktionär eine Bank aus den Niederlanden ist?

Wenn ich als CEO von Sarasin unsere wichtigsten Konkurrenten anschaue, dann haben diese Firmen ebenfalls siebzig oder achtzig Prozent ausländische Aktionäre an Bord. Wir haben einen Hauptaktionär, der uns mit seiner Solidität im Geschäft erheblich weiterbringt.


«Es gibt keine Reporting Lines nach Holland»

Als Bank selber unterstehen wir unverändert der schweizerischen Finanz marktaufsicht und nicht einer ausländischen Behörde. Es gibt auch keine so genannten Reporting Lines auf Managementebene nach Holland. Unsere Bank wird operationell von einem Management geführt und von einem Verwaltungsrat geleitet, die beide mehrheitlich mit Schweizern besetzt sind.

Konkret, wie bringt der Rabo-Konzern die Bank Sarasin weiter?

Im Nahen Osten betreuen wir unter anderem sehr vermögende Kunden, die massgeschneiderte Finanzprodukte verlangen. Diese konzipieren wir nicht selber, sondern beauftragen die Kapitalmarkt- Division der Rabobank damit. Die Fachleute dort strukturieren das Produkt, versehen es mit einem Triple-A, und wir können es dann unserem Kunden offerieren.


«Wir wollen uns nicht die Sorgen anderer aufbürden»

Noch ein anderes Beispiel: Unlängst hat die Rabobank ihr Kapital erhöht und dafür eine so genannte ewige Anleihe ausgegeben. Diese konnten wir unserer Kundschaft zu attraktiven Konditionen anbieten. Und schliesslich profitieren wir auch beim Einkauf von Computern, bei der Anzeigenwerbung oder bei Versicherungen von Synergien. Die grösseren Einkaufsvolumen, die wir mit Rabo erreichen, entlasten unsere Kostenseite.

Welche Rolle spielt Sarasin in der laufenden Konsolidierung im Private Banking?

In den letzten drei, vier Jahren haben wir schöne Wachstumsraten ausweisen können, so dass wir gar nicht gezwungen waren, andere Firmen zu akquirieren. Die neusten Veränderungen im regulatorischen Umfeld sowie beim Bankgeheimnis zwingen verschiedene Institute, Kundengelder abzustossen. Darum kam es zu verschiedenen Transaktionen. Wir haben das sehr genau verfolgt. Allerdings birgt der Kauf solcher Assets enorme Risiken, zumal der Trend heute eindeutig in Richtung deklarierter Vermögen geht. So besehen wollen wir uns nicht die Sorgen anderer aufbürden.

Eine Übernahme kommt für die Bank also nicht in Frage?

So absolut würde ich das nicht sagen. Wenn wir ein Institut sähen, das kulturell zu uns passt, einen klaren Mehrwert bietet und verwaltete Vermögen von mehr als zwanzig Milliarden Franken hat, würden wir eine Übernahme prüfen. Von den finanziellen Möglichkeiten her wären wir dazu in der Lage. Geografisch stehen für uns die Märkte Asien, Deutschland und Grossbritannien im Fokus. Wir wollen aber nicht blindlings in etwas hineinspringen. So einen Schritt würden wir uns nicht einmal, sondern vier- oder fünfmal überlegen.

Die Bank Sarasin profiliert sich mit ihrem Engagement im Bereich Nachhaltigkeit. Wollen die Kunden aber nachhaltige Finanzdienstleistungen?

Ja, absolut. Wir stellen fest, dass sich nicht nur institutionelle Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen, sondern auch Family Offices und vermögende Privatkunden immer mehr nach solchen Kriterien orientieren. Wer mit seinem Geld verantwortungsvoll umgeht, fühlt sich mit nachhaltigen Anlagen wohler.


«Nachhaltige Anlagen weisen ein überlegendes Rendite-Risiko-Profil auf»

Gleichzeitig haben verschiedene Untersuchungen wie auch unsere eigene Erfahrung der letzten zwanzig Jahre gezeigt, dass nachhaltige Anlagen ein überlegenes Rendite-Risiko-Profil aufweisen. Es war für uns deshalb ein natürlicher Schritt, unser Portfolio-Management für Privatkunden in der Schweiz nach nachhaltigen Kriterien auszurichten. In der Schweiz haben wir heute bereits einen Marktanteil von mehr als zwanzig Prozent in diesem Segment. Ein Achtel unserer Kundenvermögen ist nachhaltig investiert. Das wollen wir weiter ausbauen.

Stehen Nachhaltigkeit und die Tatsache, dass manche Kunden ihr Geld vor dem Fiskus verbergen, nicht in einem moralischen Widerspruch für eine Bank wie Sarasin?

Der Vergleich hinkt. Das Schweizer Bankgeheimnis wurde nicht geschaffen, um Steuern zu hinterziehen, sondern für den Schutz der finanziellen Privatsphäre – nicht zuletzt für Leute, die in ihrem Heimatland verfolgt wurden, wie das vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Die Ausgestaltung des schweizerischen Bankgeheimnisses ändert sich aber.

Dass die Schweiz Hand bietet, die Steuerfrage international zu lösen, ist richtig. Darum propagiert sie unter anderem eine Abgeltungssteuer für ausländische Vermögen. Dieser Vorschlag könnte Teil von bilateralen Verhandlungen sein und einiges zur Lösung der verhärteten Fronten mit der EU beitragen. Eine solche Steuer würde die Tätigkeit der Schweizer Bankiers im grenzüberschreitenden Geschäft erleichtern.


«Die Schweiz hat mehrmals für die USA die Kohlen aus dem Feuer geholt»

Auf gar keinen Fall sollte die Schweiz einen automatischen Informationsaustausch mit ausländischen Behörden akzeptieren. Damit würde das Bankgeheimnis ausser Kraft gesetzt. Der Schutz der finanziellen Privatsphäre kann jedoch nicht hoch genug eingestuft werden. Er ist eine schweizerische Tradition. Es wäre ein Riesenfehler, das Bankgeheimnis abzuschaffen.

In den letzten zwölf Monaten übten auch die USA einen erheblichen Druck auf die Schweiz aus. Berechtigt?

Nein. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Schweiz auf dem politischen Parkett immer wieder für die USA vermittelt und die Kohlen aus dem Feuer geholt hat. Zudem sind die beiden Schweizer Grossbanken wichtige Arbeitgeber in der amerikanischen Finanzindustrie. Umso mehr hat es mich überrascht, mit welcher Härte die amerikanischen Justizbehörden gegen unser Land vorgegangen sind. Klar, die USA wollen die Steuerproblematik energisch bekämpfen und ein Exempel statuieren. Trotzdem verstehe ich nicht ganz, wie ein Land, das so sehr darauf bedacht ist, dass die Gesetze eingehalten werden, so mit einer ausländischen Bank umgeht, während die eigenen Institute ungeschoren davon kommen.

Inwiefern haben diese Ereignisse Ihre Einstellung zu den USA verändert?

Ich habe acht Jahre in Amerika gelebt. Mir hat es in den Staaten immer sehr gut gefallen. Es war mir aber auch bewusst, dass die USA sehr auf sich fokussiert sind. Mag sein, dass ihnen deswegen entgangen ist, dass wir heute in einer multipolaren Welt leben.


«Erst sparen, dann kaufen – nicht umgekehrt»

Persönlich denke ich, dass die USA in den nächsten zehn Jahren einen Riesenschritt vorwärts machen müssen und jeder Bürger wieder mehr Verantwortung übernehmen muss. Die Verschuldung jedes Einzelnen ist ein Indiz dafür, wie wenig Eigenverantwortung existiert. Künftig sollte die Devise lauten: Erst sparen und dann kaufen – nicht umgekehrt.

Hat die Krise nicht auch Extreme offengelegt, sowohl im positiven wie im negativen Sinn?

Absolut. Kreativität genauso wie Masslosigkeit. Dies gilt für Anleger wie auch für die Finanzdienstleister.

Welche Lehren ziehen wir daraus?

Die Krise hat die Schwachstellen des Finanzsystems aufgedeckt. Sie hat die Grösse mancher Institute und deren Produkte hinterfragt. Sie hat uns bei Sarasin aber auch gezeigt, dass unser Kurs richtig war und unsere Werte sich auszahlen. Wir alle sind nun gefordert. Die Finanzbranche selber genauso wie die Politik. Es wird sehr darauf ankommen, wer wieviel Einfluss nimmt. Wichtig ist das Miteinander. Wer sich zu stark ausbreitet, egal auf welche Seite, schränkt die Kräfte des freien Marktes ein. Das will letztlich niemand.

Das Interview ist ebenfalls erschienen im «Portrait» der Bank Sarasin.

Offene Stellen bei der Bank Sarasin finden Sie unter diesem Link.

 

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.32%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.89%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.34%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
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