Ein 47-jähriger Inder wird die alleinige Führung des Investmentbanking der Deutschen Bank übernehmen. Doch wer ist dieser Mann?

Auf Anhieb gibt Anshu Jain (Bild unten) nicht den Banker, den man sich gemeinhin vorstellt. Dazu ist er allzu eloquent, zugänglich und freundlich. Er wirkt nicht abgehoben oder arrogant, sondern interessiert und erstaunlich entspannt. Dabei hätte er allen Grund, anders zu sein.

Denn der gebürtige Inder ist seit geraumer Zeit der heimliche Star bei der Deutschen Bank, der mit seiner Abteilung etwa 80 Prozent zum Gewinn beisteuert. Und nun kommt es für ihn noch besser.

Spricht kaum Deutsch

Nach einer Übergangsfrist von Juli bis September wird er den Bereich «Corporate und Investment Bank» des grössten deutschen Bankhauses in Alleinregie führen. Bisher hatte er sich die Leitung mit Michael Cohrs geteilt. Doch dieser tritt in der Funktion demnächst ab, wie der Konzern dieser Tage bekanntgab. Damit wird Jain zum wichtigsten Aufsteiger innerhalb der Deutschen Bank und als potenzieller Nachfolger für CEO Josef Ackermann gehandelt, dessen Vertrag 2013 ausläuft.

Anshu_JainDoch wer ist dieser Mann, der kaum Deutsch spricht, statt in Frankfurt in London sitzt und genau jene Bankgeschäfte verantwortet, die im Sog der Finanzkrise immer wieder in die Kritik kamen?

Tektonische Verschiebung

Jains wachsende Bedeutung innerhalb eines global tätigen Finanzunternehmens ist sinnbildlich für die tektonische Verschiebung, die sich in der heutigen Bankenwelt von West nach Ost vollzieht. Und in diesem Umfeld ist es nicht länger erstaunlich, wenn eine wachsende Zahl von asiatischen, namentlich indischen Bankern in den Chefetagen mancher Finanzinstitute Einzug hält – selbst wenn dies für manche Beobachter noch gewöhnungsbedürftig sein mag.

Doch unter der Prämisse, dass das grösste Wachstumspotenzial in der Finanzindustrie von morgen in Asien liegt, sind jene Banken sicherlich am besten aufgestellt, die solche Leute in ihr Spitzengremium aufnehmen. Sie bringen eine noch eher seltene Mischung an Erfahrung, Auffassungsgabe und Know-how mit, wie sich im Fall von Anshu Jain beispielhaft zeigt.

Seltene Privilegien

Jain wurde im Januar 1963 in Indien geboren, wo er später in Neu Delhi studierte, bevor ihm seine Eltern Mitte der achtziger Jahren die Möglichkeit boten, in den USA zu studieren und ein MBA zu machen. Später fand er Arbeit an der Wall Street, zuerst bei Kidder Peabody, später bei Merrill Lynch, wo er einer der jüngsten Geschäftsführer war, bevor er 1995 zur Deutschen Bank wechselte.

Er ist verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt heute mit seiner Familie in London, von wo er massgeblich zum Erfolg der Deutschen Bank beiträgt und als Investmentbanker in der Gunst von Josef Ackermann ganz hoch steht. Denn immer wieder verteidigt der Schweizer Ackermann die Geschäfte im Investmentbanking, die im Verlauf der Finanzkrise in der Öffentlichkeit immer wieder in Verruf gerieten.

«Kein Söldner»

Jain selber sieht sich, selbst wenn er zu den bestbezahltesten Bankern Europas gehört, nicht als Abzocker, sondern als hart arbeitender Mann in einem extrem kompetitiven Geschäft mit hohen Margen und Risiken.

Dem Vorwurf, nur Söldner einer Bank zu sein und schon nach wenigen Jahren mit prall gefülltem Geldbeutel zur Konkurrenz zu ziehen, begegnet er mit der Feststellung, dass er nun bereits seit 15 Jahren der Deutschen Bank die Treue hält.

Entwicklungen erkannt

In dieser Zeit habe er zahlreiche Entwicklungen in der Finanzindustrie vorweggenommen und daraus enorm erfolgreiche Transaktionen ableiten können, heisst es in Branchenkreisen. Er war es, der die Deutsche Bank zu einem ernstzunehmenden Player im US-dominierten Investmentbanking machte. Und nicht zuletzt unter seiner Ägide operierte die Deutsche Bank während der ganzen Krise überaus stabil verglichen mit anderen Instituten.

Dass er dabei von seinen Mitarbeitern «Intelligenz, Hunger und Hingabe» verlangt, wie er einmal in einem Interview erklärte, ist insofern interessant, als dass es unterstreicht, mit welchem Anspruch die neue Elite aus dem Osten ihren Job versteht.

Ob der Schnelldenker Jain dereinst Ackermann an der Spitze der Deutschen Bank beerbt, bleibt abzuwarten, je globaler sich der deutsche Grosskonzern in den nächsten Jahren entwickeln kann, desto höher steigen die Chancen von Anshu Jain.

Schon einmal ein Inder

Schon einmal leitete ein Banker mit indischen Wurzeln eine globale Bank: Es war der britisch-indische Doppelbürger Luqman Arnold an der Spitze der UBS, bevor er nach Meinungsverschiedenheiten mit seinem Präsidenten Marcel Ospel das Handtuch warf. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn er länger geblieben wäre.

 

 

 

 

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.36%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.86%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.33%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
pixel