Die UBS braucht für ihre Neuausrichtung Zeit und Ruhe. Daher widerspricht der Ökonom und SVP-Nationalrat Hans Kaufmann den Ideen seiner Partei für den staatlichen Umgang mit Grossbanken.

Hans Kaufmann ist Nationalrat der SVP und Gründer der Vermögensverwaltungs-Firma Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete der  Ökonom bei der Bank Bär, zuletzt als Chefökonom.

Die UBS wurde im Spätherbst 2008 mit einem staatlichen Massnahmenpaket zum Wohle der gesamten Volkswirtschaft gestützt. Das Paket war eine Reaktion auf staatliche Interventionen in Amerika und Europa, die nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ergriffen wurden. Der drohende Abfluss von Liquidität und weitere Verwerfungen an den Finanzmärkten hätten die Bank gezwungen, Aktiven in substanziellem Ausmass abzubauen, was die Kündigung von Krediten oder Verkäufe von gesunden Unternehmensteilen nicht ausgeschlossen hätte.

Wenn über 100'000 Schweizer KMUs von ihrer Kreditquelle abgeschnitten, Lohnkonti blockiert, die Exportkredite, der Zahlungsverkehr und der Handel mit Wertpapieren und Devisen unterbrochen worden wären, hätte dies gravierende Konsequenzen für die Volkswirtschaft gehabt.

Wir betreten Neuland

Die indirekte Beteiligungsnahme des Bundes ist nun eine Tatsache. Aber es geht nicht um eine permanente Beteiligung, sondern darum, Zeit zu gewinnen, damit sich die Bank stabilisieren und neu ausrichten kann.

Bei der Ausgangslage herrscht Übereinstimmung: In der Schweiz existieren mehrere Weltkonzerne, die für unser Land ein Grossrisiko darstellen, falls sie in Schwierigkeiten geraten. Wir betreten mit der staatlichen Beteiligungsnahme an einer Grossbank Neuland. Unsere Bankinstitute stehen heute im Wettbewerb gegen eine Armada von staatsgestützten Banken im Ausland, und die Länge und Tiefe der heutigen Krise sind nicht absehbar.

So schnell wie möglich raus aus der UBS

In Bezug auf die Wahrnehmung der Verantwortung für diese UBS-Beteiligung unterscheidet sich mein Konzept in mehreren Punkten von der Meinung der Parteileitung. Die künftige Politik sollte auf einen möglichst baldigen Rückzug des Bundes aus dieser UBS-Beteiligung ausgerichtet werden. Der Zeitpunkt hängt von der Stabilität der Finanzmärkte und den Möglichkeiten ab, diese Beteiligung in der einen oder anderen Form bei privaten Investoren zu platzieren. Das von der SVP-Parteileitung präsentierte Konzept scheint demgegenüber eine langfristige Beteiligungsnahme und Intervention des Staates zu verfolgen.

«Per Gesetz sind Unternehmensstrukturen vorzuschreiben, in denen verschiedene voneinander unabhängige, selbständige Tochtergesellschaften die Bankaktivitäten im In- und Ausland wahrnehmen». Diese Forderung der Parteileitung ist unrealistisch im Hinblick auf die UBS mit ihren über hundert Tochter- und Beteiligungsgesellschaften und 77'000 Mitarbeitern. Zudem ist die Annahme hinter der Forderung materiell falsch: nämlich dass durch eine Konzern-interne Regelung die Haftung einer Konzerngesellschaft (die «schweizerische UBS») für die anderen Konzerngesellschaften (die «ausländische UBS») ausgeschaltet werden könnte. Dies widerspricht dem Bankenrecht (Beistandzwang), dem massgeblichen Bundesgerichtsentscheid und internationalen Regeln der Bankenaufsicht.

Wer will einen Staatsgarantie-Stempel?

Wer fordert, dass es keine Unternehmen geben dürfe, die in ihrer Bedeutung zu gross für die gesamte Volkswirtschaft seien, muss diese Unternehmen identifizieren und benennen, womit diesen gewissermassen ein «Staatsgarantie-Stempel» aufgedrückt wird, der ihnen gegenüber den übrigen Unternehmen einen Konkurrenzvorteil verschafft. Andererseits dürften börsenkotierte Unternehmen wohl mit Kursabschlägen abgestraft werden, weil die Aktionäre Eingriffe des Staates befürchten müssen.

Mit einer Bevormundung der Grossbanken bezüglich ihrer rechtlichen Struktur übernähme der Bund die Verantwortung für Fehlschläge. Insbesondere würden die Banken aber massiv eingeschränkt in ihrer Flexibilität. Die Idee, über eine Holdingstruktur allenfalls einzelne Ländergesellschaften in Konkurs gehen zu lassen, ohne dass das Schweizer Stammhaus davon betroffen würde, ist illusorisch.


«Die SVP widersetzt sich energisch der schleichenden Einführung von sozialistischem, planwirtschaftlichem Gedankengut ins Wirtschaftsleben. Sie will mehr Markt in Wirtschaft und Gewerbe und wendet sich darum gegen zwangsstaatliche Vorschriften und Interventionismus.» – SVP-Parteiprogramm 2007 bis 2011.


 

Sinnvoll erscheint die wirtschaftliche Trennung von Investmentbank und Vermögensverwaltung, wie von der UBS bereits im August 2008 angekündigt. Aber eine vollständige Verselbständigung in rechtlich unabhängige Banken ist u.a. wegen der internen Verflechtung und der gemeinsamen Infrastrukturen (EDV) unrealistisch.

Käufer sind angesichts der Finanzprobleme aller grosser Marktteilnehmer kaum vorhanden, ein Börsengang undenkbar und eine Aktienaufteilung in zwei Gesellschaften führt ebenfalls nicht zum Ziel, denn eine Ausgliederung des Investmentbankings hätte in jedem Falle eine Rekapitalisierung dieser Aktivitäten zur Folge.

Systemrisiken werden nicht mit Juristerei aus dem Weg geschafft

Es ist fraglich, ob und wie viele der heutigen UBS-Kunden ihre Geschäfte auf die abgespaltene Investmentbank übertragen würden. Risiken lassen sich auch deshalb nicht auf die Schweiz begrenzen, weil die UBS im Inland einen strukturellen Überschuss von Kundengeldern über Investitionen aufweist. Die Systemrisiken können nicht mit einem juristischen Konstrukt aus der Welt geschafft werden.

Es ist zutreffend, dass mindestens bei der UBS und der Credit Suisse ein Problem besteht; ihre Geschäfte haben einen Umfang und Strukturen angenommen, welchen die Schweiz als Heimatland und die SNB als Kreditgeber in der Not («Lender of Last Resort») nicht mehr gerecht werden können. Die Aufsicht hat auf dieses Problem durch die Einführung einer maximalen Verschuldungsgrenze rascher und wirkungsvoller als andere Länder reagiert. Dass damit das Problem der Verhältnismässigkeit von Bankengrösse und Volkswirtschaft noch nicht abschliessend gelöst ist, mag zutreffen.

Erst Vorarbeiten, dann Diskussion

Das anspruchsvolle Thema eignet sich aber im Moment sicher nicht für eine öffentliche Diskussion. Dazu sind Vorarbeiten zu leisten. Die SVP-Fraktion hat deshalb bereits im Oktober vom  Bundesrat einen entsprechenden Bericht verlangt. Dieser ist abzuwarten, die SVP wird ihn kritisch beurteilen.

Dabei geht es um langfristig entscheidende Weichenstellung für die Regelung des Banken- und Finanzwesens in der Schweiz nach Überwindung der Krise. Jetzt unnötige Entscheide zu forcieren – mitten in der Krise und ohne Abwägung der komplexen Materie – widerspricht der Parteiprogramm und der Tradition der SVP. Mit einem Hüftschuss zur Bevormundung der Grossbanken bezüglich ihrer künftigen rechtlichen Struktur übernähme der Bund zudem auf fahrlässige Art und Weise eine Verantwortung für Fehlschläge. Zudem würden die Kunden der Banken, insbesondere auch die ausländischen, durch die Diskussion in einer Art verunsichert, die dem Finanzplatz schaden könnte.

Systemrisiken können nur reduziert werden, indem die Geschäftsvolumina und die Risiken abgebaut werden. Die in den letzten Jahren aufgebauten Handelsbücher müssen massiv reduziert und einzelne Geschäftszweige komplett aufgegeben, d.h. verkauft oder liquidiert werden. Dazu benötigt die UBS wegen den schlecht funktionierenden Finanzmärkten Zeit. Der Staat greift bereits substantiell in die Geschäftstätigkeit der Grossbanken ein.  Im Gegensatz zu anderen Aufsichtsbehörden erhöhte die FINMA die Eigenmittelanforderungen der Grossbanken, und nur für diese, bereits 2007. Beide Banken haben sich in der Folge umfangreiche neue Eigenmittel besorgt. Deshalb stehen unsere Grossbanken mit Kerneigenkapitalquoten von 11,5 Prozent (UBS vs. 9,1% Ende 2007) und CS 13,3 Prozent (11,1%) heute im internationalen Vergleich relativ gut da.

Saläre: Kein Handlungsbedarf

«Der Bund hat darauf hinzuwirken, dass für die Grossbanken, die vom Bund gerettet werden oder gerettet werden müssten – de facto UBS und CS – für das oberste Management eine Salärstruktur analog der Bundesunternehmen (SBB, Post etc.) einzuführen ist», fordert die Parteileitung. Aber der Staat hat via FINMA schon die Kompetenz, in die Salärpolitik von Banken einzugreifen. Deshalb besteht kein Handlungsbedarf. Jeder Manager, Portefeuilleverwalter, Devisen- oder Wertschriftenhändler ist ersetzbar. Aber wenn der Arbeitgeber von Gesetzes wegen hochprofitable Mitarbeiter wegen Salärrestriktionen nicht halten kann, so riskiert er, dass auch bisher loyalen Mitarbeiter mitsamt ihrem Kundenstamm abgeworben werden. Salärvorschriften demotivieren nicht nur die angestammte Belegschaft, sondern erschweren auch die Rekrutierung und verunsichern die Kundschaft.

Dass sich die Banksaläre nach der Wertschöpfung richten müssen, erscheint selbstverständlich. Das angelsächsische Bonussystem, bei dem die individuelle Leistung an erster Stelle steht, wird durch Lohnsysteme abgelöst werden müssen, bei denen das Gesamtresultat des Konzerns massgebend ist. Zumindest ein Teil der variablen Lohnkomponente muss vom längerfristigen Gedeihen eines Unternehmens abhängen. Auch wenn man die Löhne der obersten Kader begrenzt, so ist diese Lohnsumme im Vergleich zum Total der Personalkostenreduktion gering. Wesentlich für die Zukunft der UBS war 2008 die Senkung des totalen Personalaufwands um  9,2  Milliarden Franken, also 36 Prozent. Ohne variable Lohnanteile hätte eine solche Kostenreduktion eine Massenentlassung nach sich gezogen. 

Staatliche Lohnbegrenzungen würden die Standortattraktivität der Schweiz massiv torpedieren, denn einmal durchgesetzt, besteht die Gefahr, dass auch andere Unternehmen, die von staatlichen Vorschriften reguliert, von Subventionen profitieren oder als systemrelevant eingestuft werden, betroffen werden. Im  Vordergrund stehen dabei die Elektrizitätswirtschaft, Krankenkassen, Kantonalbanken und Privatversicherungen. Die Saläre der Topkader sollen Sache des Verwaltungsrates bleiben, jene der Verwaltungsräte Sache der Aktionäre, indem sie zu teure Aktionärsvertreter abwählen.

Ein Bundesvertreter in den UBS-Verwaltungsrat?

«Falls der Bund in den kommenden Monaten eine 10%-ige Beteiligung an der UBS übernehmen wird, hat er für die Dauer der Beteiligung einen unabhängigen, wirtschaftlich erfahrenen Bundesvertreter zu verlangen, um gemäss seiner Aktienbeteiligung an der Gesamtverantwortung der Bank mitzuwirken». Die Einsitznahme in den Verwaltungsrat von Unternehmen, bei denen der Bund gleichzeitig Regulator, Bewilligungsgeber und  Aufsichtsgremium ist, hat die SVP wegen der Interessenskonflikte in der Vergangenheit immer strikte abgelehnt. Die Einsitznahme in einen Verwaltungsrat bedeutet unternehmerische Verantwortung übernehmen. Dies kann nicht Aufgabe des Bundes sein, denn damit ist die  Haftungsfrage verbunden. Wer steht für Verluste gerade, die aufgrund der Entscheide des «Bundesvertreters» entstehen?

Von Unabhängigkeit kann bei einem Bundesvertreter sowieso keine Rede sein: Entweder ist er Bundesvertreter oder unabhängig. Es gibt kein Recht auf einen VR-Sitz, auch nicht bei einer 10-Prozent-Beteiligung. Die Generalversammlung aller Aktionäre hat darüber zu befinden. Wenn der Bund tatsächlich über ein Reservoir von ausgewiesenen Bankspezialisten verfügt, dann soll er diese in der FINMA einsetzen, die wesentlich mehr Durchsetzungsvermögen besitzt als einer von 13 UBS-Verwaltungsräten. Wie soll sich der Bundes-Verwaltungsrat verhalten, wenn er von den übrigen überstimmt wird? Als Insider einer börsenkotierten Unternehmung wäre es ihm verwehrt, den Bundesrat oder die Öffentlichkeit zu informieren. Und selbstverständlich stellt sich auch die Frage, was mit diesem Verwaltungsrat passiert, wenn der Bund weniger als 10 Prozent der Aktien hält, weil es ihm gelungen ist, einen Teil oder seine gesamte direkte oder indirekte Beteiligung zu veräussern.

Erstes Ziel des Bundes muss sein, eine definitive Beteiligung als Grossaktionär bei der UBS zu vermeiden. Dazu muss die UBS rasch und nachhaltig profitabel werden. Dann wird auch der Aktienkurs der UBS das für einen profitablen Ausstieg des Bundes notwendige Niveau erreichen. Die Laufzeit der Zwangswandelanleihe von insgesamt 30 Monaten müsste der Bank den nötigen Freiraum verschaffen. Die Vorschläge der Parteileitung der SVP würden den Freiraum unnötigerweise einschränken und die Kunden und das Personal verunsichern.

Deshalb sind die sachlich nicht haltbaren, für den Finanzplatz Schweiz sogar schädlichen Vorschläge der Parteileitung zu begraben.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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