Die Finanzkrise hat das Sendungsbewusstsein vieler Banker erschüttert. Doch nun tritt eine neue Generation von Bankern ans Licht – mit gewandeltem Selbstverständnis. Dazu zählt François Reyl.

Francois_Reyl_2François Reyl (Bild) weiss, wovon er spricht. Der Jurist arbeitete zunächst zehn Jahre als Investmentbanker bei der Credit Suisse First Boston in London, bevor er 2002 in die Privatbank seines Vaters in Genf wechselte.

«Ein totaler Kulturwandel», wie sich der heute 45-jährige Banker erinnert. An der Themse die hektische, rastlose Welt des schnellen Geldes, in Genf das gemächliche, im Vergleich dazu fast verschlafene Biotop der Schweizer Vermögensverwaltung alter Schule.

Ausbildung und Erfahrung

Zu jenem Zeitpunkt war die Reyl & Cie eine höchst diskrete, aber auch etwas träge Boutique mit gerade mal einem Dutzend Mitarbeiter, die zwischen 400 und 600 Millionen Franken verwalteten – für eine Bank bei weitem nicht die kritische Grösse.

«Der Wunsch, in das Unternehmen meines Vaters einzusteigen, war schon lange da», erinnert sich François Reyl, «doch ich wollte etwas einbringen können, Ausbildung, Erfahrung», sagt Reyl, um das Vermächtnis seines Vaters weiterzuführen.

Vielfältige Wachstumsstrategie

Bei blossen Absichtserklärungen blieb es nicht. Unmittelbar nach seinem Eintritt entwarf François Reyl zusammen mit seinem heute 75-jährigen Vater eine Wachstumsstrategie, die auf verschiedenen Pfeilern beruhte.

Neben der eigentlichen Vermögensverwaltung, lancierte François Reyl 2003 mehrere Anlagefonds für seine Klientel und eröffnete im Jahr darauf eine Geschäftsstelle in Paris.

Breit abgestützt

Im Jahr 2006 gründete er das Reyl Private Office, ein Unternehmen, das sich im weitesten Sinne um die Bedürfnisse der vermögenden Kundschaft kümmert, also um Vermögensplanung genauso wie um Immobilienmanagement, die Versicherung von Kunstwerken oder die Suche nach der eigneten Schule für die Kinder der Kunden.

«Mir war immer klar, dass sich eine Bank im heutigen Umfeld, nicht auf die reine Vermögensverwaltung beschränken kann», sagt François Reyl rückblickend. «Man muss sich breiter abstützen.»

Von 12 auf 125 Beschäftigte

Nach diesem Prinzip vollzog die Bank ebenfalls eine geographische Expansion, nach Paris eröffnete sie 2009 ein Büro in Luxemburg, 2010 eine Filiale in Singapur und vor gut einem Monat eine Geschäftsstelle in Zürich, wie auch finews.chberichtete.

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Die Expansion an die Limmatstadt erfolgte mit der Übernahme des Vermögensverwalters Solitaire Wealth Management, der rund 450 Millionen Franken verwaltete. Das Team von Reyl Zürich steht seither unter der Leitung von Thomas H. Dürmüller (Bild)

Nächstes Jahr im Juni wird es zehn Jahre sein, seit François Reyl, in der hiesigen Bankenszene beinahe unbemerkt, ein beachtliches Finanzimperium auf die Beine gestellt hat. Der Personalbestand hat sich in dieser Zeit von 12 auf 125 Beschäftigte erhöht, und die verwalteten Kundenvermögen belaufen sich mittlerweile auf 4,5 Milliarden Franken.

Ziel: Verdoppelung der Kundendepots

Eine Verdoppelung der Depots in den nächsten fünf Jahren hält François Reyl für realistisch. Wachstum sei wichtig, betont er. Doch im Gegensatz zur Euphorie in der Bankenszene der neunziger Jahre plant Reyl mit seiner Bank keinen Börsengang. «Dadurch würden wir uns dem Diktat der Quartalsberichterstattung aussetzen und unsere Unabhängigkeit verlieren.»

Das Wachstum sei aber nicht nur für seine Bank, sondern auch für den Schweizer Finanzplatz enorm wichtig, betont Reyl, denn nur so liessen sich dessen Vorteile in eine neue Ära der Vermögensverwaltung tragen, sagt der Banker.

Kapitalerhaltung statt Steuerhinterziehung

«Vom Tax-Evasion-Center, also der Hochburg der Steuerhinterziehung, müsse die Schweiz zum Asset-Protection-Center mutieren, also zu einem Zentrum des Kapitalerhalts», skizziert Reyl die Stossrichtung.

Das sind neue Töne auf einem Finanzplatz, der viel zu lange von seinem Vermächtnis gezehrt hat und es dabei versäumte, sich den Anforderungen der Zeit und des gesellschaftlichen Wandels zu stellen. Reyl plädiert für neuen Enthusiasmus, Passion und Beharrlichkeit, denn, so erklärt er, einen ‹immediate award› werde es für die Schweizer Banken in nächster Zeit wohl kaum geben.

Grossbanken sind wie Flugzeugträger

«Wir müssen wieder bescheidener werden und Ausdauer beweisen», sagt François Reyl, der selber sinnigerweise ein passionierter Marathonläufer ist. In dieser Zeit des grossen Wandels sieht er für kleinere Institute in der Schweiz auch grosse Chancen.

«Sie sind eher in der Lage, sich anzupassen, die richtigen Wendemanöver einzuleiten, als die Grossbanken, die wie Flugzeugträger manövrieren und entsprechend schwerfälliger sind. Das eröffnet uns Kleinen enorme Opportunitäten», ist der gebürtige Franzose mit Schweizer Pass überzeugt.

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