Der neu ernannte Chef der UBS hat klare Vorsätze. Als seine drei wichtigsten Führungsprinzipien nennt er Fairness, Loyalität und Wille.

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Als Ende 2010 bekannt wurde, dass Sergio Ermotti zur UBS stossen würde, war es vordergründig eine Personalie unter vielen. Doch eigentlich war es die wichtigste, seit Oswald Grübel im Februar 2009 an die Macht gekommen war.

Denn der 50-jährige Tessiner war nicht nur bereits eine ganz grosse Nummer im internationalen Banking, sondern galt sofort auch als oberster Anwärter auf die Nachfolge im Chefsessel der grössten Schweizer Bank.

Überstürzte Ereignisse

Als Präsident und Chef Europe, Middle East and Africa übernahm Ermotti zunächst eine divisionsübergreifende Funktion. Damit konnte er sich einen konzernweiten Überblick verschaffen und war keiner einzelnen Division angeschlossen. Beste Voraussetzungen also, dereinst CEO zu werden.

Nun haben sich die Ereignisse in den letzten zehn Tagen aber überstürzt, seit bekannt wurde, dass ein UBS-Trader in London der Grossbank einen Verlust von 2,3 Milliarden Dollar eingebrockt hatte. Zwar ist Ermotti erst CEO ad interim, doch seine Chancen stehen sehr gut, diesen Job auch auf Dauer zu erhalten, wie auch UBS-Präsident Kaspar Villiger am Samstagnachmittag erklärte.

Doch wer ist dieser Schweizer Banker, den hierzulande ausserhalb der Branche noch kaum jemand kennt, und den das deutsche «Handelsblatt» vorschnell als Italiener taxierte?

Fordernd und menschlich

«Ermotti ist ein fordernder Chef, der den Mitarbeitern viel abverlangt», sagt ein früherer Mitarbeiter bei Merrill Lynch, wo Ermotti einen grossten Teil seiner Bankkarriere absolviert hat. (vgl. dazu auch diesen Link)

«Er ist aber auch sehr menschlich und hat Verständnis, wenn es einem privat nicht so gut geht.» Sein Führungsstil sei hart, urteilt ein weiterer Kollege. Ermotti habe keine Hemmungen, auf Fehler hinzuweisen, aber er bleibe immer fair dabei.

Im Tessin verwurzelt

Ermotti selber bezeichnete einmal als seine wichtigsten Führungsprinzipien: Fairness, Loyalität und Wille. Diese Haltung hängt stark mit Ermottis Selbstverständnis zusammen. Der erklärte Familienmensch und Vater zweier Teenager-Söhne gibt nicht den eindimensionalen Banker, sondern ist ein vielseitig interessierter Mensch, der selbst mit seiner knapp bemessenen Freizeit viel anzufangen weiss. Unter anderem ist er auch ein leidenschaftlicher Skifahrer und Fussballer.

Privat ist er an verschiedenen Hotels im Tessin beteiligt, darunter dem Principe Lepoldo oder der Villa Sassa in Lugano. Seit 2007 amtet er überdies als Verwaltungsratspräsident der Tessiner Fluggesellschaft Darwin Airline.

Enger Draht zu Tito Tettmanti

Diese Engagements unterstreichen Ermottis Verbundenheit mit der Heimat, wo er an seinem Wohnort in Montagnola bis heute als bodenständiger Typ gilt. Im Tessin verfügt er über ein weit verzweigtes Beziehungsnetz.

Eng verbunden ist er mit dem Financier und UBS-nahen Tito Tettamanti. Gute Kontakte unterhält er auch zur Familie Cornaro, namentlich zu Vittorio, dem Gründer der Cornèr Bank, wo Ermotti seine Banklehre machte, bevor er zur Citigroup nach Zürich wechselte.

Schweizer Identität

In geschäftlichen Belangen tauscht er sich auch gerne mit Massimo Pedrazzini aus, einem einflussreichen Tessiner Anwalt und Vertrauten Tettamantis, oder mit dem Unternehmer Robert Grassi. Solche Kontakte sind nicht aussergewöhnlich. «Im Tessin kennt ohnehin jeder jeden», sagt der Banker und Unternehmer Christian de Prati, der selber diesem Biotop entstammt.

Für die UBS kommt der international bewährte Ermotti gerade richtig. Mit ihm an der Spitze nun kann die Bankführung ihre Schweizer Identität wieder unterstreichen, und als Tessiner dürfte der Neue bei den hiesigen Politikern und Regulatoren zweifelsohne gut ankommen.

Gute Kontakte in London

Mit seiner Erfahrung als Investmentbanker bei einem der mächtigsten US-Finanzkonzerne (Merrill Lynch) besitzt er auch die Chuzpe, um den angelsächsischen Primadonnen im dealgetriebenen High-Risk-Banking Paroli zu bieten.

Manchmal bringe ein Trade-off langfristig mehr als das Beharren auf einem Standpunkt, lautet eine Devise Ermottis, der damit Konzilianz beweist. Zudem sitzt er als nicht-exekutives Mitglied im Verwaltungsrat der London Stock Exchange, was ihm in internationalen Börsenfragen Gewicht verleiht.

Kein Stallgeruch

Und noch einen Vorteil geniesst er: Im Gegensatz zu den vielen Bankern, die in letzter Zeit von der Credit Suisse zur UBS gewechselt haben, hat er an seinem Arbeitsort keinen «Stallgeruch».

Das verschafft ihm intern einen hohen Grad an Unbefangenheit, was an den heutigen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand, erinnert, der ebenfalls einen Grossteil seiner Karriere im Ausland absolvierte.

The Best Dressed Man

Mit Hildebrand teilt Ermotti auch das vorteilhafte Äussere; nicht zufällig galt der Tessiner bei Merrill Lynch in London als «the best dressed man».

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass just jener Mann, der Ermottis Bankkariere entscheidend vorantrieb, selber die UBS beinahe an die Wand fuhr: Marcel Ospel.

Merrill-Lynch-Netzwerk

Der Basler arbeitete in den achtziger Jahren eine Zeit lang bei Merrill Lynch und stellte damals neben Ermotti etwa auch Thomas Matter oder den späteren Hedgefonds-Manager Rainer-Marc Frey an. So schliesst sich gewissermassen ein Kreis – und Rainer-Marc Frey sitzt heute im Verwaltungsrat der UBS; damit hat Ermotti auch im Aufsichtsgremium einen Fürsprecher.

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