François Savary, CIO der Genfer Bank Reyl, über die zentralen Entscheidungen in der Eurozone – und wieso es für Investitionen in Finanztiteln noch zu früh ist.

savary_francois_reylFrançois Savary ist Chief Investment Officer und Leiter der strategischen Finanzanalyse bei der Bank Reyl & Cie. in Genf



Herr Savary, Sie haben als CIO bereits für die Deutsche Bank und Darier Hentsch gearbeitet. Nun sind Sie in derselben Position bei Reyl. Wie unterscheiden sich diese drei Häuser?

Die Unterschiede sind gewaltig. Reyl ist eine Boutique-Bank, die mit ihren 40 Jahren noch relativ jung ist. Die anderen beiden sind entweder eine alte, gut etablierte Bank oder ein weltweites Institut. Bei der Deutschen Bank war ich stark im internationalen Geschäft tätig, während meine Erfahrungen bei Darier Hentsch stark unternehmerisch geprägt waren.

Anschliessend zeichneten Sie bei der Westschweizer Wirtschaftszeitung «Agéfi» für den redaktionellen Inhalt verantwortlich. Was ist spannender, der Journalismus oder das Banking?

Heute ist der Umgang mit Informationen, egal wo Sie arbeiten, zentral. Beim «Agéfi» war ich für das Informationsmanagement verantwortlich. Heute ist dies bei Reyl ähnlich. Es wird von einem erwartet, dass man die Informationen, die man täglich vom Markt bekommt, verarbeitet und die richtigen Schlüsse daraus zieht. Das Banking ist insofern interessanter, als dass ich als CIO die Möglichkeit habe, Strategie-Entscheidungen für die Investments zu treffen. Ich denke, das macht den Unterschied zu meiner früheren Tätigkeit als Journalist aus.

Reyl ist in Genf zu Hause. Steht die Konsolidierungswelle dort vor der Tür?

Wenn man Safra und Sarasin betrachtet, ist das bereits ein Schulterschluss, der seinen Ursprung teilweise in Genf hat. In der Branche gibt es grosse Player, die eine kritische Masse haben, um zu bestehen, und kleinere Player, die dynamisch genug sind, um sich anzupassen. Schwierig wird es für mittelgrosse Banken.

Wo steht die Bank Reyl?

Unser Vorteil ist, dass wir ein kleines Institut bleiben wollen, selbst wenn wir in den vergangenen Jahren stark gewachsen sind. Mit dem unternehmerischen Geist von Dominique und François Reyl haben wir die Chance, von dem jetzigen Umfeld zu profitieren.

Derzeit verharren die Anleger aber an der Seitenlinie.

Das ist das grosse Problem auf dem Alten Kontinent. Europa befindet sich in einer Phase der Realitätsfindung. Europa lebte die letzten zwanzig Jahre einen Traum. Die Europäer dachten, sie hätten eine Alternativ-Währung zum Dollar. Doch das war eine Selbsttäuschung. Was wir heute erleben, ist nicht einfach eine plötzliche Krise, sondern die logische Folge von zwei Jahrzehnten, in denen es innerhalb der EU keine politische Entwicklung gab. Darum blieb der Euro auch immer schwach.

Was lief schief?

Um eine funktionierende Währung zu haben, braucht es einen freien Kapitalfluss und einen liberalisierten Arbeitsmarkt. Beides hat es in der EU nie gegeben. Die Krise seit 2007 zeigt bloss, wie schwach der Euro eigentlich ist. Wenn es nicht gelingt, eine Fiskalunion mit einer gesamteuropäischen «Finanzdirektion» zu schaffen, wird der Euro kaum überleben.

Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass das zustande kommt?

Viele Leute sagen, dass die Deutschen mit ihrem Kurs die Eurokrise verschlimmern. Ich denke, es steckt eine Logik dahinter. Wenn man will, dass die EU funktioniert, braucht es eine Fiskalunion. Diese zu etablieren, dauert aber ungefähr fünf Jahre, und es braucht dafür Eurobonds. Solche können allerdings auch nicht über Nacht emittiert werden – das dauert rund drei Jahre.

Doch braucht es dafür die Zustimmung Deutschlands, das systematisch auf dieses Ziel hinarbeitet. Ist ein solcher Kurs einmal festgelegt, dürfte auch das Vertrauen in die Märkte und somit auch in die Wirtschaftspolitik der EU zurückkehren.

Können Sie hierfür einen zeitlichen Rahmen geben?

Ich erwarte einen definitiven Entscheid in den kommenden Wochen. Theoretisch hätte man noch einige Monate Zeit. Aber wenn man bedenkt, dass beispielsweise Italien zu den heutigen Konditionen (rund 7,2 Prozent) seine Schulden nicht refinanzieren kann, braucht es eine rasche Lösung.

Hat die jüngst lancierte Liquiditäts-Offensive der globalen Zentralbanken nicht schon die gewünschte Entspannung an den Märkten zur Lösung der Eurokrise gebracht?

Die zusätzliche Liquidität bringt zwar Entspannung, ist aber nicht die endgültige Lösung. Mit diesen Massnahmen wird lediglich das Liquiditätsproblem angegangen werden. Ich denke, der Schlüssel zur Bewältigung der Krise ist es, einen Mechanismus zu finden, der eine Schulden-Refinanzierung durch einen Kreditgeber letzter Instanz garantiert.

Die Schweiz hat sich mit einer Euro-Untergrenze von 1.20 an die Einheitswährung gebunden. Kann dieser Kurs langfristig gehalten werden, und wie teuer kommt dieses Vorhaben der Schweizerischen Nationalbank (SNB) letztlich zu stehen?

Die Untergrenze war eine von mehreren Optionen der SNB. Im Gegensatz zu einer festen Anbindung an den Euro kann die Untergrenze jederzeit wieder aufgehoben werden. Wie erwähnt, kommt es darauf an, wie sich die Eurozone entwickelt. Kommt es zu einer Lösung mit Eurobonds und einem Kreditgeber letzter Instanz, so verliert auch der Franken an Attraktivität.

Was wäre die andere Variante?

Kommt es hingegen zu keiner Lösung und der Euro explodiert, werden die Anleger in die klassische Fluchtwährung Franken gehen, und dann kann selbst die SNB die Untergrenze nicht länger halten. In einem solchen Szenario müsste die Nationalbank andere Wege beschreiten und beispielsweise Kapitalflusskontrollen einführen.

Die Eurokrise drückt vor allem die Finanztitel nach unten. Könnten Anleger nicht die Gunst der Stunde nutzen und jetzt in diesen Sektor investieren, zumal die Schweizer Banken im internationalen Vergleich sehr gut kapitalisiert sind?

Das ist sicherlich ein interessantes Szenario. Doch wir sind hier eher defensiv. Es ist nämlich ein binäres Szenario. Wie zuvor erwähnt, hängt sehr viel von der Entwicklung in der Eurozone ab. Kommt es zu einer grossen Explosion, reisst das auch die Banken mit. Daher würde ich lieber den Anfang des Aufstiegs verpassen und einsteigen, wenn die Wende vollzogen ist. Denn Bankentitel haben das Potenzial, um fünfzig Prozent oder mehr zuzulegen. Wenn man da die ersten zehn Prozent verpasst, ist dies nicht schlimm.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.36%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.76%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.82%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.44%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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